Abstimmungssieg der ETH

Unsere Renommierhochschule im Kampagnenmodus

Vermutlich knallten am Abstimmungssonntag vom 18. Juni nicht nur bei den Siegerparteien die Korken, sondern auch am Energy Science Center der ETH Zürich. Das sogenannte Klimaschutzgesetz war vom Stimmvolk mit einer Ja-Mehrheit von rund 59 Prozent angenommen worden. Damit wurde der unerwartete Lapsus des erfolgreichen Referendums gegen das CO2-Gesetz vom Juni 2021 mehr als korrigiert. Unter dem Druck der „Gletscherinitiative“ haben wir nun als CO2-Reduktionsziel „netto null 2050“ gesetzlich festgeschrieben. In Bezug auf die absehbaren praktischen Auswirkungen bedeutet dies eine Radikalisierung der Klima- und Energiepolitik. Obwohl Politik und Medien dem Stimmvolk mit Verweis auf diverse Studien suggerierten, „netto null 2050“ sei technisch und wirtschaftlich machbar, weiss heute niemand, wie das gehen könnte. Deshalb soll jetzt die ETH in einem teils privat finanzierten 100-Millionen-Projekt nützliche Erkenntnisse liefern.

Verdient hat die ETH diese Forschungsmittel voll und ganz. Unsere Renommierhochschule hatte sich kampagnenmässig im Abstimmungskampf für das Klimaschutzgesetz engagiert. Auf erste Anzeichen eines politischen Engagements stiess ich, als ich mich nach der Lancierung der Gletscherinitiative im Jahr 2018 für einen Gastkommentar in der NZZ-Tribüne («Das Klima und die politische Kommunikation») über die Initianten informierte. Dort stiess ich im wissenschaftlichen Beirat auf den ETH-Professor und Klimamodellforscher Reto Knutti, mittlerweile dank seinem gut sichtbaren Engagement wohl der bekannteste Kopf der hiesigen Klimaforschung.

Im April dieses Jahres mobilisierte Professor Knutti über 200 Wissenschafterinnen und Wissenschafter von Schweizer Universitäten und Forschungsanstalten für einen öffentlichen Aufruf zur Unterstützung des Klimaschutzgesetzes. Genau zum Zeitpunkt, als das Abstimmungsbüchlein zur Abstimmung in den Briefkästen der Stimmberechtigten landete, las man in den Medien von einem eben erschienenen «White Paper» des Energy Science Center. In diesem erklären die beteiligten ETH-Autoren „netto null 2050“ aus wissenschaftlicher Sicht für technisch machbar und wirtschaftlich tragbar.

Wenige Tage später interviewte die NZZ die beiden ETH-Präsidenten Joël Mesot und Martin Vetterli unter dem Titel «So schaffen wir die Klimawende». Ihre Antworten klangen teilweise wie die offizielle Propaganda im Abstimmungsbüchlein. Für einen informierten Zeitgenossen schwer zu ertragen waren die Aussagen zu Kernenergie. Die ETH mit ihrem Energy Science Center fühlt sich offenbar immer noch einer kernenergiefreien Schweiz verpflichtet. Man kann sich gut vorstellen, dass das Verfolgen eines möglichst schwierig bis utopisch zu erreichenden Ziels – «netto null 2050» plus energetische Versorgungssicherheit nur mit Erneuerbaren – besonders hohe Forschungsbudgets erfordert. Sollte das Neubauverbot für Kernkraftwerke aufgehoben werden, könnten die Forschungsmittel schrumpfen.

Zur Knutti-Initiative meinte ETHZ-Präsident Mesot, sie widerspreche den ETH-Governance-Regeln nicht. Ihre Forschenden hätten ebenso ein Recht auf freie Meinungsäusserung wie alle anderen Bürgerinnen und Bürger. Und weiter: «Zudem kann ich nachvollziehen, dass bei ihnen die Dringlichkeit zum Handeln grösser ist als in anderen Kreisen. Sie forschen zum Teil seit Jahrzehnten zum Thema Klimawandel und zu erneuerbaren Energien. Aber politisch geht es ihnen viel zu langsam vorwärts.»

