Wider den Weltuntergang

Eine persönliche Vision

Wenn junge Leute aufgrund von Weltuntergangsszenarien keine Zukunftsperspektiven mehr sehen, ist das schlimm und nicht zu akzeptieren. Es ist unter anderem das Resultat einer verwerflichen Dramatisierung des real existierenden Klimawandels. «Erderhitzung» ist ein solch dramatisierender Term, der eine unerträgliche Veränderung insinuiert, aber mit den wissenschaftlichen Erkenntnissen nichts zu tun hat. Es sind einige verantwortungslose Wissenschaftler und Medien, die keine Gelegenheit auslassen, Angst zu schüren, entweder aufgrund einer ideologischen Agenda oder einfach, um Aufmerksamkeit zu erheischen und auf ihre eigene Wichtigkeit hinzuweisen. Wissenschaftlern, die vorgeben alles zu wissen, ist sowieso weniger zur trauen als Wissenschaftlern, die offenlegen, was sie noch nicht wissen. 

Der Blick in die Zukunft ist immer ungewiss. Da sind sogar Träume besser als Prognosen. «I have a dream»[1] ist die wesentlich stärkere Botschaft als «Ich bekomme langsam Angst»[2]. Da leiste ich mir doch die Freiheit, eine Zukunft zu skizzieren, die mir und eventuell auch meinen Kindern gefallen würde:

Die Menschheit durchläuft dank der Energie aus fossilen Ressourcen einen nie dagewesenen Entwicklungssprung, stösst damit jetzt aber an Grenzen. Die stetige Zunahme der Treibhausgas-Emissionen ist nur eine Grenze. Ich erachte schwindende Trinkwasserreserven, die Verschmutzung der Gewässer, die Übernutzung von Böden und die Überfischung der Meere als bedrohlicher. Viele Menschen benötigen viele Ressourcen und machen viel Dreck.

Verzicht wäre deshalb naheliegend. Doch Verzicht ist keine attraktive Vision, eine weniger belastete Umwelt hingegen schon. Und Wohlstand bringt mehr Vorteile als Verzicht. Wohlhabende Länder schützen die Umwelt besser, Wohlstand gibt Sicherheit, Wohlstand gibt Perspektiven, Wohlstand verhindert Kriege und schliesslich senkt Wohlstand auch die Geburtenrate, respektive stoppt die Bevölkerungsexplosion, ganz ohne staatlich verordnete Massnahmen. 

Aber Wohlstand braucht Energie. Viel mehr Energie als heute bereits gebraucht wird, gilt es doch allen einen vergleichbaren Wohlstand wie den unsrigen zu ermöglichen. Energie die sicher, erschwinglich und umweltschonend zur Verfügung stehen muss. Zur Lösung des bekannten Trilemmas, einer a) sicheren, b) erschwinglichen und c) umweltschonenden Energieversorgung, braucht es einen genauso umfassenden Ansatz, der auf a) physikalischen, b) ökonomischen und c) ökologischen Grundlagen aufbaut. 

Zur Gestaltung einer lebenswerten Zukunft braucht es Primärenergiequellen, welche die Umwelt – dazu gehört selbstverständlich immer auch die Atmosphäre ­­– am geringsten belasten. Zur Verfügung stehen «radioaktive», «fossile» und «erneuerbare» Quellen (siehe Abbildungen 1 und 2.) 

Abbildung 1: Energieflüsse heute

Abbildung 2: Wahrscheinliche zukünftige Energieflüsse

Elektrizität und Energie werden leider oft miteinander verwechselt. Elektrizität ist nur ein Transportmedium, keine Primärenergiequelle. Das führt zu irregeführten Diskussionen über die Effizienz von Systemen. In einer zukünftigen, energetisch tatsächlich effizienteren und umweltschonenderen Welt wird Elektrizität eine wichtige Rolle spielen, viele mechanische und thermische Anwendungen, die heute auf Verbrennungsprozesse abstellen, werden durch elektrische Motoren und Prozesse ersetzt.

Die globale Energieversorgung basiert heute zu 83 % auf fossilen Ressourcen. Eine Abkehr von diesen zwar sicheren und erschwinglichen Rohstoffen ist aufgrund ihrer Umweltbelastung und ihrer Endlichkeit aber angezeigt. 

Auch erneuerbare Ressourcen hinterlassen einen ökologischen Fussabdruck. Bei der Wasserturbine, dem Solarpanel oder dem Windrad fallen zwar äusserst geringe direkte Produktionskosten an, doch werden ihre ökonomischen wie auch ihre ökologischen Eigenschaften durch zusätzliche Systemkosten, insbesondere der Speicherung und der Regelung verschlechtert.

