Agitprop für Planwirtschaft in der deutschen Wirtschaftswoche

Ein WiWo-Redakteur deutet die marktwidrige Rationierung von Autos mit Verbrennungsmotor durch eine politisch gewollte Verfälschung von Emissionsberechnungen in Technologieoffenheit um

Aufgrund des neuen CO2-Flottengrenzwerts drohen der kriselnden Autoindustrie Strafzahlungen in Millardenhöhe. In einem Beitrag vom 16.9.2024 fordert Martin Seiwert, der zunehmenden Kritik daran nicht nachzugeben: „Hoffentlich hält die EU diesem Sturm stand. Denn die Regulierung ist geradezu vorbildlich: Sie ist marktwirtschaftlich, industriefreundlich und technologieoffen.“i

Diese Botschaft ist ihm so wichtig, dass er sie fast wortgleich wiederholt:
Es ist das Resultat eines industriefreundlichen, marktwirtschaftlichen und technologieoffenen Klimaschutzes.“

Ein kurzer Blick auf die Fakten zeigt, dass daran kein Wort wahr ist.

Der Flottengrenzwert liegt derzeit bei 115 Gramm CO2/km. 2025 soll er auf 94 Gramm sinken. Dieser Wert bereitet der Automobilindustrie derzeit große Sorgen. Bei Überschreitung müssen die Hersteller 95 Euro pro Gramm und zugelassenem Fahrzeug zahlen. Ab 2030 dürfen es gar nur noch 50 Gramm sein.ii

Seiwert erklärt das für technologieoffen, verschweigt aber, dass der ab 2025 gültige Wert ab der Kompaktklasse aufwärts mit keinem Verbrenner eingehalten werden kann:

  • Der ADAC nennt für Autos der Golf-Klasse mit Verbrennungsmotor 143 g CO2 / km.iii
  • Toyota gibt für den steckerlosen Mild-Hybrid Corolla 104 g an.iv

Anders sieht es bei Autos aus, die längere Strecken rein elektrisch fahren:

  • Für den Plug-in-Hybrid Prius werden 11 bis 16 g genannt.v
  • VW gibt für den ID.3 genau null Gramm Emissionen an.vi

Die null Gramm des VW ID.3 sollten stutzig machen. Wie kann das sein? Wurden die europäischen Kohle- und Gaskraftwerke etwa vorzeitig abgeschaltet?

Natürlich nicht. Die ebenso simple wie traurige Wahrheit lautet: Das E-Auto wird von der EU-Kommission als emissionsfrei eingestuft, weil es keinen Auspuff hat. Die Emissionen der Stromerzeugung werden vollständig ausgeblendet – auch in Ländern wie Deutschland oder Polen, wo noch viele fossile Kraftwerke in Betrieb sind.

Ziel dieser unsinnigen Grenzwertdefinition ist es nicht, den CO2-Ausstoß zu senken, sondern die Hersteller zu zwingen, Elektroautos zu verkaufen. Deren tatsächliche Emissionen interessieren in Brüssel und Berlin niemanden.

Wie hoch sind die eigentlich?
Für den VW ID.3 nennt der ADAC 96 g/km.vii
Das liegt über dem neuen Grenzwert!

Wenn man also nicht bereit ist, die Emissionen des Ladestroms einfach wegzuschwindeln, dann ist es auch mit den meisten E-Autos nicht möglich, den neuen Flottengrenzwert zu unterschreiten.

Die Begründung, warum ab 2025 nur Anbieter von Verbrennern Strafzahlungen leisten sollen, wurde von den Verantwortlichen dreist zusammengelogen, um aus ideologischen Motiven Zwang auf die Hersteller auszuüben.

Zur Erinnerung: Martin Seiwert entblödet sich nicht, dies so zu kommentieren:
Die Regulierung ist geradezu vorbildlich: Sie ist marktwirtschaftlich, industriefreundlich und technologieoffen.“

Mit der Wirklichkeit hat das nichts zu tun:

  • Wie kann es technologieoffen sein, eine Antriebstechnik de facto zu verbieten?viii
  • Wie kann es marktwirtschaftlich sein, jemand anderen als den Kunden entscheiden zu lassen?
  • Wie kann es industriefreundlich sein, einer Industrie das einzige profitable Produkt zu nehmen?

Martin Seiwert scheint sich geistig in einem anderen Universum zu befinden.

In einem Punkt nur hat er recht: „… es wurde mit der Industrie abgesprochen.“

Der VDAix hatte tatsächlich nach Rücksprache mit den Fahrzeugherstellern den Flottengrenzwerten zugestimmt. Der Grund: man wolle „Planungssicherheit“. Was der Kunde will, hat in diesem Kreis keinen Menschen interessiert. Einen Plan B für den Fall, dass sich die E-Autos nicht verkaufen lassen, gibt es daher nicht.
Die deutsche Automobilindustrie sitzt nun in einer Falle, die sie selbst mit aufgestellt hat. Hochprofessionelle Lobbyarbeit einschlägiger Denkfabriken hat zusammen mit dem grotesken Versagen von Industrieverbänden die Automobilindustrie in ein Fiasko getrieben.

Warum der WiWo-Redakteur Martin Seiwert mit seinen faktenfernen Behauptungen die Politik in ihrem fatalen Kurs noch zu bestärken versucht, ist rätselhaft. Dass er so einfache Zusammenhänge nicht verstanden hat, erscheint wenig plausibel.