So wurde die Govenance-Problematik nochchalant zur Seite gewischt. Es fehlte jegliche Sensibilität für den grundlegenden Unterschied zwischen einer individuellen Meinungsäusserung eines Forschers als Bürger und der organisierten Kollektivaktion von Reto Knutti im Namen der ETH. Es scheint, als habe die Sakralisierung der direkten Volksrechte das Sensorium für Grundsätze demokratiepolitischen Verhaltens nachhaltig beschädigt. Die entlarvenden Pointen des Interviews kamen auf die Schlussfrage «Was empfehlen Sie zum Klimaschutzgesetz?»: Mesot: «Ich kann nur den Bundesrat unterstützen.» Vetterli: «Das sind schliesslich unsere Chefs, und wir opponieren als gute Angestellte natürlich nicht (lacht).»

Zum Lachen gibt es für mein Empfinden wenig. Es scheint mir äusserst fragwürdig, wenn sich staatliche Hochschulen als Steigbügelhalter der offiziellen Politik gebärden. Gerade von einer ETH kann die steuerzahlende Bevölkerung erwarten, dass sie ihre Forschung unabhängig von politischen Vorgaben betreibt. Eine Abstimmungskampagne gehört bestimmt nicht in den Aufgabenbereich einer staatlichen Hochschule. Wenn unsere Hochschulen nicht selbst in der Lage sind, sich Governance-Regeln zur Einhaltung politischer Neutralität und Unabhängigkeit zu geben, ist die Politik gefordert. Auch die Hochschulforschung muss sich ihre Unabhängigkeit durch die Einhaltung strikter Governance-Prinzipien verdienen.

Dieser Text erschien am 26 Juni 2023 auch in der Online-Zeitschrift „Nebelspalter“ (mit Zahlschranke).


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13 thoughts on “Abstimmungssieg der ETH”

  1. Statt eines Kommentars: Kopie meines Mails an den Rektor der ETH vom 12.6.2023,
    bisher ohne Antwort

    Sehr geehrter Herr Mesot,
    Ihren Spendenaufruf habe ich zur Kenntnis genommen.
    Ich spende jedes Jahr einen mittleren 5-stelligen Betrag an gemeinnützige Organisationen.
    Die ETH ist aber nicht dabei …
    Solange ETH-Veröffentlichungen andern echt wissenschaftlichen Arbeiten (vgl. 2 kurze Beilagen) widersprechen, habe ich keine Lust, dies zu ändern.
    Freundliche Grüsse
    Hans Koller

    1. Vetterli und Mesot (wie sowieso schon lange Knutti, Stocker et al.) machen sich lächerlich, nämlich immer dann, wenn sie auf den wissenschaftlichen Konsens in Prozenten hinweisen. Wissenschaftlich ist somit das, was eine Mehrheit von Wissenschaftern glaubt. Lyssenkoismus an den Eidg. Hochschulen… man glaubt es nicht!

      1. Se non è vero è ben trovato:
        Man habe einmal Einstein darauf hingewiesen, dass seine Relativitätstheorie von 200 Wissenschaftern abgelehnt werde. Darauf Einstein: wenn sie recht haben, dann genügt einer.
        Und ähnlich, etwas älter:
        Eppur si muove! (Und sie bewegt sich doch)

  2. Reto Lipp kommentiert in Linked-In zum Beitrag von Hans Rentsch, auch Knutti dürfe seine Meinung äussern, erst recht wenn er etwas von der Sache verstehe.

    In diesem Kommentar ist das gesamte Dilemma mit den SRG-Medien verpackt. Aber offenbar bemerken dies v.a. die Verpacker nicht.

    1. Auch Reto Lipp versteht also nicht, dass die Kompetenz von Kutti engere Grenzen hat. Lipp denkt wie viele Leute: Wenn einer ein Experte in der Klimaforschung sei, sei er auch Experte auf anderen Gebieten. Was eine optimale Klimapolitik eines kleinen Landes in einer Welt unterschiedlichster politischer Systeme, wirtschaftlicher Bedingungen und Interessen ist, das entgeht den Stockers und Knuttis, sonst würden sie sich nicht für die schweizerischen energie- und klimapolitischen Murkse mit Atomausstieg einsetzen. Sie wähnen sich auf einer Mission zur Rettung des Planeten.