Radioaktive Quellen produzieren zuverlässig und sicher. Die direkten Produktionskosten von Kernkraftwerken werden als hoch eingeschätzt, was aber verkennt, dass kaum zusätzliche Systemkosten anfallen. Dank der hohen Energiedichte wird wenig Platz benötigt und es handelt sich um eine Ressource, die von der Biosphäre nicht bereits in Anspruch genommen wird und diese auch kaum belastet. Die Endlagerfrage ist technisch lösbar, die Entsorgung ist – in vielen Ländern wie in der Schweiz – in den heutigen Produktionskosten bereits eingepreist. Zukünftig dürfte die Endlagerung durch Rezyklierung noch weiter vermindert werden.

Schon diese unvollständige und stark verkürzte Gegenüberstellung der Primärenergiequellen lässt durchblicken, dass eine ideale Ressource nicht existiert. Es bleibt vermutlich beim frommen Wunsch, dass es der Politik gelingt, die Energiefrage auf eine sachliche Ebene zurückzubringen, die ökologische, ökonomische und sicherheitstechnische Aspekte gleichermassen berücksichtigt. William Nordhaus hat als einer der ersten diese Zusammenhänge wissenschaftlich  untersucht und dafür auch den Wirtschaftsnobelpreis gewonnen.

Schliesslich möchte ich noch meine subjektive Perspektive einer dekarbonisierten Welt skizzieren: 

Der Strombedarf wird weltweit massiv zunehmen. Recycling von Rohstoffen aller Art, Kehrichtverwertung und Abwasserreinigung sind energieintensive Prozesse, werden aber gegenüber einer ineffizienten, wirkungslosen und energieintensiven CO2-Sequestrierung klar Vorrang haben. Meerwasserentsalzung, ebenfalls ein energieintensiver Prozess, wird für bevölkerungsreiche Länder in Küstennähe überlebenswichtig. 

Solarkraftwerke (PV u.a.) werden in wüstenhaften Regionen der Welt gebaut, wo ihr stochastisch anfallender Strom eine möglichst direkte Verwendung findet, etwa zur Entsalzung oder zum Betrieb von Bewässerungspumpen. PV wird in warmen und sonnenreichen Ländern bei der Klimatisierung Erfolg haben, da der Bedarf mit der Einstrahlung korreliert.

In der Schweiz werden Hausbesitzer, die es sich leisten können, auf ihren Dächern PV-Anlagen mit eigener Speicherung installieren. Das Heizen mit Öl und Gas wird vornehmlich ersetzt mit Wärmepumpen. Wärmenetze können nur in dicht bebauten Städten wirtschaftlich betrieben werden. Dort bleibt die Frage offen, wie diese Wärme erzeugt wird. Das Ziel, alle Dächer der Schweiz zu Solarkraftwerken zu machen, wird verfehlt werden, da sich das für viele energetisch (und damit auch ökonomisch und ökologisch) nicht rechnen kann. Private Investitionen in Solaranlagen werden sich in Grenzen halten. Und schliesslich könnten die Elektrizitätswerke bei wachsendem Angebot all den zur selben Zeit einzuspeisenden Strom gar nicht mehr verwerten und vergüten. 

Windkraft wird in windreichen Regionen der Welt, vornehmlich Küstenregionen und offshore, zugebaut, sich aber nicht zu einer dominierenden Energiequelle entwickeln, da sie Netze destabilisiert. Sie wird in der Schweiz aus meteorologischen, ökonomischen und institutionellen Gründen unbedeutend bleiben. 

Stromproduktion aus Geothermie wird sich weltweit weiterhin auf vulkanische Gebiete beschränken und in der Schweiz keine Rolle spielen. In Verbindung mit Wärmepumpen wird Geothermie allerdings einen bedeutenden Beitrag zur Substitution von Öl- und Gasheizungen leisten. 

