Leben und Fortschritt mit Energie: Welche Alternativen gibt es?

Wenn es auf dieser Erde einen Konsens gibt, dann ist es der, dass das Leben lebenswert ist. Die Bedingungen für dieses Leben sind keineswegs perfekt, das wäre ja auch sehr langweilig, sie müssen ständig verbessert werden; das bezeichnet man als Streben nach Fortschritt. Angesichts der Tatsache, dass man sich der Grenzen der Umweltbelastung durch menschliche Aktivitäten bewusst ist, bedeutet dies, es braucht Fortschritt. Doch in dieser Frage gibt es keinen Konsens, weder über die zu verfolgenden Ziele noch über die einzusetzenden Mittel. Diese Mittel müssen jedoch hic et nunc (hier und jetzt) zur Verfügung stehen, um die durch uns selbst gesteckten Ziele zu erreichen.

Heute werden 83% des weltweiten Energiebedarfs durch fossile Brennstoffe gedeckt. Ihre Nutzung ist unverzichtbar und wird so lange andauern, wie die Erkundung neuer Vorkommen und ihre Ausbeutung attraktiver sind als Alternativen, positive und negative Externalitäten eingeschlossen [1].

Stellen wir uns für einen Moment vor, dass “nachhaltige” Anlagen nur mit “nachhaltig erzeugten” Ressourcen entworfen, hergestellt und betrieben werden sollten, und schätzen wir, wie lange es dauern würde, bis eine vollständige “Wende” vollzogen wäre. Mit ihrem geringeren ERoEI (Energy Return on Energy Investment) und ihrer mageren Verfügbarkeit wäre dieses Ziel erst am Sankt-Nimmerleins-Tag erreicht.

Ausserdem bestehen die menschlichen Bedürfnisse nicht nur aus Energiezufuhr. Auch die anderen gilt es in unseren kurzen Lebensspannen zu befriedigen. Die Antwort auf diese Herausforderung darf keine todbringende Ideologie verbergen. Dies ist jedoch der Fall bei der Forderung, sich im Namen zukünftiger Generationen zu opfern.  Und es sollte nicht als kriminell angesehen werden, nicht opfern zu wollen.

Initiativen die mit einem glücklichmachenden, rückläufigen Wachstum («Degrowth») anzustreben sind, lassen sich allenfalls individuell oder im kleinen Kreis von Gleichgesinnten diskutieren und umsetzen.  In einer Gesellschaft, deren Vielfalt und Differenziertheit anerkannt und gepriesen wird, hat dies jedoch keinen Wert. Es sei denn, sie kommen in Form totalitärer Versuchungen zum Einsatz, was stets inakzeptabel ist.

Es gibt also die doppelte Notwendigkeit, weiterhin fossile und mineralische Ressourcen zu erschliessen und zu nutzen, um heute zu leben und um notwendige Fortschritte zu erzielen. Die Verteufelung, der es derzeit ausgesetzt ist, ist an sich schon teuflisch.

Alternativen werden nicht nachhaltiger, wenn sie mit Steueranreizen und Subventionen verbunden sind, die auf Kosten der Allgemeinheit gehen (die heute zu mindestens zu 83% nicht nachhaltig arbeitet). Sie müssen den Geboten einer guten Ressourcennutzung unter Berücksichtigung ihrer positiven und negativen externen Effekte genügen. Für die notwendigen technologischen Entwicklungen gelten äusserst anspruchsvolle Anforderungen; “anders” genügt nicht, sie müssen eindeutig überlegen sein.

Eine Lösung ist bekannt und verfügbar, nämlich die Kernenergie in ihrer derzeit besten Form (chinesischer EPR), in der in grossem Massstab demonstrierten, aber aus politischen Gründen aufgegebenen Form (Superphénix-Brüterreaktor in Creys-Malville, Frankreich) oder in ihren modularen Formen, die noch zu entwickeln und einzusetzen sind.

Es gibt auch bereits bekannte Lösungen, wie die Wasserkraft, die bereits gut etabliert ist und eine wesentliche Rolle spielt. Andere sind weniger verfügbar, so die Solarenergie, die nachts nichts und unter Wolken wenig leistet (zwischen 75% und 90% der installierten Kapazitäten werden nicht genutzt), die Windkraft, die bei Windstille ruht oder bei Sturm in die Flagge gesetzt werden muss (zu 60-80% nutzlos), die Biomasse, die nur einmal pro Saison wächst, oder die Geothermie, die lokal begrenzt ist.

Die chronische und chaotische Nichtverfügbarkeit von Strom kann durch Stromspeicherung, durch überbrückende Gaskraftwerke bei drohendem Blackout, durch synthetische Kraftstoffe, durch höhere Effizienz beim Verbrauch und durch Recycling ausgeglichen werden. Doch auch diese Lösungen haben ihre Grenzen, Ineffizienzen und problematischen externen Effekte. Sie erfordern einen unverhältnismässig hohen Finanzaufwand. Niemand engagiert sich wirklich dafür, da kein brauchbares Geschäftsmodell besteht, das Investoren überzeugen könnte. Politiker krallen sich, trotz der offensichtlich anders lautenden Realität, ohne ersichtlichen Grund hartnäckig an solchen Hoffnungen fest. Man bleibt bei fiskalischen Spielchen, die das Brot der Steuerzahler vernichten und nichts schaffen.

