Keine Deckelung der Emissionen von Kohlekraftwerken durch das ETS

Höhere CO2-Emissionen aufgrund von mehr Kohleverstromung im Jahr 2022 werden trotz des ETS nicht durch niedrigere Emissionen an anderer Stelle eingespart. Zusätzliche Stromverbraucher bleiben schmutzig.

2020 wurde in diesem Blog über die angebliche Deckelung der CO2-Emissionen durch den europäischen Emissionshandel behauptet:

„Als die Preisbildung der Zertifikate beeinflussender Faktor kann der CO2-Deckel Investitionen zur Verringerung von Treibhausgasemissionen anregen. Die Emissionen tatsächlich auf einen Maximalwert begrenzen kann er aber nicht.“

Ein zentraler Punkt der Argumentation war, dass die Politik mit Rücksicht auf volkswirtschaftliche Folgen Preissteigerungen begrenzen und den so genannten „Deckel“ ggf. öffnen muss. Die Rückschau zeigt, dass genau dies gerade geschieht. Die Politik muss dazu nicht aktiv eingreifen, die Sicherungen sind (zumindest für die kommenden Jahre) bereits in den Regularien enthalten.

Deutschland hat 2022 zum Ausgleich der Leistung abgeschalteter Kernkraftwerke und zur Senkung des Erdgasverbrauchs mehr Kohle als ursprünglich geplant verstromt. Dabei wurden zusätzliche 15,8 Megatonnen CO2 emittiert (europaweit waren es aufgrund eines länderübergreifenden Trends zur Kohle von März bis Dezember 2022 sogar 69,3 Megatonnen).

Das Beratungs- und Analyseunternehmen Energy Brainpool hat nun im Auftrag der Ökoenergiegenossenschaft Green Planet Energy (ehemals Greenpeace Energy) eine Kurzstudie erstellt. Untersucht werden sollte u.a., ob diese Emissionen tatsächlich zu zusätzlichen Treibhausgasemissionen führen oder vom EU-Emissionshandel kompensiert werden können. Ergebnis:

„Die Mehremissionen des Jahres 2022 sind effektive Mehremissionen, d. h., sie werden im Rahmen des Emissionshandelssystems (ETS) der EU nicht wirkungsgleich durch Minderemissionen in der Zukunft ausgeglichen.“

Weiter heißt es:

„Eigentlich sorgt das EU ETS bilanziell dafür, dass Mehremissionen eines Jahres automatisch durch Minderemissionen in kommenden Jahren ausgeglichen werden. Dieses Prinzip greift jedoch nicht für die zusätzlichen Emissionen aus 2022, da diese Emissionen massiv in einen geplanten Korrekturschritt der Marktstabilitätsreserve (MSR) im Mai 2023 sowie in alle künftigen Korrekturschritte eingreifen.“

Zu diesem Eingriff wird ausgeführt:

„Die zusätzlichen CO2-Emissionen führen nach den Regeln der MSR dazu, dass die Reduktion des Emissionsbudgets geringer ausfällt – zunächst um 24 Prozent, nach drei weiteren Korrekturschritten um fast 100 Prozent der 15,8 Millionen Tonnen. Das bewirkt, dass die Sektoren, die im EU ETS erfasst sind, nun diese Menge mehr CO2 emittieren dürfen.“

Das Regelwerk der Marktstabilitätsreserve verhindert zurzeit also die Löschung von Zertifikaten. Die Autoren der Kurzstudie machen Vorschläge, dem zumindest teilweise entgegenzuwirken. Über die volkswirtschaftlichen Folgen einer daraus resultierenden weiteren Verteuerung der Energie verlieren sie kein Wort – obwohl der Zertifikatpreis seit 2021 bereits von unter 30 auf knapp 100 €/t CO2 gestiegen ist. Löschte man genügend Zertifikate, um die Mehremissionen der Kohlekraftwerke zu kompensieren, würden die Energiepreise noch stärker steigen und die Wirtschaft in einer aktuell schon schwierigen Lage zusätzlich belasten.

Der EU-Kommission mag diese Absicht durchaus zuzutrauen sein. Immerhin steht sie kurz davor, die europäische Verbrennungsmotorindustrie zu vernichten und die Automobilindustrie mit ihrem global nicht konkurrenzfähigen E-Auto-Angebot in eine hoffnungslose Verliererposition zu manövrieren. Eine weitere, nur durch EU-Regularien verursachte spürbare Verteuerung der Energie würde in den Mitgliedsländern aber wohl doch auf erheblichen Widerstand treffen. Daher ist zu erwarten, dass der dämpfende Einfluss der Marktstabilitätsreserve auf den Zertifikatpreis auch in den kommenden Jahren weitgehend erhalten bleiben wird.

Fazit: Der Emissionshandel funktioniert durchaus in dem Sinne, dass er dazu motiviert, den CO2-Ausstoß zu verringern (und sei es durch Stilllegung oder Verlagerung von Betrieben). Eine tatsächliche Deckelung der Emissionen leistet er aber nicht, wie nun auch empirisch belegt ist. Das EU-ETS taugt daher weiterhin nicht als Begründung, um zusätzlichen Stromverbrauchern wie Elektrospaßmobilen null Treibhausgasemissionen anzudichten.

— Bildquellen
Kohlekraftwerk: Petr Štefek – Eigenes Werk, CC BY 2.5, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=1822741
Symboldarstellung eines E-Autos: Eigenes Werk

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