Klimapopulist Knutti

ETH-Forscher Reto Knutti missbraucht sein Amt an einer staatlich finanzierten Hochschule, um die Abstimmung über das Klimaschutzgesetz zu beeinflussen.

(Zuerst erschienen in “Die Weltwoche”, Ausgabe 19/2023, 11. Mai 2023)

Vor wenigen Wochen berichteten die Medien über eine Aktion des ETH-Klimaforschers Reto Knutti. Er hatte über 200 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler von Schweizer Universitäten und Forschungsanstalten für die Unterstützung des Klimaschutzgesetzes mobilisiert. Seine Begründung für die professorale Einmischung in die Volksabstimmung vom 18. Juni lautet so: «Gerade bei komplexen Themen wie dem Klimawandel sollten sich auch Wissenschaftler:innen mit ihrer Expertise einbringen und zur Meinungsbildung beitragen.»

Diese Aktion, die beansprucht, «die Wissenschaft» zu vertreten, wurde in den Medien, kaum überraschend, fast nur wohlwollend kommentiert. Dabei kam das Grundsätzliche nicht zur Sprache: Diese Einmischung in einen Abstimmungskampf missachtet selbstverständliche Governance-Prinzipien von staatlichen Hochschulen. Natürlich können alle, die die Aktion unterzeichnet haben, ihre persönliche politische Meinung haben und diese in Wahlen und Abstimmungen ausdrücken.

Es ist aber etwas völlig anderes, mit Hilfe der geliehenen Reputation seiner staatlich finanzierten Hochschule die Abstimmung über eine konkrete Gesetzesvorlage beeinflussen zu wollen, zudem noch eine ideologisch derart aufgeladene. Wenn man auf die Neinstimmen gegen das Energiegesetz mit dem «Atomausstieg» und gegen die CO2-Vorlage abstellt, ist auch beim Klimaschutzgesetz mit rund 40 Prozent ablehnenden Stimmen zu rechnen. Die politische Aktion «der Wissenschaft» richtet sich somit gegen eine grosse Minderheit, die – genau wie alle – Steuern für die staatliche Forschung zahlt.

Die Fakten, die er meint

Die Governance-Forderung gilt unabhängig von der Frage, ob «die Wissenschaft», welche diese politische Einmischung zu vertreten vorgibt, überhaupt die eine und einzige Wahrheit über den Klimawandel besitzt. Was man sicher sagen kann: Die Wahrheit über die richtige Klimapolitik kennt diese «Wissenschaft» bestimmt nicht. Reto Knutti schreibt, die Aussage, dass die Schweiz ihre CO2-Emissionen rasch reduzieren müsse, sei eine logische Schlussfolgerung aus der Physik. Ist eine derart verkürzte Argumentation der déformation professionnelle eines Klimamodell-Experten zuzuschreiben?

Seine Sicht ist nicht zuletzt durch seine persönliche Ablehnung der Kernenergie verzerrt.

Im «Info 3» von SRF sagte Reto Knutti, die Leute sollten auf der Grundlage von Fakten entscheiden können. Natürlich meint er die Fakten, wie er sie interpretiert. Seine Sicht der Energie- und Klimapolitik ist nicht zuletzt durch seine persönliche Ablehnung der Kernenergie verzerrt. Deshalb unterstützt er Gesetze, die das Neubauverbot für KKW zementieren wollen. Nicht zufällig fehlt auf der Unterstützerliste die Unterschrift seiner ETH-Kollegin Annalisa Manera, Nuklearforscherin am Paul-Scherrer-Institut – ein Leuchtturm im Meer des Opportunismus.

Wenn es noch eines Beweises bedurft hätte, dass die Klimaforschung politisiert ist, dann liefert sie die Aktion von Reto Knutti. Seine selbsternannte Wahrheitswissenschaft solidarisiert sich mit einer bestimmten politischen Agenda. Wie die obengenannten Volksabstimmungen zeigten, gibt es in der Klima- und Energiepolitik eine tiefe Spaltung, da sie durch das Thema Kernenergie moralisch-ideologisch aufgeladen ist. Die Aktion «der Wissenschaft» fördert diese Spaltung, indem sie sich einseitig positioniert.

