Die Erfüllung des globalen UN-Klimazieles soll in nur 26 Jahren - bis 2050 - mittels gewaltiger Ressourcen und unter einschneidenden CO2-Reduktionsmassnahmen verschiedenster Art erreicht werden. Der CCN-Themenapéro sollte ein besseres Verständnis zum ausserordentlichen Umfang dieses Jahrhundertvorhabens geben.
Kann unsere Volkswirtschaft, unsere Industrie, ein Unterfangen einer derartigen Grössenordnung überhaupt stemmen? Welches sind die Herausforderungen? Welches sind die Strategien? Sind (nicht beabsichtigte) Konsequenzen zu erwarten? Und ist für unsere Politiker das Verhältnis zwischen Aufwand und Ertrag aus heutiger Perspektive überhaupt abschätzbar?
Das CCN misst einem Klärungsversuch solcher Fragen zur langfristigen Klimapolitik hohe gesellschaftliche Bedeutung bei.
Berichterstattung von Michel de Rougemont, ohne Gewähr weder für die Genauigkeit seiner Erinnerungen noch für die Richtigkeit oder die Vollständigkeit seiner Kommentare.
In seiner Einführung betonte unser Präsident Emanuel Höhener die Herausforderung bei der Umsetzung von Strategien, wenn diese nicht die offensichtlichen technischen und wirtschaftlichen Zwänge berücksichtigen.Einerseits müssen die Energieerträge bei der Umwandlung von Primärenergie weit mehr liefern als die dafür aufgewendete Energie (Energy Return on Energy Input > 1).Andererseits sinken die erforderlichen Investitionen und damit die eingesetzten Ressourcen mit der Energiedichte der verwendeten Technologie. Lösungen, die auf "erneuerbaren Energien" mit niedrigem Wirkungsgrad und hoher Verdünnung basieren, sind daher nicht angemessen.
„Kurze ökonomische Einführung ins Thema“
Markus Saurer gab uns einen kurzen Überblick über die wirtschaftlichen Herausforderungen dieses Netto-Null Programms in der Schweiz. Er betonte, dass dieser Plan mit anderen Prioritäten im Land oder weltweit verglichen werden müsse und bedauerte, dass keine Analyse durchgeführt wurde, die die Vor- und Nachteile des Einsatzes enormer Ressourcen in diesem Bereich in Perspektive setzte.Er wies darauf hin, dass W. Nordhaus ein "Kosten-Nutzen-Optimum" von 3,5°C ermittelt hatte, das einen möglichen Rahmen für Massnahmen zur Kontrolle oder Anpassung an die Erwärmung darstellte.Er stellte fest, dass die Rückkehr zu verdünnten Formen der Energiegewinnung nur zu einer Verschwendung grosser Ressourcen führen kann, die für nichts anderes mehr zur Verfügung stehen (verlorene Opportunität). Er stellt auch fest, dass keine Massnahme zur Dekarbonisierung der Energieproduktion und des Energieverbrauchs heute ohne den Einsatz fossiler Brennstoffe realisiert werden kann, weshalb es unklug wäre, diese zu früh aufzugeben. Andererseits würde eine vorzeitige Dekarbonisierung des Verbrauchs, ohne dass die Produktion selbst dekarbonisiert ist, zu einer Re-Karbonisierung führen. Dies ist eine der möglichen unerwarteten und unerwünschten Folgen von Entscheidungen, die ohne Rücksicht auf den wirtschaftlichen Kontext getroffen werden.
Es folgten Präsentationen von Vertretern zweier Sektoren, die stark von der jetzt eingeleiteten Klimapolitik betroffen sind, Erdöl und Zement.Beide zeigten die Bedeutung ihres Sektors für die Schweizer Wirtschaft auf und stellten dar, wie sie sich an die Einschränkungen anpassen, die die Klimapolitik ihnen auferlegt.
„Das Ziel und das Öl“
Die Ölindustrie versteht sich als letzter Rückhalt. Obwohl sie nicht an der üblichen Stromversorgung beteiligt ist, können Reserven in Form von Dieselgeneratoren (5-6 GW) den Betrieb des Landes im Falle eines Stromausfalls, eines Blackouts oder einer anderen Knappheit aufrechterhalten. Da es auch keinen Zweifel daran gibt, dass Erdöl und seine Derivate noch lange verbraucht werden müssen, besteht das bereits eingetretenen Risiko des "Stop Oil" darin, dass keine Investitionen mehr in Raffinerien oder Lagerhaltung getätigt werden, was die Kontinuität der Produktion in Europa gefährdet und eine noch grössere Abhängigkeit von Importen zur Folge haben wird, mit erheblichen Kostenfolgen. Das Beispiel von Erdgaz und die Umstellung auf eine weit entfernte und teure Versorgung mit Flüssigmethan stimmt nachdenklich.Die Industrie wünscht sich ausreichend langfristige Rahmenbedingungen, die es ihr ermöglichen, ihre Kapazitäten zu erhalten, anstatt sie vorzeitig zu schliessen.
„Die Zementindustrie hat einen Plan für «Netto-Null» in der Klimapolitik – und benötigt adäquate Rahmenbedingungen»“
Im Gegensatz zu fast allen anderen Gütern enthält sein CO2-Ausstoss eine grundlegende Eigenschaft des Produkts selbst (aus der Kalzinierung von Karbonatgestein) und wird nur zu etwa einem Drittel durch die Erfordernisse des Herstellungsprozesses verursacht, der besonders energieintensiv ist. Die Zementindustrie verbraucht auch eine Menge Abfall, um dessen Heizwert zu nutzen. Auch wenn dies nicht zu einer Nullung der Kohlenstoffemissionen führt, gibt es diesen Abfällen eine Verwertung und eine zweite, endgültige Verwendung.Um ihren Kohlenstoff-Fussabdruck zu reduzieren, muss die Industrie das CO2, das sie ausstösst, einfangen, um es dauerhaft zu speichern (CCS) oder für andere Zwecke zu verwenden (CCU). Obwohl die Technologien bereits bekannt sind, sind sie noch nicht ausreichend entwickelt. Die Machbarkeit der Endlagerung in dem erwarteten Ausmass muss noch nachgewiesen werden. CO2, das viel effektiver an der Quelle abgeschieden wird, als stark verdünnt aus der Umgebungsluft, sollte auch nicht als untauglich für eine Wiederverwendung angesehen werden, nur weil es nicht biogen ist (EU Bestimmungen).Alle diesen Anstrengungen werden noch mehr Energie erfordern und die Kosten werden deutlich erhöht. Die Industrie muss daher sicher sein, dass ihre Investitionen in diesem Bereich nicht durch Importe zunichte gemacht werden, die diese Anstrengungen nicht unternehmen mussten. Aus diesem Grund ist die Industrie sehr daran interessiert, dass Grenzausgleichs-mechanismen (sog. CBAM) eingeführt werden, sonst entstünde ein unlauterer Systemwettbewerb, der diese Industrie in unserem Land ruinieren würde.
Die Referenten nahmen anschliessend an einer von Martin Hostettler, CCN-Vorstand, moderierten Podiumsdiskussion teil. Es wurde betont, dass der Privatsektor die vom Volk verabschiedeten gesetzlichen Bestimmungen nicht in Frage stellen kann, sondern diese umsetzen muss. Die Frage bleibt offen, ob die daraus resultierenden Kosten ein Niveau erreichen werden, das wirtschaftlich, sozial und sogar umweltbezogen nicht mehr tragbar sein wird. Endlich wurde zum Abschluss einen Apéro offeriert, der das eigentliche Thema war.