CS ade – Versagen der Eliten

Das Credit Suisse-Debakel aus der Froschperspektive eines TA1-Geschädigten1

Lange hatte ich mich mit einem Urteil über diese für die Schweiz maximal peinliche Geschichte zurückgehalten. Schliesslich verfüge ich über keine Insiderkenntnisse, noch besitze ich professionelle Kompetenzen in Sachen Bankenregulierung. Aber als Opfer der Notfalllösung fühle ich mich nun mit etwas Verspätung doch noch berechtigt, aus der Froschperspektive meine persönlichen Einschätzungen zu darzulegen. Ich bin also formell befangen, da selbst an einer von US-amerikanischer Seite angestrengten Sammelklage beteiligt. Dass ich zu lange an den AT1-Bonds festhielt, hängt mit einer Fehleinschätzung zusammen. Ich konnte nicht glauben, dass von den zuständigen Behörden nicht alles unternommen würde, um diese ikonische Schweizer Grossbank – ehemals Schweizerische Kreditanstalt SKA – nicht untergehen zu lassen.

Früher Skeptiker

Als TA1-Geschädigter, gerät man leicht in Verdacht, ein gefärbtes Urteil abzugeben. Das ist bei mir nicht der Fall. Schon zu fernen Zeiten des schrecklichen Duos Rohner/Dougan hatte ich einem NZZ-Redaktor Beifall geklatscht, der schrieb, in der Credit Suisse herrsche keine Rücktrittskultur. Zudem kritisierte ich schon vor bald zehn Jahren in meinem Buch „Wie viel Markt verträgt die Schweiz?“2 auf den ersten Seiten die politisch schädliche Selbstbedienungsmentalität in obersten Schweizer Chefetagen, prominent auch bei der CS. Dort heisst es:

…gemäss einer führenden Schweizer Zeitung kam Urs Rohner, VR-Präsident der Grossbank Credit Suisse, in den Genuss einer Vergütung, die höher ist als diejenige der Kollegen von Barclays, Deutsche Bank und Royal Bank of Scotland zusammen. Dabei gerät Credit Suisse jeweils nicht als Highflyer der Branche in die Schlagzeilen, sondern ist bis zum heutigen Tag vor allem durch hohe Bussen wegen allerlei Verfehlungen gegen geltende Vorschriften bekannt. In schlechter Erinnerung ist auch die berüchtigte Vergütung in Höhe von 71 Millionen Franken an den früheren CEO Brady Dougan im Jahr 2010…. Dabei hatte die Bank unter Dougan überfällige, milliardenschwere Goodwillabschreibungen aus dem Übernahmeflop der US-amerikanischen Investmentbank Donaldson, Lufkin & Jenrette immer wieder geradezu manipulativ hinausgeschoben.“

PUK: Nichthandeln der FINMA

Nach der CS-UBS-Notfusion wurde eine Parlamentarische Untersuchungskommission PUK eingesetzt, um die Geschäftsführung der Behörden zu überprüfen. In ihrem Bericht steht, die Finanzmarktaufsicht (FINMA) habe wiederholt vor Problemen bei der CS gewarnt, habe jedoch die vorgesehenen Massnahmen nicht durchgesetzt. Der PUK-Bericht kritisiert zudem, dass die Schweiz nach der Finanzkrise von 2008 die internationalen Standards zu langsam umgesetzt habe, insbesondere bei der Einführung eines Public Liquidity Backstop (staatliche Liquiditätssicherung). Es handelt sich hier um ein generelles Problem unseres politischen Systems. Die extreme Langsamkeit der politischen Prozesse mündet zunehmend in Notsituationen.

Der Bericht sieht aber in der Abschreibung der TA1-Anleihen kein Problem, ja untertützt diese sogar – eine ziemlich seltsame Sicht des Sachverhalts. Man könnte schon fast eine Gefälligkeitsgeste gegenüber den im Risiko stehenden Bundesbehörden bzw. der Eidgenossenschaft vermuten.