Der britische Klimatologe Mike Hulme spricht von einem neuen Klimareduktionismus, der von einer Hegemonie prognostizierender Naturwissenschaften angetrieben sei, einer Hegemonie, die modellbasierten Beschreibungen vermeintlicher zukünftiger Klimata eine unverhältnismässige Macht im politischen und gesellschaftlichen Diskurs verleihe. Dieser Klimareduktionismus verdrängt die historische Erfahrung, dass energy transitions, also jetzt die Dekarbonisierung, Jahrhundertprojekte sind.

Beschränkte Opferbereitschaft

Dessen ungeachtet, engt die Politik unter dem Einfluss alarmistischer Töne aus der Klimaforschung den Zeitrahmen für Emissionsreduktionen immer enger ein. Doch es ist eine Sache, «netto null bis 2050» in ein Gesetz zu schreiben, jedoch eine ganz andere, später die realen Konsequenzen zu tragen. Demokratien sind für radikale Wenden nicht geeignet. Es gilt «the iron law of climate change» (Roger Pielke Jr.), das besagt, dass die Opferbereitschaft der Menschen in Wohlstandsgesellschaften begrenzt ist.

Die absehbare Entwicklung wird sein, dass Strategien der Anpassung an den Klimawandel gegenüber der radikalen Emissionsreduktion zunehmend an Gewicht gewinnen. Mit Anpassung waren die Menschen schon bisher erfolgreich. Der beste Beweis dafür sind die weltweit drastisch gesunkenen Opferzahlen bei extremen Naturereignissen. Davon hört man allerdings von «der Wissenschaft» von Reto Knutti nichts.

Hans Rentsch ist Ökonom und Wirtschaftspublizist.

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8 thoughts on “Klimapopulist Knutti”

  1. Zum Glück ist Knutti, der selbsterklärte Klima-Oberwissenschaftler und effektorientierte Popstar der Klimakirche, 50 Jahre alt. Alt genug, dass er sich später nicht mit “Jugendsünden” wird herausreden können. Und jung genug, um die Schädlichkeit seiner Empfehlungen und Einflüsse in der Praxis miterleben zu müssen. Auch jung genug, um dafür noch zur Verantwortung gezogen werden zu können.

  2. ‘Es gilt «the iron law of climate change» (Roger Pielke Jr.), das besagt, dass die Opferbereitschaft der Menschen in Wohlstandsgesellschaften begrenzt ist.’ Und erst die der Milliarden in unterentwickelten Gesellschaften??? Die verstehen weder das Problem noch seine möglichen Lösungen, und sind derart knapp bei Kasse, dass eine tägliche Kostenerhöhung schon um wenige Rappen kritisch wäre. Andererseits wäre eine Umstellung auf elektrischen Antrieb deutlich gesundheitsfördernd wegen weniger Luftverschmutzung, Lärm, Bodenvergiftung.

  3. Danke Herr Rentsch für Ihre passende Stellungsnahme. Ich fände es gut, wenn Ihre und weitere sachbezogene, koorekte Kommentare in Tageszeitungen erscheinen würden, damit die Stimmbürger fachlich korrekt informiert und nicht desorientiert und verunsichert werden.

    1. Ich hatte zuerst versucht, den Text bei der NZZ unterzubringen. Keine Antwort, obwohl ich ja dort immer wieder mal einen Artikel platzieren kann. Nun habe ich in der Weltwoche die rund 50 Kommentare überflogen. Es gibt keinen einzigen mit Argumenten gegen mich. Etwa die Hälfte sind stark polemisch, zum Teil unter der Gürtellinie. Ich habe grosse Mühe, meine Beiträge in einem solchen Umfeld veröffentlichen zu müssen, weil es in der Deutschschweiz nur die NZZ als seriöse Plattform gibt. Der Tages-Anzeiger würde meinen Beitrag sowieso nicht nehmen, da versuche ich es gar nicht.

