A Short History of Democracy and Energy

Dr. Emil Kowalski (1937) ist ein Schweizer Physiker und Autor.

 Der studierte Kernphysiker promovierte und habilitierte am Institut für Angewandte Physik der Universität Bern im Bereich von Elektronikschaltungen und Instrumenten zur Messung radioaktiver Strahlung. Nach verschiedenen Industrietätigkeiten folgte ab 1982 sein zwanzigjähriger Einsatz für die dauerhafte Entsorgung schwach- und mittelradioaktiver Abfälle bei der schweizerischen Nationalen Genossenschaft für die Lagerung radioaktiver Abfälle (NAGRA). Als Mitglied der Geschäftsführung leitete das Endlager-Projekt Wellenberg in Kanton Nidwalden.

Eines seiner Hauptinteressen war immer schon ein philosophisches, nämlich das Verhältnis von Zivilisation und Gesellschaft zur Technik. So befasste sich Emil Kowalski auch mit der Einschätzung neuer Techniken. Die Veröffentlichung Möglichkeit und Grenzen des Technology Assessments wurde im Rahmen des Zentrums für Technologiefolgen-Abschätzung (heute TA-Swiss) durchgeführt. Kowalski gehörte seit Gründung dem Lenkungsausschuss dieses Gremiums an. Schwerpunkt seines Interesses galt der gesellschaftlichen Problematik der Nutzung moderner Technologien und den damit zusammenhängenden soziopolitischen Fragen.

Was ihn in den vergangenen Jahren besonders beschäftigt, ist die Anfälligkeit der Demokratie. Unsere Demokratie ist nach seiner Auffassung nicht selbstverständlich und kann leicht in eine Gefahrenlage geraten. Der Verletzlichkeit der liberalen Demokratie geht Kowalski in seinem Werk Liberté, Egalité, Fragilité: Über die Zerbrechlichkeit der Demokratie nach. Es gibt markante geschichtliche Beispiele von Stimmbürgern, welche ihre Wahlfreiheit zur Abschaffung einer Demokratie einsetzten. In einer Demokratie mit funktionierender Rechtsstaatlichkeit sind alle Bürger vor dem Gesetz gleich. Nach Kowalski bestehen jedoch zunehmend Ungleichheiten bezüglich Kenntnisstand in einer komplexer werdenden Welt und wirtschaftlichem Stand in einer Meritokratie. Ein wichtiger Vorteil der liberalen Demokratie sei, dass Unvollkommenheiten und Fehlentwicklungen korrigiert werden können.

Weitere Infos zu seinen Publikationen: https://de.wikipedia.org/wiki/Emil_Kowalski, https://ch.linkedin.com/in/emil-kowalski-040b56189

Folgenden Essay hat uns Emil zur Veröffentlichung übersandt, den wir gerne aufschalten:


A Short History of Democracy and Energy

by Emil Kowalski

This is a very brief history of the relationship between democracy and the energy that society can harvest. Since prehistoric times, the strong ruled over the weak. The social product was modest, people had only their own power and that of domesticated animals. The only non-biotic sources of energy were firewood and the winds in the sails of ships and in the mills and watering wheels of fields – all sources of low energy density. The strong were able to get the lion’s share – the weak were inferior to them. The religions tried to provide some moral counter-measures, but in the end the church supported the rich – “Render unto Caesar the things that are Caesar’s, and unto God the things that are God’s” (Matthew 22:21). The norm of the society was a merciless despotism. The tyrant ruled with his henchmen.

Until the 19th century, little changed. There were rich and have-nots, there were freemen and slaves or serfs. Occasional slave uprisings and revolts were suppressed, and the old despot was replaced by a new one. The rudimentary technology consisted of pulleys and levers for lifting loads, coal supplemented the energy supply for stoves. It was a small advance – the energy density of coal was higher than that of firewood. But only the rich could use it.
Around 1800, two epoch-making events occurred. On the one hand, there were revolutions that succeeded. The people of the North American colonies stood up against the English king and founded the USA, the world’s first lasting democracy. It promised everyone the right to happiness and  prosperity – the legendary Pursuit of Happiness of the Declaration of Independ[1]ence of the USA of 1776. At the same time, the steam engine was invented, in which energy-rich coal could be converted into mechanical power. Railroads could suddenly be pulled by locomotives instead of tired horses, and slaves in the fields could be replaced by steam-powered machines. For the first time in human history, the weak triumphed over the strong – thanks to the use of energy. Of course, all this did not happen overnight, but after the Southern States lost their war against the North of the USA, slavery was abolished there as well in 1865.

