Das komfortable Leben der Stadtwerke

Haben in der Schweiz irgendwelche Medien über den dramatischen Zerfall des Erdgaspreises berichtet? In Deutschland hat am 13.6. der Spiegel darüber berichtet, mit der Feststellung, dass dies für das Klima eine gute Sache sei. In der Schweiz war das keine Meldung wert, weil wir ja weder Kohle- noch Gaskraftwerke betreiben. Bei einem Preissturz gibt es immer Gewinner, die den Windfall-Profit einstreichen. In diesem Falle sind es die Grossverbraucher, und das sind in der Schweiz zunächst einmal die Stadtwerke, die Gas- und Fernwärmenetze betreiben. Doch dazu gleich die Ernüchterung: Der Konsument wird davon nichts merken.

Der Erdgas-Grosshandelspreis bewegte sich über die letzten Jahre in einem Band von 15 – 25 Euro pro Megawattstunde (€/MWh). Der Zerfall des Gaspreises begann ziemlich unbemerkt bereits 2019. Die Gründe dazu sind vielfältig. In früheren Zeiten war noch eine Koppelung zum Erdölpreis massgebend, seit einigen Jahren allerdings nicht mehr. Vielmehr ist es der sich ohne allzu viel Aufsehen entwickelnde globale Handel von Flüssigerdgas (LNG: liquified natural gas). LNG Schiffe sind treibende Tanklager, die sich auf hoher See bereit halten den Hafen mit den attraktivsten Abnahmekonditionen anzulaufen. Auf dem Weltmarkt besteht eine Überkapazität von LNG.

Treibende Kräfte des LNG Handels sind die USA und Qatar. Die USA sind durch die Schiefergasproduktion zu einer Exportnation geworden. Qatar am persischen Golf sitzt auf einem der grössten Gasfelder der Welt. Doch der Verbrauch in Europa stagniert, Tendenz sinkend. Der Verbrauch von Gaskraftwerken sank z.B. in Deutschland durch den Ausbau von Windkraft und Photovoltaik. Bei Wind- und Dunkelflauten wird aber die notwendige Regelenergie nicht etwa von Gaskraftwerken geliefert, sondern sie wird mit der billigsten verfügbaren Ressource bereitgestellt, mit Braunkohle. Das ist auf jeden Fall bei einem Erdgaspreis von mehr als 15 €/MWh so.  Der warme Winter und die Corona Krise haben die Preise nun noch weiter in den Keller gehen lassen. Gegenwärtig wird eine MWh im Bereich von 5 Euro gehandelt. Dadurch wird es attraktiver Regelstrom bei Flauten mit Erdgas, statt mit Kohle herzustellen, was die CO2-Emissionen der deutschen Stromproduktion  substanziell senkt. In der Schweiz sind die lachenden Gewinner des Preiszerfalls die Stadtwerke. Sie geben sich gegenüber den Konsumenten zwar gerne einen grünen Anstrich und preisen erneuerbare Energien und umweltfreundliche Fernwärme an. Ihr Geld verdienen sie jedoch mit dem Verkauf von Erdgas. Mit dem tiefen Einkaufspreis lässt sich nicht nur mit den gefangenen Gaskunden Geld verdienen, sondern sogar mit den nur marginal wirtschaftlichen Fernwärmenetzen. Fernwärme wird wohl zu einem grossen Teil in Kehrichtverbrennungsanlagen oder Holz-Heizwerken erzeugt. Im Winter, wenn es drauf ankommt, wird der dominierende Teil der Wärme aber mit Erdgas erzeugt. Wie eingangs erwähnt, der Kunde wird davon kaum was merken, weder in seiner Gas- noch in seiner Fernwärmerechnung.  Der Zürcher Energieversorger Energie360 hat dem Endkunden beim Gas per  1. April wenigstens noch eine homöopathische Preissenkung von 0.6 Rp/kWh gewährt. Die Basler IWB hingegen haben den Gaspreis für Kleinkunden in diesem Jahr gegenüber dem Vorjahr von 21.6 Rp/kWh auf 23.26 Rp/kWh um satte 8 Prozent erhöht. Bei solch komfortablen Monopolen ist es einfach sich einen grünen Anstrich zu geben. Zum Schluss leider nochmals eine schlechte Nachricht: Ein freier Gasmarkt, bei welchem sich der Endkunde den Lieferanten auswählen kann, wie vielleicht in ferner Zukunft mal beim Strom, ist nicht vorgesehen. Mit Gewinnen aus Energieträgern, die man eigentlich abschaffen möchte, lässt sich ausgezeichnet grün argumentieren. Mit dieser Doppelmoral bekunden Stadtwerke keinerlei Mühe.

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3 thoughts on “Das komfortable Leben der Stadtwerke”

  1. Die IWB hat die Gaspreise nicht erhöht, die Differenz ist die MWST für den Tarif 2020. Ich hoffe der Rest des Artikels ist besser recherchiert.

  2. Bei den IWB Basel sitzen doch die super ökologischen Verwaltungsräte R. Rechsteiner und B. Jahns ein, die keine Gelegenheit auslassen um über die Atomenergie zu schimpfen. Aber die eigenen Kunden zur Kasse bitten. Wenn die Basler das wüssten…

  3. Wieder ein mal gut analysiert von Markus Häring. Die Stadtwerke versuchen auch mit allen Mitteln eine Gasmarktöffnung zu verzögern, beim Strommarkt waren sie bisher auch recht erfolgreich …

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