BR Rösti muss sich kritische Fragen gefallen lassen – Energiegeneral ist er (noch) nicht

Gefälligkeitsforschung geht weiter

Ich habe vor kurzem in “Weltwoche Grün” und in diesem Blog den “beispiellosen Filz politisch instrumentalisierter Forschung” gerügt, den die beiden Uvek-Vorgängerinnen von Bundesrat Albert Rösti mit sehr viel Geld gefilzt haben. Die Bundesrätinnen Leuthard und Sommaruga, ihr Departement (Uvek) und das Bundesamt für Energie haben sich über Jahre ein riesiges Forschungsnetzwerk angebunden: 2012 bis 2020 wurden zwei nationale Forschungsprogramme für 45 Millionen Franken mit Energiefragen abgewickelt. 2013 bis 2020 kamen die Swiss Competence Centers for Energy Research (SCCER) zu Kosten von 70 Millionen hinzu. Diese wurden 2021 nahtlos durch das Programm Swiss Energy Research for the Energy Transition (SWEET) abgelöst und bis 2032 mit 148 Millionen ausgestattet. (Vgl. Bestätigungsforschung und dort angegebene Links).

In diesem Blog haben wir uns immer wieder kritisch zu dieser “Forschung” geäussert. Sie erarbeitet eben gerade NICHT ergebnisoffen neues Wissen zur Optimierung und – falls nötig – Korrektur der Energiepolitik und der Klimapolitik (Controlling), sondern sucht vor allem nach Mitteln und Wegen zur Förderung der politischen Akzeptanz für eine seit Fukushima 2011 (Energiestrategie 2050) und dem Pariser Klimaabkommen 2015 (Energiestrategie 2050 plus) offenbar festgefahrene Politik. Viele haben auf Rösti gehofft, weil er vor seiner neuen Rolle als Bundesrat ein sehr fundierter Kritiker dieser Politik war, dass er als eine seiner ersten Taten diese “Forschung” entfilzen und ergebnisoffen ausrichten würde. Doch gefehlt! Rösti und der Bundesrat manifestieren mit der lächerlichen Namenserweiterung SWEETER für ein Zusatzprogramm zu SWEET für weitere fast 107 Mio. Franken, dass mit einer “Energiewende” weitergemacht werden soll, die inzwischen wohl von den meisten Experten als gescheitert oder nicht machbar beurteilt wird. Die aktuelle Energiepolitik ist eine Importpolitik, das zeigt sogar die Bestätigungsforschung auf. Mit dieser Politik kann die Schweiz ihre anvisierte totale Dekarbonisierung nie umsetzen!

Verharren in der Sackgasse

Der FuW-Redaktor Arno Schmocker hat BR Rösti in einem hervorragenden Interview (hervorragend v.a. Schmocker) in der “Finanz und Wirtschaft” vom 24. Februar 2024 die folgende Aussage entlockt:

“Durch ein zu rasches Vorgehen ist die Gefahr gross, in eine Sackgasse zu geraten, wenn die Zeit nicht reif ist.”

BR Albert Rösti, Interview, “Finanz und Wirtschaft” vom 24. Februar 2024

Mit Verlaub: Die Zeit sollte nie reif dafür sein, in eine Sackgasse zu geraten. Aber dieser sprachliche Lapsus ist nicht das Problem. Das Problem besteht darin, dass wir bereits in einer Sackgasse stecken. Dieser Blog ist voll mit Beiträgen, die dies aufzeigen. Ein Stromgeneral würde dies erkennen – etwa durch ergebnisoffene Forschung (sic!) – und alles daran setzen, um möglichst rasch aus dieser Sackgasse zu kommen.

Jede Kilowattstunde zählt

Bundesrätin Leuthard machte sich lächerlich mit einem Claim für die Nachfrageseite: “Die beste Kilowattstunde ist die eingesparte Kilowattstunde.” Dann wäre ja wohl – in extremis – ein Totalblackout das Beste, das unserem Land passieren könnte. Selbstverständlich haben verbrauchte kWh nicht nur ökonomische und ökologische Kosten, sondern auch einen Nutzen. Einsparungen sind nur gut, wenn die eingesparten Kosten die entgangenen Nutzen übersteigen (Effizienz).

Bundesrat Rösti riskiert, sich nunmehr auf der Angebotsseite ebenfalls der Lächerlichkeit preiszugeben – hier fast wie Mario Draghi in der Geldpolitik. Wenn die Schweiz also im Sinne von “Jede kWh zählt” dazu übergeht, jede irgendwie mögliche kWh zu produzieren, KOSTE ES, WAS ES WOLLE, dann wird es mit unserer Wirtschaft und Gesellschaft bald einmal nur noch bergab gehen. Selbstverständlich muss der Nutzen jeder zusätzlich produzierten und verbrauchten kWh höher sein als die Kosten der Produktion dieser kWh.

Hat diese Bedingung etwa ein SWEET-Forschungskonsortium schon geprüft? – so z.B. für alpine Solaranlagen, die offenbar von den Betreibern selbst dann kaum rentabel gestaltet werden können, wenn der Bund vorab bis 60% ihrer Kosten à fonds perdu übernimmt. Soweit ich sehe, ist dies nicht der Fall. Das wäre aber eine Frage, die ergebnisoffen angegangen werden müsste, und zwar sofort, noch bevor die erste Tonne Stahl im Gebirge mit dem Heli hochgeflogen und einbetoniert wird. Für die betriebswirtschaftliche Rechnung der Ersteller und Betreiber können die 60% abgezogen werden. Nicht aber für die volkswirtschaftliche Rechnung!

