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Der Traum vom «weissen Wasserstoff» 

Auf vielfachen Wunsch finden Sie im Reblog eine englische Version

Um eine zukünftige Wasserstoffwirtschaft ist ein wahrer Hype entstanden. Natürlich ist es verlockend, wenn dieser saubere Energieträger, der bei der Verbrennung nichts anderes hinterlässt als Wasserdampf, fossile Energieträger ersetzen könnte. 

Wasserstoff (H2) kann auf verschiedene Arten hergestellt werden, in erster Linie durch Elektrolyse, der elektrischen Spaltung von Wasser. Noch eleganter wäre es aber, Wasserstoff gleich in freier Form zu finden, «weisser Wasserstoff» genannt, und ähnlich wie Erdgas direkt aus dem Erdinnern zu fördern. Die Wahrscheinlichkeit auf einen wirtschaftlich vertretbaren Erfolg dürfte gering sein, um es gleich vorwegzunehmen. 

(Bei dieser Aussage ist mir bewusst, dass sich vor fünfzig Jahren auch noch niemand vorstellen konnte, dass heute jedes Kind mit einem Hochleistungscomputer in der Tasche herumläuft, innerhalb von Sekunden per Chat GPT das globale Wissen abrufen und per Video rund um die Welt kommunizieren kann. Meine negative Sichtweise betreffend Wasserstoff kann also durchaus falsch sein).

Ich erachte es als völlig legitim, dieses Konzept zu prüfen. (Stay curious, stay foolish; bleib neugierig, bleib verrückt). So kommen Erfindungen zustande. Die Idee, freien Wasserstoffs im Untergrund zu finden und zu produzieren, hat weltweit Explorationsfirmen auf den Plan gerufen. Wenn das mit Geldern risikofreudiger Unternehmer geschieht, ist das grossartig. Wenn eine Unterstützung aber durch aktivistische Regierungen subventioniert wird, sprich mit Steuergeldern gefördert wird, läuten bei mir die Alarmglocken. Es ist meine langjährige Erfahrung, dass staatliche Verwaltungen, auch mit Zuhilfenahme von Experten nicht in der Lage sind, die damit verbundenen Risiken richtig einzuschätzen. 

Was sind denn diese Risiken?

Freier Wasserstoff im Untergrund existiert. Das ist nicht überraschend, denn es ist das einfachste und häufigste Element des Universums. Und das ist eben das Verführerische. Wasserstoff ist in der Erdkruste und im Erdmantel beinahe überall in verschwindend kleinen Mengen nachweisbar. Auf das ganze Volumen der Erde ergibt das gigantische Mengen. Aber extrem diffus verteilt. Es gibt mehrere geologische Prozesse, welche Wasserstoff produzieren. Der bekannteste ist die Reaktion von Wasser mit ultramafischen[1] Gesteinen, wie z.B. Peridotit. Solche Gesteine kommen vor allem im Erdmantel unter den Kontinentalplatten ab 30 km und unter den Ozeanen ab 5 bis 10 km Tiefe bis ungefähr 2900 km Tiefe vor. 

Zur Erinnerung: Tiefer als 12 km kann man bis heute technisch nicht bohren. Abgelenkte Bohrungen können zwar länger sein, aber nicht tiefer. Erdgasbohrungen reichen in der Regel nicht viel tiefer als 3 km. Und Bohrkosten steigen mit der Tiefe nicht linear, sondern exponential an. Es muss sich schon um lukrative Vorkommen handeln, um so tief zu bohren. 

Eisenreiche Minerale wandeln sich bei hohen Temperaturen und Drücken, wie sie im Erdmantel herrschen, in Serpentin um, wobei Wasserstoff frei wird. Wasserstoff kann im Untergrund auch durch die Strahlung radioaktiver Mineralien gebildet werden, Radiolyse genannt. Doch erstens ist freier Wasserstoff hoch reaktiv und zweitens sehr flüchtig. Es ist deshalb wenig wahrscheinlich, dass sich so ökonomisch abbaubare Ansammlungen von freiem Wasserstoff bilden, wie das beim Erdgas (Methan) der Fall ist.

Bei den Explorationsvorhaben, welche ich selbst verfolge, ist mir aufgefallen, dass es sich bei allen Nachweisen von Wasserstoff um äusserst geringe Mengen handelt. Und dass über die Entstehungsgeschichte und die Herkunft meist nur spekuliert werden kann. So wurden zum Beispiel in Kernen von alten Bohrungen auf der York Halbinsel in Südaustralien Spuren von Wasserstoff nachgewiesen. In Australien nennt man es übrigens “Golden hydrogen”. Interessanterweise ist der Wasserstoff in den dort gefundenen Gesteinsproben nicht gleichmässig verteilt. Ein gewisser Konzentrationsprozess scheint doch stattgefunden zu haben. 