  4. Knutti & Co. veraltet, von der Wissenschaft überholt?

    Ich erinnere mich noch vor Jahren an Antworten von Prof. Knutti auf meine Anfragen. Sie halfen mir, Klimafragen besser zu verstehen. Ich war erfreut, wie unsere ETH-Professoren probierten – sachlich und klar, ohne Ideologie –, mit dem ‘Volk’ zu kommunizieren und komplizierte Vorgänge mit all ihren Unsicherheiten zu erklären.

    Ich kann es darum kaum fassen, wie Knutti heute zum Aktivisten, ja Klimahysteriker mutiert ist. Ich frage: ist das noch die gleiche Person? Er sollte uns anstatt Apokalypse besser die neusten Erkenntnisse der Forschung erklären, damit wir umfassend informiert in der Politik, an der Urne die ‘richtige’ Entscheidung treffen können.

    Blind sollen wir wenig realistischen Klimazielen folgen (siehe weiter unten), ein Energiesystem durch ein anderes ersetzen, ohne Sicherheitsnetz, ohne Fallback! Wir sollen Hunderte von Milliarden ausgeben, traumwandeln, riskieren unsere Wirtschaft mit einer Netto-Null-Utopie zu zerstören. Das ist kriminell fahrlässig. Sind wir denn von allen guten Geistern verlassen?

    Knutti & Co. sollten sich wirklich dringendst mit ‘der Wissenschaft’ befassen. Neueste Erkenntnisse stellen fundamentale Annahmen des Pariser Abkommens in Frage. Dies sagt nicht irgendwer sondern Prof. Dr. Jochem Marotzke, Direktor Max-Planck-Institut für Meteorologie und Mitautor des AR 6, dem neuesten Sachstandsbericht des IPCC. Dies ist die systematische Übersichtsarbeit zum Forschungsstand der Klimaforschung.

    Audiovisuell hier https://www.youtube.com/watch?v=DG6wO3VLi6s – Minute 16.40: ‘Pariser Klimaziele wenig realistisch’ – Minute 17.55: ‘Pariser Klimaabkommen basiert auf einem gewissen Wissensstand, daran dürft ihr nicht rütteln … sonst Pariser Abkommen aushebeln. Für Wissenschaftler ist das absurd’ – Minute 20.30: ‘die konkrete Lebensangst, wegen Methan aus dem Permafrost werden sie sterben, ist nicht begründet, völlig überflüssig. Hilft nicht, dieses Katastrophennarrativ zu bedienen. Es lähmt und es verhindert Handlung’.

    Es wäre sehr wünschenswert, wenn unser oberster Klimatiker und seine 200 JüngerInnen in der Schweiz dies auch so erklären würden anstatt unwissenschaftlich, im Namen der ETH (sic!), Panik zu schüren.

    +++

  5. Atmosphärenphysiker müssen die Gesetze der Thermodynamik beherrschen, sonst können sie keine Klimamodelle rechnen. Genau die gleichen Gesetze wirken bei allen Fragen der Energieversorgung. Sie besagen, dass bei jeglicher Energieumwandlung Verluste in Form von Wärme auftreten. Sie treffen immer und überall zu, auch bei vermeintlich „kalten“ Energieumwandlungen wie Wasserkraft, Solar- und Windkraftanlagen und der Nutzung elektrischen Stroms. Die vornehmliche Aufgabe von Ingenieuren ist es Verluste in der gesamten Energieumwandlungskette, von der Quelle bis zur Umwandlung in nützliche Arbeit, zu minimieren. Ressourcenverschleiss und unnötiger Aufwand, letztlich Kosten, sind zu vermeiden. Ein simples ökonomisches Konzept, das die belebte Natur in Perfektion umsetzt. Ein Umstand den ein Klimaforscher kennen muss.
    Wenn Reto Knutti dieses Prinzip nicht begreift oder nicht begreifen will, argumentiert er nicht wissenschaftlich sondern ideologisch. Mit seinen Auftritten als “Die Wissenschaft” ruiniert er deren Glaubwürdigkeit in inakzeptabler Weise.

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