Beat Kappeler: Wenn alles reisst – hält die Schweiz?

Ja, sie wird halten. Beat Kappeler war noch nie ein Pessimist. Aber auch kein naiver Optimist. Er skizziert in seinem neuen Buch, wie sich unser Staat über lange Zeit, in der um uns herum schön öfters alles oder viel gerissen ist, zum quasi-perfekten politischen und ökonomischen “Uhrwerk” entwickelt habe. Doch nach den letzten Jahrzehnten schleppe dessen “Ganggenauigkeit.” Das “Uhrwerk Schweiz” brauche einige Reparaturen.

Kappeler zeigt wie gewohnt nicht nur überzeugend, sondern auch unterhaltsam auf, in welchen Bereichen und auf welche Weise insbesondere staatliche Reparaturen nötig sind.

Für die Leser dieses Blogs dürften v.a. Kappelers Aussagen zur Energie von besonderem Interesse sein. Er titelt “Energiefluss reisst ab – Europas Quellen liegen hors-sol” und skizziert unter anderem wie Deutschland und leider auch die Schweiz und andere Länder vom vermeintlichen “Klimanotstand” zum tatsächlichen Energienotstand gekommen sind:

“Weltweit reaktivierten Parlamente, die noch drei Jahre zuvor die Klimaaktivistin Greta Thunberg mit stehenden Ovationen gefeiert und sofort den “Klimanotstand” ausgerufen hatten, nunmehr die Kohle, das Öl, Gas und Atom.” *

Kappeler entlarvt das aktuelle Übermass an Regulierungen mit der Folge teilweise perverser Wirkungen – so etwa mit einem “rebound-Effekt”, dass was die einen an Energie oder CO2 sparen schliesslich den anderen zufalle. Und er, der auch in praktischen Belangen sehr versiert ist, kritisiert die Subventionierung von Wärmepumpen unter der Bedingung des Abbruchs von Ölheizungen und Öltanks. Der Staat würde besser einen Wechselanschluss Strom/Öl subventionieren, damit Hunderttausende Heizungen noch das Öl als Notvorrat lagern könnten – dezentral, kontrollierbar.

Das ist nicht die einzige überraschende und sehr gute Idee von Beat Kappeler. Am besten überzeugen Sie sich gleich selber davon.


* Über diese Ironie der Spitzenklasse werde ich noch den ganzen Tag grinsen.

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1 thought on “Beat Kappeler: Wenn alles reisst – hält die Schweiz?”

  1. Beat Kappelers neues Buch «Wenn alles reisst – hält die Schweiz?» habe ich mit grossem Gewinn gelesen. Einmal mehr ist ihm eine brillante Analyse gelungen, eine Befragung der Schwächen unserer helvetischen Gegenwart, ja eine ‹jesuitisch› strenge Katechese der Situation. Angereichert durch Hinweise, wo wir heute richtig handeln und wo nicht, und wo wir gar kontraproduktiv wirken. Das Buch ist trotz der Schweizer Ausrichtung auch ein Vademecum der Probleme in Europas Westen, vor allem in der EU, mit der Sicht einer reifen liberalen Demokratie der Schweiz auf die etwas weniger liberale EU.
    Besonders gefallen hat mir, wie Beat Kappeler die Wandlung der EU vom wirtschaftlich motivierten Zusammenschluss zum «autoritär sich selbst ermächtigenden Superstaat» beschreibt. Oder wie er bilanziert, dass die Deutschen bitter feststellen mussten, «dass sie die DM für den Euro hingegeben und dafür die Lira bekommen haben». Oder die Einsicht, dass Deutschlands gegenwärtige Politik «auf schnelle Effekte und Vordergründiges» ausgerichtet ist, der Hausbesitzer oder Industrieller aber «auf Jahrzehnte hinaus planen» können muss – diese Diskrepanz sehen wir heute exemplarisch bei Habecks Heizgesetz.
    Dass Beat Kappeler die angelsächsische Aufklärung mit dem proklamierten Recht auf das Pursuit of Happiness hoch schätzt ist ein weiterer Punkt, der mich sehr angesprochen hat, ebenso seine Hervorhebung der amerikanischen Überzeugung, dass die «checks and balances» für eine sachgemässe Funktion der staatlichen Institutionen ausreichen und keine Extrakörper und Kommissionen nötig sind.
    Seine köstliche Bemerkung, dass die «république des lettres» der französischen Vorrevolution in den sozialen Medien wiedererstanden ist, wäre allerding um einen Nachsatz zu versehen – aus der «république des lettres» ist im Internet eine «république des émojis» entstanden …
    Emil Kowalski, Rieden bei Baden

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