      1. Letzte Woche stimmte das schwedische Parlament der konservativen Regierung zu, das Energieziel von “100 % erneuerbaren Energien” umzuformulieren in “100 % fossilfreie Elektrizität”. Nach jahrzehntelangem linken energiepolitischen Irrweg, hat Schweden – im Gegensatz zur Schweiz – von allein nun die Kraft zur Umkehr mobilisiert und entgeht vielleicht dem Abgrund gerade noch. So können dort ab sofort wieder neue Atomkraftwerke gebaut werden. Ein Lichtblick. Die Schweiz hingegegen stürmt nun leider seit 18. Juni unter aktivem Lobbyismus des ETH-Expertenclans der Knuttis, Stockers, Mesots, Vetterlis, etc. diametral und planlos in eine gefährliche Gegenrichtung. Es ist zu hoffen, dass bald weitere Länder erwachen – und zusätzlich noch aus dem volkswirtschafts-vernichtenden 1,5 °C- 2050-Klima-Unsinn des IPCC aussteigen.

        1. In Schweden genügt eben eine Parlamentsmehrheit für einen Kurswechsel. Es braucht nicht noch die träge Masse der stimm- und wahlberechtigten Bevölkerung überzeugt zu werden. Unsere Parlamentarier haben permanent Initiativ- und Referendumsrisiken im Kopf, was für Reformen jeglicher Art eine lähmende Wirkung entfaltet. Die Liste der Blockaden und faulen Kompromisse ist inzwischen sehr lang geworden. In der Energie- und Klimapolitik wird es erst zu einem Kurswechsel kommen, wenn sich das Klimaschutzgesetz als untauglich erweist.

          1. Das stimmt schon, nur würde wohl das Parlament zurzeit auch ohne Angst vor dem Volk keinen Kurswechsel hinkriegen. Zu stark wird immer noch geglaubt, was man sich selber seit Fukushima eingeredet hat… obwohl die Fakten dagegen sprechen.

    2. …Und ich muss sogar noch für Knuttis und Lipps Meinung bezahlen, über meine Steuer- und SRG-Gelder. Besser wäre, Knutti müsste seine Forschungsgelder selber eintreiben. Er würde niemanden finden, der aus dem praktischen, nicht etatistischen Umfeld stammen würde…

    1. Das Klimaschutzgesetz vom 18.06.2023 ist ein Anfang, das Schweizervolk hat seine Klimawünsche per Gesetz angenommen, nun folgt die Umsetzung:
      Die grössten CO2 Produzenten seien Verbrenner von Benzin, Diesel, Heizöl, Gas usw. Rund 9’556’000 Tonnen Ölprodukte werden jährlich in die Schweiz importiert. Bis 2030 Soll der CO2 Anteil halbiert und bis 2050 auf Netto-Null CO2 Emissionen gesenkt werden.
      WIE GROSS DER NÄCHSTE STROMMANGEL SEIN KÖNNTE, WIRD MAN ERST IN DEN NÄCHSTEN WINTERMONATEN UND JAHREN ERKENNEN und dann passende Lösungen suchen können. Blöd für den steigenden Stromverbrauch, denn pro Jahr sind 8760 Stunden lückenlose Stromlieferung nötig mit passender kW Leistung in jeder Sekunde. Der künftige Verbrauch kann unmöglich grösser sein als die STROMPRODUKTION für Wärmepumpen, Kühlung, eMobilität, Digitalisierung, Bevölkerungszuwachs auf 12 Mio, speichern von Strom, Wasser und Wasserstoff, ERSATZ von Öl, Kohle, Gas, KKW usw.
      WIR HATTEN DIE WAHL, MEHR KRAFTWERKE ODER WENIGER VERBRAUCHERINNEN UND VERBRAUCHER.
      Genialer Sieg:
      Ab 2050 ist Netto Null CO2 per Gesetz beschlossen. Nur möglich mit Kernkraftwerken.

  3. Letzte Woche stimmte das schwedische Parlament der konservativen Regierung zu, das Energieziel von “100 % erneuerbaren Energien” umzuformulieren in “100 % fossilfreie Elektrizität”. Nach jahrzehntelangem linken energiepolitischen Irrweg, hat Schweden – im Gegensatz zur Schweiz – von allein nun die Kraft zur Umkehr mobilisiert und entgeht vielleicht dem Abgrund gerade noch. So können dort ab sofort wieder neue Atomkraftwerke gebaut werden. Ein Lichtblick. Die Schweiz hingegegen stürmt nun leider seit 18. Juni unter aktivem Lobbyismus des ETH-Expertenclans der Knuttis, Stockers, Mesots, Vetterlis, etc. diametral und planlos in eine gefährliche Gegenrichtung. Es ist zu hoffen, dass bald weitere Länder erwachen – und zusätzlich noch aus dem volkswirtschafts-vernichtenden 1,5 °C- 2050-Klima-Unsinn des IPCC aussteigen.

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