Versagen aller beteiligten Eliten

Wer keine Zeit hat, sich im 702-seitigen PUK-Bericht über das CS-Debakel schlau zu machen, kann sich in drei bis vier Minuten vom Kurzkommentar des Wirtschaftsjournalisten René Zeyer unterhalten lassen. In der „Weltwoche“ vom 22. Dezember 2024 fuhr Zeyer mit schwerstem Geschütz gegen all die beteiligten Eliten auf Bankenseite und beim Staat auf.3 Auch sprachlich setzt sich Zeyers Stil vom PUK-Bericht ab. Er schrieb, die CS sei „eine kriminelle Vereinigung der weissen Kragen.“ Dann im gleichen Stil weiter: „….all die gewichtigen Sesselfurzergremien in Bern, die Landesregierung selbst – sie alle wurden vorgeführt und abgezockt.“ Und die Landesregierung „verkannte lange Zeit den Ernst der Lage, dann wurde es hektisch und nervös und stümperhaft.“

Ganz persönlich wurde Zeyer beim Thema um das Milizsystem in der Landesregierung. Ein ehemaliger Geschäftsführer des Bauernverbands (Ueli Maurer) und eine Konferenz-Dolmetscherin (Karin Keller-Suter) als Finanzminister, das schlage nur noch der Kinderbuchautor Robert Habeck. Oder vielleicht auch Pianistin Simonetta Sommaruga als Energieministerin, ist man versucht, Zeyer zu fragen.

Diskrete Rolle der SNB

In einem kürzlichen Leitartikel warf NZZ-Chefredaltor Eric Guyer der Schweizerischen Nationalbank im Ablauf der CS-Krise eine einseitige Interpretation ihres Mandats vor. Es habe im entscheidenden Moment an Mut und Tatkraft gefehlt: „… Bei der CS schlafwandelten Regierung und Nationalbank in die Krise.“

Dass die SNB in fast allen Kommentaren zum Fall durchwegs zu gut wegkam, hat mich immer gestört. Da ich kein „Blick“-Leser bin, stiess ich erst später und zufällig auf den oben erwähnten Bericht mit Oswald Grübels Urteil. Ich konnte nie verstehen, weshalb die SNB zögerte, die Dinge rechtzeitig in die Hand zu nehmen. Eine vorübergehende (Teil-)Übernahme des CS durch die SNB hätte die Situation nachhaltig beruhigen können. Positive Bewertungen zum Marktwert des CS lagen vor. Die Mittel und eine hohe Reputation waren bei der SNB im Überfluss vorhanden. Ich halte die Vermutung nicht für abwegig, dass mit einer SNB unter Philipp Hildebrand, dem Vorgänger des korrekten Technokraten Thomas Jordan, die Dinge anders verlaufen wären.

Riskante Notlösungen

Wenn man Wochen und Monate verstreichen lässt, bevor man aktiv wird, gerät man zwingend in eine Notlage, die nur noch eine alternativlose Notllösung erlaubt, allerdings unter Inkaufnahme hoher Risiken. Eines davon beziffert sich auf 16 Mrd. Franken, nämlich die notrechtlich angeordnete Abschreibung der AT1-Anleihen. Im notfallmässigen Rettungsfieber vom Wochenende des 19. März 2023 wollten die Bundesbehörden der UBS die Übernahme der CS auch mit der Streichung der AT1-Obligationen schmackhaft machen. Die UBS war in einer komfortablen Verhandlungsposition, weil die Behörden in der entstandenen Notlage unter grösstem Zeitdruck keine alternativen Handlungsmöglichkeiten mehr sahen.

Mit der leichtfertigen Abschreibung der AT1-Anleihen auf Anordnung der FINMA, die unter dem Druck der Landesregierung handelte, hat man der Schweiz langwierige juristische Verfahren eingebrockt. Es laufen auf internationalem Parkett zahlreiche Sammelklagen gegen die Eidgenossenschaft. Trotz notrechtlicher Abstützung ist es fraglich, ob die formellen Voraussetzungen für die Abschreibungsmassnahme erfüllt waren.

Für diese Gerichtsverfahren gegen die Eidgenossenschaft lieferte der bereits zitierte René Zeyer für den Staat bzw. die Steuerzahler eine schlechte Prognose : „An der Pressekonferenz vom 19. März 2023 sagen, <this is not a bail-out>, und wenige Stunden später die Finma zwingen, 17 Milliarden AT-1-Bonds auf null abzuschreiben, obwohl das nur bei einem bail-out statthaft wäre: das ist grobfahrlässig und wird den Steuerzahler Milliarden kosten.“

Ich kann nur hoffen, dass Zeyers Prognose eintrifft. Für mich dürfte die Entschädigung aus einem gewonnenen Prozess gegen die Schweiz höher ausfallen als die Belastung als Steuerzahler. Es ist aber angesichts der schon fast skandalösen Langsamkeit der hiesigen Gerichtsverfahren fraglich, ob ich das endgültige Urteil – selbst ohne weiteren Velosturz – noch erleben werde.