This was the beginning of the history of liberal democracy and its development into today’s society of the social market economy in Europe, with a historically unprecedented prosperity. We are all striving for a more socially just distribution of this wealth. It is fair to say – without its powerful energy source, coal, the fate of democracy would have been sealed. Later, petroleum and its derivatives diesel and gasoline, as well as natural gas, supplemented the range of energy-rich fossil sources. What was not known at the time was that CO2 from the combustion of fossil fuels leads to the greenhouse effect of the atmosphere. This was the collateral effect of the fossil democratization. But there was nothing better at that time.

Today, we have learned to master nuclear power, a source whose energy density is orders of magnitude higher than fossil fuels. And we also have sophisticated technologies to make better use of the sun and wind than the ancient Romans did, despite their low energy density. The only thing is that we cannot eliminate the natural disadvantages of these forms of energy, which are also CO2-free – their low energy density, the night lull in the sun, the weeks of windless periods due to the weather. That is why we must also, indeed above all, rely on nuclear power, which is available round the clock.

Otherwise, we will lose the energetic basis of democracy and its prosperity. And we, who have already enjoyed the prosperity and technological ease of modern life, definitely do not want that!


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5 thoughts on “A Short History of Democracy and Energy”

  1. ‘Since prehistoric times, the strong ruled over the weak. The social product was modest, …’
    Was ist mir ‘stark’ und ‘schwach’ gemeint? Individuen, Gruppen, Stämme, Länder, ‘Staaten’, Imperien? Es gibt keine direkte Beziehung zwischen der Stärke des Individuums und seiner Gruppierung. Vielleicht waren die alten Israeliten stark zumindest moralisch, und die sie in Leibeigenschaft oder Sklaverei haltenden Aegypter schwach. Der Begriff ‘Sozialprodukt’ wurde abgeschafft, weil unzutreffend, und ersetzt durch Nationaleinkommen.

    ‘The church supported the rich – “Render unto Caesar the things that are Caesar’s, and unto God the things that are God’s” (Matthew 22:21). The norm of the society was a merciless despotism.’ Zunächst muss man ‘Kirche’ unterscheiden von Religion. Was hat ein Jesus-Satz zu tun mit einer Organisation? Jesus meinte mit Cäsar nicht die Reichen, die Oberen Zehntausend, sondern den weltlichen Teil der Gesellschaft, die Regierung, den Staat. Streng hierarchische Gesellschaften werden mehr steinerne und andere Zeugnisse hinterlassen haben, aber dass Despotie die Norm war, ist nicht haltbar zumindest für Nord- und Westeuropa.

    1. Selbstverständlich kann ich in einem Kurzessay, eher schon einer Glosse, nicht haarscharf wissenschaftlich argumentieren, mit allen Vorbehalten … Aber die Tatsache, dass reiche Produktionsmittel Voraussetzung des Wohlstands sind, und Wohlstand eine Voraussetzung für dessen Verteilung ist, die so gestaltet werden kann, dass eine breite Mittelschicht entsteht, welche wiederum die Voraussetzung für eine Demokratie ist – diese Kausalkette erscheint mir gegeben. Mangel kann man nicht “gerecht” verteilen, die “Verteileradministration” sitzt stets an den Hebeln der Selbstbereicherung. Jedenfalls konnte eine Demokratie in unserem Sinne des Wortes erst entstehen, als die Voraussetzungen für die Abschaffung der Sklaverei resp. der Leibeigenschaft durch das Vorhandensein reichlich mechanischer Energie da waren. Auch in einer Rousseau’schen Welt der “edlen Wilden”, wo die subtropische Natur durch ihren Überfluss an Früchten einen kleinen Stamm ernähren konnte, entwicklungsmässig nicht weit weg von unseren biologischen Affen-Vorfahren, auch dort gab es eine “Silberrücken-Häuptlings-Autokratie”.
      Mir geht es nicht um allzu professionelle Geschichtsschreibung, sondern um die Diskussion des Zusammenhangs “Energie -> materieller Wohlstand -> bessere Voraussetzungen für eine (in unserem demokratischen Verständnis) gerechtere Gesellschaft”.
      Danke für Ihr Kommentar, der mir die Gelegenheit für diese Entgegnung gab!

