Die Schweiz als Windstromland: 30 TWh auf dem Papier, 4’450 Windräder in der Realität

Der Windpotenzial-Bericht 2022, erstellt im Auftrag des Bundesamts für Energie, veranschlagt für die Schweiz 30 Terawattstunden Windstrom, davon 19 im Winterhalbjahr. Würde dieses Potenzial realisiert, wäre die Winterstromlücke bis 2050 zumindest rechnerisch beseitigt. Nötig wären jedoch rund 4’450 Windräder – ein Quantensprung gegenüber heute (47 Anlagen an 13 Standorten), der binnen etwa zwanzig Jahren nahezu eine Verhundertfachung der Anlagenzahl verlangte.

Die starke Ausweitung gegenüber dem BFE-Bericht von 2012 – das Windpotenzial hat sich verachtfacht – beruht auf dem Energiegesetz 2017, das die früheren Schutzziele lockert bzw. aufgibt: Windräder müssen nur noch 500 Meter Abstand zu Wohngebieten wahren und dürfen neu auch auf Ackerland, in Naturschutzgebieten, UNESCO-Biosphärenreservaten, Wäldern, Schutzwäldern sowie Jagdbanngebieten errichtet werden. Mehr als die Hälfte der geplanten Produktion soll an Waldstandorten errichtet werden.

Windreiche Bergkämme, windarmes Mittelland
Geografisch liegen die besten Windgebiete auf alpinen Bergkämmen und stellenweise am Jura mit 8 bis 10 Meter pro Sekunde Windgeschwindigkeit. Die alpinen Bergkämme sind jedoch technisch nicht erschliessbar; deshalb weicht die Planung auf schwächere Standorte aus. Der Bericht sieht ca. 1300 Anlagen im Alpenraum sowie weitere 1200 im Jura und in Alpentälern vor. Gerade das Potenzial der Alpentäler dürfte dabei überschätzt sein: Der Parco Eolico San Gottardo liefert mit fünf Turbinen 25 Prozent weniger als prognostiziert und erreichte 2024 nur 1000 Volllaststunden.

Besonders das Mittelland – auf einem Drittel der Landesfläche leben zwei Drittel der Bevölkerung – ist gut erschlossen, aber windarm (4 bis 5,5 Meter pro Sekunde). Trotzdem verortet der Bericht knapp 2000 Turbinen in diesem dicht besiedelten Raum. Die ökologischen Effekte (heimische Vogelarten, Zugvögel, Mikroklima, Infraschall) sind schwer zu beziffern; unbestritten ist, dass das Landschaftsbild grossflächig verändert und industrialisiert würde.

Dreissig Milliarden für 4’450 Windräder
Finanziell erfordert der Bau und Netzanschluss der 4’450 Anlagen rund dreissig Milliarden Schweizerfranken. Und dies bei einer Anlagen-Lebensdauer von maximal 25 Jahren. Zusätzlich fallen Netz-Integrations- und Stabilisierungs­kosten wegen der unregelmässigen Einspeisung an. Dazu kommen Engpässe bei Arbeitskräften und ungeklärte Fragen im Bereich Logistik und Genehmigungen. Zum Vergleich: Für dreissig Milliarden USD wurden in Barakah (VAE) vier Reaktorblöcke à 1400 Megawatt Leistung gebaut; mit ähnlichen Investitionen wären in der Schweiz zwei bis drei neue AKW mit Laufzeiten von achtzig Jahren denkbar.

Goodbye Umweltschutz und Landschaftsbild
Windenergie und Photovoltaik sind mit dem Anspruch angetreten, Strom umweltverträglich, nachhaltig und preisgünstig zu erzeugen. Das hat ihnen bei breiten Bevölkerungskreisen Wohlwollen und Akzeptanz verschafft. Angesichts von 4’450 Windrädern ist dieses Bild zu revidieren: In unseren Wäldern erwarten uns kilometerlange Kahlschlag-Schneisen von bis zu zehn Metern Breite für den Bau der Windräder, 10 Millionen Tonnen an Beton und eine halbe Million Tonnen an Stahlbewehrung für die Fundamente. Stahlbeton, der notabene für alle Ewigkeiten in den Böden bleiben wird.

Die Kernfrage lautet damit: Ist die Option auf hypothetische dreissig Terawattstunden Windstrom bei Kosten von deutlich über dreissig Milliarden Franken es tatsächlich wert, einzigartige Bergtäler, Wälder, Kulturlandschaften, Naturschutzgebiete und ein historisches Landschaftsbild tiefgreifend zu zerstören?

Facebooktwitterlinkedinmail

Dies ist ein Blog von Autoren, deren Meinungen nicht mit denen von CCN übereinstimmen müssen.

13 thoughts on “Die Schweiz als Windstromland: 30 TWh auf dem Papier, 4’450 Windräder in der Realität”

  1. Der Bau der vier Reaktorblöcke des Kernkraftwerks Barakah in den Vereinigten Arabischen Emiraten dauerte insgesamt rund 12 Jahre, zwischen Juli 2012 undd September 2024 (Quelle KI-Gemini Google)

    1. Genau. Das ging richtig zackig. Die Schweiz bzw. das ENSI sitzt ja seit 2011 auf drei weitgehend bearbeiteten Gutachten zu den Rahmenbewilligungsgesuchen der Axpo (Beznau 3), Alpiq (Gösgen 2) und BKW (Mühleberg 2). Sobald der unsägliche Artikel des Kernenergiegesetzes weg ist, müssen diese reaktiviert werden.

  2. 180 Anlagen pro Jahr, ab sofort – und ab 2045 dann 360 pro Jahr, weil die ersten dann ja am Ende sind.

    Realsatire.

  3. Klare Analyse eines kriminellen Landschaftsvernichtungsprogrammes in der Schweiz im ganz grossen Stil. Wir müssen dabei vorallem auch der #AXPO auf die Finger schauen, die sich elegant im „Windschatten“ der Windkraftindustrie bewegt (—> #Volkswind) und von hinten her die Fäden zieht.

  4. Das ist ein sehr guter Beitrag von Frau Dr. Calista Fischer. Ein aufrichtiges Kompliment und vielen Dank für diese wahren Aussagen. Die Schweiz hat leider sehr wenige jährliche Wind-Volllasstunden. Die Daten des Windparks auf dem Gotthard kannte man schon vor 30 Jahren. Die Klima- und Energieziele sind ohne Kernenergie nicht zu erreichen. Die sehr kompetente Professorin Dr. Annalisa Manera (ETHZ) schrieb kürzlich richtig: «Würde man ein AKW so stark subventionieren wie Windräder, könnte man es fast gratis bauen». Moderne Kernenergie (Generation IV) ist nicht des Teufels. Es braucht mehr Wahrheit und weniger Ideologie.

Schreiben Sie einen Kommentar

Bitte beachten Sie: Kommentare sind auf 2000 Zeichen begrenzt.