Kompensierendes Überschiessen

Was in all den Kommentaren zum CS-Debakel fehlt, ist der Hinweis auf das typische Handeln staatlicher Behörden, die ein vorheriges Versagen ausbügeln wollen. Mit überschiessendem Handeln will man vom früheren Fehlverhalten ablenken. Wie bei COVID, so auch bei der UBS. Nachdem man bei COVID vorausschauendes Handeln hatte vermissen lassen, wurden dann notfallmässig Unmengen von Masken und später Impfstoffe zu Höchstpreisen eingekauft, um vorherige Unterlassungen zu kompensieren. In Sachen CS-UBS-Fusion will der Bundesrat die UBS jetzt zu bis zu 25 Mrd. Franken zusätzlichem Eigenkapital zwingen, selbst unter Inkaufnahme eines gewissen Risikos, dass die UBS Konsequenzen zieht, die nicht im Interesse des Finanzplatzes und der schweizerischen Volkswirtschaft sind.

Genau das ist heute am 11. Juni passiert. Auf der Heimfahrt im Tram lese ich folgende brandneue Instagram-Nachricht von UBS-CEO Sergio Ermotti, der zusammen mit dem UBS-Präsidenten Colm Kelleher folgendes Memo an die UBS Mitarbeiter richtete: Today Switzerland’s Federal Council set forth its regulatory proposals…. We strongly disagree with the capital measures, which are extreme and neither proportionate nor internationally aligned. If implemented in full, they would undermine our global competitive footprint while damaging Switzerland’s financial sector and, ultimately, the broader Swiss economy.

Oder auf Deutsch: Der Schweizer Bundesrat hat heute seine Regulierungsvorschläge vorgelegt. Wir sind mit den Kapitalmassnahmen, die extrem und weder verhältnismässig noch international abgestimmt sind, kategorisch nicht einverstanden. Eine vollständige Umsetzung würde unsere globale Wettbewerbsfähigkeit untergraben und dem Schweizer Finanzsektor und letztlich der gesamten Schweizer Wirtschaft schaden.

Zuerst versagen die drei involvierten Behörden Bundesrat/Finanzdepartement, FINMA und SNB auf der ganzen Linie, und dann spielt man demonstrativ für die Öffentlichkeit die starke Frau und den starken Mann. Namen einzusetzen, überlasse ich der geneigten Leserschaft.


  1. AT1-Anleihen sind eine Art nachrangige Anleihen, die im Falle eines Zahlungsausfalls des Emittenten erst nach den vorrangigen Anleihen und anderen Verbindlichkeiten zurückgezahlt werden. (KI-generierte Erklärung). ↩︎
  2. Hans Rentsch (2017): Wie viel Markt verträgt die Schweiz? NZZ Libro. ↩︎
  3. https://weltwoche.ch/daily/finma-zum-fremdschaemen-die-parlamentarische-untersuchungskommission-zum-credit-suisse-desaster-offenbart-ein-beispielloses-behoerdenversagen/ 

(Dieser Beitrag wurde am 11. Juni 2025 im Blog des Autors “Voll daneben” publiziert.)

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1 thought on “CS ade – Versagen der Eliten”

  1. Als eidgenössicher Steuerzahler, nicht direkter betroffener Anleger und im übrigen auch kein Bankenfachmann neige ich eher zur anderen Sicht. Wenn man die damals vorgebrachte Annahme akzeptiert, dass die CS ohne einen ‘Deal’ am Montag danach hops gegangen wäre, kann man allenfalls noch die Frage stellen, ob nebst den AT1-Haltern mit demselben Notrecht auch die Aktionäre hätten ‘genullt’ werden sollen gemäss der üblichen Reihenfolge der Schadensverteilung. Wieviel % des Nennwertes war denn der AT1-Kurs an der Börse am letzten Handelstag vor dem ominösen Wochenende?

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