Dominierende Strategie

Dominant oder auch dominierend ist eine Strategie, mit der das beste Ergebnis erzielt werden kann, was auch immer im Umfeld passieren mag und welche “Züge” andere relevante “Player” auch immer machen werden. Vor Fukushima hat sich nach langer Abklärung und Diskussion für die Schweiz eine Wasser- und Atomkraftstrategie (mit Nischenaufgaben von neuen Erneuerbaren) als dominant herausgestellt. Nach Fukushima wurde diese hüftschussartig durch die Energiestrategie 2050 und durch die Energiestrategie 2050 plus abgelöst. Aber es zeigt sich immer deutlicher, dass dieser Hüftschuss arg daneben ging, dass sich an der dominanten Strategie nichts geändert hat. Diese bleibt für die Schweiz schwergewichtig hydro-nuklear – das ist zumindest eine Hypothese, die von der staatlichen Energieforschung dringendst geprüft werden müsste. Aufgrund der Anforderungen der Dekarbonisierung ist diese Strategie offensichtlich noch dominanter geworden. Man stelle sich das Debakel vor, wir würden jetzt – wie Deutschland – unsere vier noch laufenden AKW auch noch einstellen!

Natürlich kann diese optimale Hydronukleostrategie jetzt infolge der Leuthard’schen Fehlsteuerung seit Fukushima nur noch auf längere Sicht angestrebt werden. Es zeigt sich, dass die neuen Erneuerbaren als Zwischenlösung zu langsam aufgebaut werden können und dass sie zudem nicht ausreichend ergiebig sind. Also sollte sich die staatliche Energieforschung endlich mit valablen alternativen Zwischenlösungen beschäftigen – meiner Erachtens also mit Gaskraftwerken! (Auch diese Hypothese müsste sofort geprüft werden!)

Vor diesem Hintergrund ist unverständlich, dass Bundesrat Rösti die Diskussion über Atomkraft ausdrücklich auf später verschieben will. Auf wann eigentlich? Wir müssen so rasch als möglich wissen, welches unsere dominante Strategie ist oder sein könnte. Denn daran müssen wir auch alle Zwischenschritte orientieren (sogar heutige Sofortmassnahmen gegen Mangellagen). Heute sind wir vermutlich auf exorbitant (zu) teuren Umwegen (wissen wir aber nicht, weil es niemand untersucht). Wir generieren wohl heute zu Hauf spätere “Stranded Investments” (Fehlinvestitionen).

Das sind Fragestellungen und Hypothesen für die Energieforschung. Nix SWEET oder gar noch SWEETER – seriös und ergebnisoffen ist gefragt! HARD WORK!

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5 thoughts on “BR Rösti muss sich kritische Fragen gefallen lassen – Energiegeneral ist er (noch) nicht”

  1. Grossartige Analyse. Zentral ist die Feststellung, dass die volkswirtschaftliche Rechnung nie gemacht wird. Mitbestimmen tun in der Planung der Stromversorgung hauptsächlich die Energieversorger. Für diese ist ausschliesslich die Betriebswirtschaftlichkeit ein Kriterium. Die würden sogar eine Vollmond-Photovoltaik Anlage bauen, wenn sie vom Bund genügend subventioniert wird. Es ist leider richtig was unser Freund Ruedi Rechsteiner immer schwafelt: Die Grenzkosten solcher Anlagen tendieren gegen Null, selbst die einer Vollmond Anlage – solange man die damit verbundenen Systemkosten und die Subventionen zum Bau ausschliesst. Was interessiert schon der volkswirtschaftliche Schaden der dadurch entsteht, man gehört ja zu den Guten. Solange dieser Grundlagenirrtum nicht eingesehen wird, läuft auch die Schweiz immer noch tiefer in die Sackgasse hinein.

    1. Ja, die Kosten werden immer ohne Volkswirtschaft gerechnet. Eine Energiestrategie auf Subventionsbasis führt aber zum wirtschaftlichen Niedergang. Deutschland macht es vor.

  2. Markus Häring hat recht: Eine ausgezeichnete Analyse. BR Rösti wird immer mehr zu einem politischen Chamäleon. BR Rösti – ein ETH Absolvent – sollte es eigentlich besser wissen und für eine nüchterne, naturwissenschaftliche und ökonomische Beurteilungen stehen. Offensichtlich schadet ein zu langer Aufenthalt in der Politik dem gesunden Menschenverstand. Er wird nicht nur für die SVP sondern – wie Reto Knutti – auch für die ETH zu einem Glaubwürdigkeitsrisiko. Für uns Bürger sind Bundesräte, denen man nicht trauen kann, ein ökonomischer und demokratischer Albtraum.

  3. Eine Analyse, welche das Thema auf den Punkt bringt. Wie Markus Saurer schreibt, wurde auf die krassen Mängel der laufenden Energiestrategie seit langem aufmerksam gemacht, von Seiten CCN (resp. der vorgänger Truppe) bereits seit 2014. Die “Netto-Null” Forderung hat die Situation nochmals um Grössenordnungen verschäft. Man ist sich inzwischen in weiten Kreisen einig, dass der eingeschlagene Weg nicht umsetzbar ist, schon gar nicht im noch verbleibenden Zeitfenster. Herr Rösti hat dies in seiner Vor-Bundesratszeit als Präsident AVES auch gewusst und hat sich entsprechend auch mehrfach in diesem Sinne geäussert.
    Die Zeit für einen Marschhalt und aufsetzen einer vernünftigen und auch zahlbaren Energiestrategie, welche mindestens die Qualitätskriterein des Bisherigen (Hydro & Nuklear) erfüllen kann, drängt. Die CH-Politik – nicht nur Herr Rösti – sollte endlich den Mut aufbringen und der Bevökerung klar mitteilen, ohne neue Nuklearanlagen geht das alles nicht!

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