Die auf der York Halbinsel gefunden Wasserstoffspuren stammen vermutlich aus dem bereits erwähnten Serpentinisierungsprozess, denn es handelt sich dort um eine an Eisenerzen reiche geologische Provinz. Eisenerz wird dort im grossen Stil abgebaut.

Im Gegensatz zu Erdgas (Methan) handelt es sich bei Wasserstoff um ein viel flüchtigeres und ein viel reaktiveres Gas. Eine Akkumulation von freiem Wasserstoff, gefangen durch undurchlässige Deckschichten ist unwahrscheinlich. Es kann nicht nur durch die geringsten Klüfte entweichen, sondern kriecht auch durch geringst permeable Tonschichten, durch die Erdgas nicht entweichen lassen.  Oder der Wasserstoff bildet mit Metalloxiden, die bei Verwitterungsprozessen enstehen Hydroxidmineralien. Auch gelöst in Wasser kann es kaum zu förderwürdigen Akkumulationen kommen, ist doch die Löslichkeit bei 20 Grad unter atmosphärischen Bedingungen bereits gering (1.6 ml/l) und sinkt bei höherer Temperatur, wie im Untergrund meist der Fall ist, noch weiter. 

Wasserstoff  kann in Kristallgittern von Amphibolen, Glimmern und Serpentin gebunden vorkommen. Oder es kann auch frei in losen Kristallgittern wie z.B. in Zeolithen vorkommen. In wasserhaltigen Mineralien kann Wasserstoff zudem über Wasserstoffbrücken schwach in die Struktur eingebunden sein. Die Exploration scheint sich auf solche Vorkommen zu fokussieren.

Doch in diesen Formen der Bindung, würde die Gewinnung freien Wasserstoffs ein mechanisches Aufbrechen oder eine chemische Lösung von Gestein erfordern, was immer mit grösserem Aufwand an Energie verbunden ist. Und dass sich das ganze dann auch noch lohnen würde, müsste ein Gestein bereits eine gewisse Konzentration solcher Mineralisierungen aufweisen. Wie bereits angedeutet, fehlt mir die Fantasie, wie weisser Wasserstoff in wirtschaftlichen Mengen produziert werden könnte. Gerne lasse ich mich anders belehren. Ich bleibe neugierig. Allerdings würde ich abraten Steuergelder dafür aufzuwenden. 


[1] Das bezeichnet Gesteine, die extrem reich sind an Magnesium und Eisen, aber sehr wenig Siliziumdioxid enthalten.

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5 thoughts on “Der Traum vom «weissen Wasserstoff» ”

  1. Vielen Dank für diesen sachlichen und inhaltsreichen Beitrag. Ich sehe das in etwa gleich.
    Wir hatten von der SASEG aus den “Wasserstoffpapst” Eric Gaucher für ein Referat eingeladen, jedoch nicht einmal eine Antwort erhalten. Offenbar ist der Dialog mit Fachleuten nicht gewünscht.

  2. Der Vorteil von weissem Wasserstoff ist nicht seine Farbe, sondern dass er so stark verdünnt aus den Tiefen der Erde entweicht, dass seine Konzentration weit unter der unteren Explosionsgrenze liegt. Unwichtiges Nebenproblem: Das macht ihn unbrauchbar.

  3. Immerhin hat aus der Erde ausströmender Wasserstoff auch etwas Gutes: Nach aktuellem Stand des Wissens ist die Entstehung des Lebens in alkalischen hydrothermalen Schloten in der Tiefsee wahrscheinlich, aus welchen Wasserstoff und Kohlendioxid ausströmt («weisse Raucher»). Ein bekanntes Feld solcher Schlote heisst «Lost City» und befindet sich im Nordatlantik.

  4. Violetter Wassertstoff ist die Lösung. Die Spitzenpolitiker der nun scheidenden deutschen Regierung und deren Anhängern hierzulande, sind nur nicht dazu gekommen dieses neue geniale Konzept zeitig umzusetzen …… Das Prinzip ist bestechend einfach. Man fängt Blitze ein, die man des Klimawandels wegen nun in grösserer Menge ernten kann, und leitet sie in einen mit Wasser* gefüllten Reaktor. Dieser produziert dann blitzartig jede Menge violetten Wasserstoff, fast gratis sozusagen, und schon ist aller andersfarbiger Wassertstoff, ob weiss, grün, blau, grau, wie auch immer, nur noch Makulatur……so schnell kann Wandel passieren, lieber Markus. 😊
    * destilliert, notabene.

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