Primäre Energiequellen und sekundäre Energieumwandlungen müssen ganzheitlich angegangen werden, ohne ideologische Scheuklappen. Es geht darum, die Gesellschaft mit ausreichender und sicherer Nutzenergie zu versorgen, zu jeder Zeit und an jedem Ort. Im Vertrauen auf den menschlichen Erfindungsgeist ist es gewiss, dass die besten Antworten auf die gestellte Herausforderung allmählich, eine nach der anderen, Wirklichkeit werden, sowie andere Lösungen, die sich heute noch niemand vorstellen kann. Anschiessend kann dann der Anteil der fossilen Energieträger sinken. Dies lässt sich aber nicht verordnen oder planen, dieser Zeit muss Zeit eingeräumt werden.

(Übersetzung deepl.com mit der freundlichen Hilfe von Till Bandi)

Französische Originalversion, veröffentlicht auf Antipresse (Paywall) einem unabhängigen digitalen Magazin, auf Europeanscientist und im Blog des Autors. Auch auf Englisch verfügbar.


[1]     Im Jahr 2019 deckten die sogenannten “nachhaltigen” Energien nur 45% des geringen Wachstums (1,3%) des weltweiten Energieverbrauchs.

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4 thoughts on “Leben und Fortschritt mit Energie: Welche Alternativen gibt es?”

  1. Man kann es nur begrüssen, wenn alle technologischen Möglichkeiten zur Deckung des enormen Energiebedarfs unserer Gesellschaften herangezogen werden. Aber dann müssen die vielen Protagonisten nicht nur die Vorteile einer Technologie, sondern auch die Risiken und Nachteile, offen und ehrlich bekanntgeben. Das geschieht höchstselten, weil partikulare Interessen meistens im Spiel sind. In China ist es viel einfacher, die kommunistische Partei gibt die Strategie vor, und sie gilt dann und wird umgesetzt. Andere Meinungen werden nicht toleriert. In Europa und in der Schweiz braucht es Mehrheiten und das ist viel langwieriger, wollen wir aber darauf verzichten? Kernenergie ist nur eine Technologie unter vielen anderen, mit vielen Vorteilen, aber mit Risiken, die nur von einem Staat getragen werden können. Das geht problemlos in China oder in Russland weil die Gesellschaft dazu nichts zu sagen hat. In Frankreich auch, weil der Präsident der Sonnenkönig ist und das Land eine Atommacht bleiben will. Aber in der Schweiz? Axpo, BKW und Alpiq können oder wollen diese Risiken nur solange tragen das ENSI die bestehenden KKW laufen lässt. Die finanziellen Risiken beim Bau von neuen KKW sind hingegen viel zu hoch, oder müssten von der öffentlichen Hand getragen werden. Nicht nur die Energiestrategie 2050 wäre mit einem Verzicht auf technologischen Verboten zu korrigieren, sondern auch die Rolle und Verantwortung der öffentlichen Hand bei der Energieversorgung. Im heutigen teilliberalisierten Strommarkt gibt es keine Marktakteure, die bereit sind in neue KKW zu investieren. Auch beim Ausbau der PV geht es nur mit Subventionen. Muss nicht zuerst der Marktdesign grundlegend korrigiert werden?

    1. Wenn es ohne Kernkraftwerke zu Mangellagen und selbst Blackouts zu kommen droht, dann kann es gar nicht unrentabel sein, solche Werke zu Bauen und zu betreiben. Die Zahlungswilligkeit der Kunden wird längstens genügend hoch sein.

      Wenn die Kernkraft effektiv so teuer ist, wie behauptet aber nie belegt wird, dann ist dies klar auf das regulatorische Umfeld zurückzuführen. Mit diesem Punkt müssen wir uns noch intensiver befassen.

      1. Da sind wir ja mal gespannt wie das ist mit der privaten Investitionsbereitschaft angesichts der doch so rentablen Atomkraft. Bevor Sie allerdings einen müden Franken investieren, erinnern Sie sich doch bitte an die Kosten der drei einzigen im Bau befindlichen AKW in Europa – deren Kosten sich auf über 10, knapp 20 oder über 30 Milliarden belaufen. Und nebenbei – Ihre Fertigstellung kostet nicht nur ein x-faches der ursprünglich veranschlagten Summe, sondern dauert auch bis zu dreimal so lange (18 statt 6 Jahre). Wenn jetzt noch Gasanlagen als Überbrückungstechnologie für lange dauernde Atomprojekte ins Spiel kommen, dann schlägt das dem Fass den Boden raus – wurde Gas doch als Überbrückung für die Erneuerbaren in Grund und Boden geschrieben!

        1. Diese europäischen Projekte können keineswegs als Referenz dienen. Sie haben vermutlich bemerkt, dass in Klammern chinesische Projekte angedeutet sind. Auch wenn man einen 33% “Swiss-Finish Zuschlag” zu diesen realisierten Projekten addiert, bleibt es in klaren wettbewerbsfähigen Bereichen.

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