— Nachtrag für alle Leser::

Die E-Auto-Blase hat natürlich noch einige weitere Ideen entwickelt, um die Klimabilanz des E-Autos zu beschönigen:

  • Die Emissionen der Stromerzeugung seien durch den CO2-Zertifikatehandel gedeckelt. Neue Verbraucher könnten daher keine höheren Emissionen auslösen.

Das wird gerne behauptet, ist aber falsch. Höherer Stromverbrauch löst weiterhin höhere Emissionen aus. Von einer Deckelung sind wir weit entfernt, siehe dort.

  • Die 96 Gramm des VW ID.3 sind immerhin ein Drittel weniger als die 143 Gramm von Kompaktautos mit Verbrennungsmotor. Istdasnicht Grund genug zum Umstieg?

Nein.

Denn wie so viele andere, so macht auch der ADAC bei der Berechnung der Fahremissionen einen entscheidenden methodischen Fehler: Er ermittelt die Emissionen des zusätzlich benötigten Ladestroms mit dem Durchschnittsansatz.
Das entspricht der Annahme, die Emissionen der Stromerzeugung wären lastunabhängig.
Wie soll das möglich sein? Dazu müssten entweder alle Kraftwerke die gleichen Emissionen haben oder aber bei Laständerungen gleichermaßen herauf- und herunterregeln. Das ist zweifelsfrei nicht der Fall. Zusätzlicher Strombedarf (Marginalstrom) wird weit überwiegend von regelbaren (und leider meist fossilen) Kraftwerken gedeckt:
Literatur-Werte für die deutsche Marginalstrom-CO2-Intensität sind von der Größenordnung also rund doppelt so hoch, wie die für die Durchschnittsstrom-CO2-Intensität.“x

Das verhagelt dem E-Auto die Klimabilanz gründlich:
Anhand der Zahlen steht klar und deutlich fest: E-Autos sind in Deutschland eine miserable Klimaschutz-Maßnahme. Ich kann gar keine CO2-Vermeidungskosten berechnen, weil bis 2045 kein CO2 vermieden wird.“xi

— Nachtrag speziell für Leser aus der Schweiz:

Die E-Mobilität trägt leider auch in Ihrem schönen Land nichts zur Senkung der Treibhausgasemissionen bei. Dort werden zur Stromerzeugung zwar keine fossilen Brennstoffe mehr eingesetzt. Im Winter ist die Schweiz aber wochenlang auf Importe schmutzigen Stroms angewiesen:

Und auch in den Wochen, da die Schweiz sich selbst mit sauberem Strom versorgen kann, wird den Eidgenossen die Klimabilanz ihrer E-Autos durch die Einbindung in das europäische Stromnetz getrübt: Sauberer Ladestrom kann nicht exportiert werden, um deutschen oder italienischen Kohlestrom aus dem Netz zu drängen. Je mehr E-Autos die Schweizer fahren, um so dreckiger ist der Strom in den Nachbarländern.

Kopfbild: Bundesarchiv, Bild 183-57000-0139 / Horst Sturm / CC-BY-SA 3.0, CC BY-SA 3.0 de, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=5354989

Endnoten:

i https://www.wiwo.de/unternehmen/auto/eu-grenzwerte-die-eu-darf-die-e-auto-regulierung-nicht-aufgeben/29994242.html

ii https://www.wiwo.de/unternehmen/auto/internes-papier-autoindustrie-fuerchtet-um-millionen-jobs-wegen-eu-klimavorgaben/29992528.html

iii https://www.adac.de/verkehr/tanken-kraftstoff-antrieb/alternative-antriebe/klimabilanz/#golfklasse-elektro-schneidet-gut-ab

iv https://www.toyota.de/neuwagen/corolla?gclid=09eb966233ad16128cc9f088648f6fcf&gclsrc=3p.ds&msclkid=09eb966233ad16128cc9f088648f6fcf

v https://www.toyota-media.de/blog/toyota-modelle/thema/prius-aktuelles-modell-ab-2015

vi https://www.volkswagen-newsroom.com/de/der-neue-id3-6240

vii https://www.adac.de/rund-ums-fahrzeug/autokatalog/marken-modelle/vw/vw-id-3/#:~:text=Der%20Verbrauch%20des%20VW

viii Gerne wird behauptet, es gebe doch gar kein Verbot. Oh doch, es ist sogar doppelt abgesichert, siehe dort: https://www.c-c-netzwerk.ch/2023/09/17/die-spiegelfechterei-um-das-verbrennerverbot/?year=2023&monthnum=09&day=17&lang=de

ix https://www.vda.de/de

x https://www.tech-for-future.de/marginalstrom-strommix/

xi https://www.tech-for-future.de/elektroautos/

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1 thought on “Agitprop für Planwirtschaft in der deutschen Wirtschaftswoche”

  1. E-Autos haben keinerlei Nutzen, nicht für den Käufer noch für die Umwelt. Sie tragen nichts zur Dekarbonisierung bei, welche wiederum selbst sinnlos und unnötig ist. Es soll hier also eine imaginäre Gefahr, die angebliche Klimakrise, mit einem dafür untauglichen Mittel bekämpft werden, mit dem aus Corona Zeiten bekannten Effekt, dass am Ende die Massnahmen schlimmer sind als die Erkrankung, welche ja in diesem Fall nicht einmal existiert. Es ist keine Überraschung, dass grüne Parteien fast überall, wo sie regieren, in kürzester Zeit von den Menschen gehasst und politisch abgestraft werden. Siehe jetzt wieder in Brandenburg.

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