Kernkraft wird sich mit kleinen modularen Reaktoren etablieren, da die planbare Produktion keiner zusätzlichen Speicher und Netzausbauten bedarf. Die Nachfrage von gleichbleibender zuverlässiger Leistung nimmt nämlich stark zu. Dies erstens aufgrund zunehmender Automation und der Digitalisierung industrieller und administrativer Prozesse, zweitens einer immer bedeutender werdenden Informationstechnologie in sämtlichen Lebensbereichen und drittens aufgrund der industriellen Produktion von synthetischen Treibstoffen. Synthetische Treibstoffe können wirtschaftlich und in relevanten Mengen nur im Dauerbetrieb, also mit Bandlast produziert werden. Mit sporadisch anfallendem Überschussstrom geht das nicht. Die Verwertung von Stromspitzen ist und bleibt unwirtschaftlich und ihre kurz- und längerfristige Glättung durch Puffer und Speicher scheitert an den dazu nötigen Kapazitäten, den immensen Wirkungsverlusten und mithin prohibitiven Kosten. Selbst heutige Ölstaaten in Sonnenländern wie z.B. Saudi-Arabien setzen auf moderne grosse Kernkraftwerke und nicht auf Wind- oder Solarenergie, um in Zukunft anstelle von Öl synthetische Treibstoffe herzustellen und zu exportieren. 

Flugzeuge und Frachtfahrzeuge werden vermehrt mit synthetischen Treibstoffen betrieben. Elektrische Autos und Fluggeräte (Drohnen) haben ihren Markt im Nahverkehr.

Grosse Hochseeschiffe werden mit kleinen Nuklearantrieben angetrieben. Die Technologie hat sich seit Jahrzehnten in militärischen Schiffen bewährt. Damit kann einer der umweltschädlichsten Treibstoffe, schwefelhaltiges Schweröl, substituiert werden. Welche Szenarien sich tatsächlich realisieren lassen, hängt schlussendlich vom ökologischen und ökonomischen Erfolg ab. Es werden sich mit Sicherheit nur Lösungen durchsetzen, welche die Gesellschaft sich leisten kann. Mit Verarmung wird sie sich gar nichts leisten können, zuallerletzt unwirtschaftliche Technologien.


[1] Martin Luther King, 1963

[2] Prof. S. Seneviratne, Blick 12.7.2021

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7 thoughts on “Wider den Weltuntergang”

  1. Es handelt sich hier um eine kompetente, umfassende, realistische, konstruktive, zukunftsgerichtete, verantwortliche, optimistische und mutige Vision. Leider geben heute praktisch alle Massmedien den Ideologien, den Fanatismen, den falschen Predigern, der Verschwendung und der Abzockerei viel mehr Aufmerksamkeit als den intelligenten Überlegungen und den konstruktiven Vorschlägen eines sehr erfahrenen und kompetenten Wissenschafters (wie z.B. der Autor dieser Vision).

  2. Lieber Markus,

    Du schreibst mir aus der Seele. Ich würde allerdings noch konsequenter auf Kernenergie setzen.
    Beste Grüße
    Kurt

  3. Guten Morgen Markus,
    kompetent und nicht ideologisch analysiert. Jetzt müssten nur noch die Greta-Fantasten überzeugt werden, was jedoch sehr schwer zu bewerkstelligen ist. Danke für diesen tollen Beitrag.

  4. Alles gut gemeint: Aber zeige mir den Politiker, dem diese Überlegungen wichtiger sind als Wählerstimmen. Wenn er überhaupt intellektuell Zugang hat zu diesem Thema.

  5. Das ist ein sehr guter Beitrag. Wir werden bald in der Schweiz vor der Wahl stehen: Entweder neue Kernkraftwerke oder neue Gaskraftwerke.
    Roger Nordmann hat bereits entschieden. Neue Gaskraftwerke werden notwendig, um die Lücken im Winter zu decken, wenn die heutigen KKW abgestellt sind.
    Das BFE will es noch nicht zugeben, die ElCom hat es verstanden. Sogar Prof. A. Gunzinger hat es bei einer Tagung vor einem Jahr indirekt zugegeben. Seine Aussage war, wenn Windkraftwerke mir einer Gesamtleistung von 4’000 MW nicht gebaut werden, kann eine sichere Stromversorgung im Winter mit PV und Batterien nicht sicherstellt werden, auch mit der heutigen Wasserkraft.
    In ferner Zukunft werden KKW der 4. Generation voraussichtlich eine wichtige Rolle spielen, siehe z.B. https://www.transmutex.com/manifesto, wenn es gelingt die vielen technischen Herausforderungen der Kernenergietechnik wirtschaftlich und sicherheitstechnisch zu meistern.

  6. Der Eingriff in die Atomkerne war bis vor kurzem der Natur überlassen. Ich schlage einen Slow up vor, eine Verlangsamung der Wirtschaft, der Reproduktion, der allgemeinen Lebensweise. Wenn die Quantenphysik die bestehenden Rätsel gelöst hat, können wir dann wohl direkt bei der Kernfusion ansetzen, ohne Abfall, wie auf der Sonne. 🌞 pl

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