  2. Sehr geehrter Herr Kowalski
    Als etwa gleichalter Berner Universitätsabsolvent könnte ich Sie als Kommilitone ansprechen und habe wie Sie Berner Luft mit CO2 eingeatmet. Ich finde auch, dass die Menschheit nicht auf die Atomkraftenergie verzichten kann. Ihre kurze Geschichte der Beziehungen und Entwicklungen der Energie und Demokratie zeigt über die Jahrtausende, dass die Gesellschaft bzw. die Menschheit von diesen beiden Entwicklungen profitieren kann, sondern auch noch wachsen kann. Mit dem Wachstum hat m. E. auch die Vielfalt in vielen Beziehungen zugenommen. Nach meinem Empfinden hat jedoch die Entwicklung der Demokratie sich nicht immer mit derjenigen der Energie parallel entfaltet. Deshalb wird seit einigen Jahrzehnten infolge der falschen Theorie des Treibhauseffektes im Zusammenhang mit dem Klimawandel die positive Entwicklung der Menschheit rückgängig gemacht. Dies wäre eine kleine und kurze Kritik zu Ihrer kurzen Geschichte. An einem Seminar vor meinen Abschlussprüfungen fragte ein Student den Professor, was er ihm für seinen Eintritt ins Berufsleben raten könne. Er meinte: Wenden Sie den gesunden Menschenverstand an. Ich hoffe, diesen auch heute noch anzuwenden.

    1. Lieber Herr Walte, es gibt ja den Unterschied zwischen einer notwendigen und einer ausreichenden Bedingung. Das Verfügen über nichtbiotische Energie ist m.E. eine wohl notwendige, beileibe aber nicht ausreichende Bedingung für eine in unserem Sinne des Wortes demokratische Gesellschaft (China oder Uganda verfügen wie unsere moderne Welt über die Fähigkeit, mechanische Energie einzusetzen – liberal-demokratisch sind sie nicht). Das wäre der eine Punkt.
      Der zweite Punkt ist das Wachstum. Es gibt kein Wachstum ohne Grenzen, darüber muss man nicht diskutieren. Aber einen rein ideologisch, aufgrund irgendwelcher Dogmen definierten Endzustand der Entwicklung, mit einem “Wachtumsstopp”, gibt es nicht. Ein solcher wäre nicht demokratisch, sondern dirigistisch. Wachstum endet, wo die Bevölkerung den erreichten Zustand als nicht mehr gut findet, z.B. wenn es so viel Autos gibt, dass man lieber ein Velo nimmt, als mit dem Auto zur Arbeit zu fahren.
      Seit Malthus haben wir schon viele “Grenzen des Wohlstands” erlebt, die sich als nicht so zwingend erwiesen haben. Ihr Betonung des gesunden Menschenverstands (als Unterschied zu irgendeiner Gesinnung, füge ich bei) ist hier absolut richtig.
      Wohlstandsbeschränkungen behördlich zu erzwingen kann ausserordentlich gefährlich sein, weil wir Menschen keine Asketen sondern eher Hedonisten sind, und auf Einschränkungen durch soziale Unrast reagieren. Wie Frankreich mit gilets jaunes oder Deutschland mit dem Habeck’schen Heizgesetz demonstrieren. Und solche Unrast gefährdet unser zartes Pflänzchen, die liberale Demokratie. Auf diese Zusammenhänge will ich mit meinen Bemerkungen hinweisen.
      Danke für Ihren Kommentar dazu!

      1. Danke für Ihre positive Antwort. Bei einer parallelen Beziehung von zwei verschiedenen Phänomen sehe ich einen gesetzesmässigen gleichmässigen Verlauf. Aufgrund Ihrer Beispiele China oder Uganda nehme ich an, dass Sie auch meinen, dass keine Parallelität zwischen Energie und Demokratie existiert. Wachstum der Energieverwendung und Wachstum der Bevölkerung und Wohlstand haben wohl eine Beziehung zueinander. Wäre vielleicht ein Forschungsgegenstand. Gilets jaunes und Widerstand gegen unerwünschtes Bevölkerungswachstum bzw. Wohlstandsverlust wegen dirigistischem Heizgesetz versetzen Energiegewinnung wie auch Demokratie in mittelalterliche Verhältnisse. Eine gewisse Parallelität zwischen Energieentwicklung und Demokratieentwicklung ist da sicher vorhanden.

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