IT Szene Schweiz: Die «leichte Hand» bewährt sich

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IT Szene Schweiz: Geisterfahrer

Geisterfahrer glauben in der Regel, dass alle anderen falsch fahren. So mag es auch GLP-Nationalrat Jürg Grossen ergangen sein, als kürzlich über die …

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Die Regulierung des Schweizer Telecommarkts ist zurückhaltender als der stark interventionistische Ansatz in der EU.

Vor bald einem Jahr plädierte ich an dieser Stelle gegen eine Erweiterung der Netzzugangsregulierung in der schweizerischen Telekommunikation, in einem Artikel unter dem Titel: «Der Regulator als Gesetzgeber.» Zur Debatte stand, künftig nicht mehr nur die alten Kupferleitungen, sondern auch die jeweils neuste Netzgeneration der Swisscom (SCMN 464 -0.11%) (glasfaserbasierte Anschlussnetze) zu regulierten Preisen den Marktteilnehmern ohne eigene Netze zur Verfügung zu stellen.

Der Bundesrat sowie die zuständigen Regulierungsbehörden Kommunikationskommission und Bundesamt für Kommunikation sahen zwar auch (noch) keinen Bedarf für diese Erweiterung der Zugangsregulierung, forderten aber vom Parlament quasi eine vorsorgliche Abtretung seiner Regulierungskompetenz an den Bundesrat – nur so könne in der dynamischen Telekommunikation schnell genug gehandelt werden, sobald sich dafür ein Bedarf abzeichnen sollte.

In der komplexen Telekommunikation ist der Bundesrat völlig von der Fachkompetenz der Regulierungsbehörden abhängig. Somit wäre mit dieser Delegation die Regulierungskompetenz nicht an den Bundesrat, sondern faktisch an die Regulierungsbehörden übergegangen. Aus rechtlichen, regulierungspolitischen und regulierungsökonomischen Gründen darf jedoch der Regulator als Gesetzesvollzieher nicht zugleich auch noch Gesetzgeber sein. Darum rief ich zum Schluss meines Artikels das Parlament dazu auf, sich nicht «ausschalten» zu lassen.

In der Fernmeldegesetzrevision sah es aber lange danach aus, als würde das Parlament dem Drängen der zuständigen Bundesrätin Doris Leuthard, der Kommunikationskommission, der Wettbewerbskommission, des omnipräsenten und stets regulierungsgeneigten Preisüberwachers sowie – logisch – der vielen Marktteilnehmer ohne eigene Netze nicht standhalten. Eine knappe Mehrheit, quer durch alle Parteien, schien der Kompetenzdelegation zustimmen zu wollen. Die Grünliberalen wollten die Erweiterung der Netzzugangsregulierung sogar jetzt schon direkt im Gesetz verankern, drangen aber mit diesem Antrag nicht durch.

Das regulatorische Spiel

Überraschenderweise hat schliesslich der Nationalrat am 27. September 2018 auch die Kompetenzdelegation mit 127 zu 57 Stimmen deutlich abgelehnt, und der Ständerat ist ihm am 27. November 2018 mit 22 zu 19 Stimmen knapp gefolgt. Die Räte haben statt der fragwürdigen Kompetenzdelegation die Bestimmung ins Gesetz aufgenommen, dass der Bundesrat dem Parlament fortan im Dreijahresrhythmus über den Stand des Wettbewerbs und den allfälligen zusätzlichen Regulierungsbedarf Bericht erstatten soll.

Dieser Entscheid wurde von den Medien skeptisch bis negativ aufgenommen und etwa auch mit dem «Schutz von Swisscom» gleichgesetzt oder als «Lex Swisscom» bezeichnet. Zu Unrecht, denn es wird offenbar übersehen oder vergessen, dass selbst der Bundesrat auf der Basis von Marktanalysen und Gutachten zum Ergebnis gekommen war, dass derzeit effektiv kein Bedarf für eine Erweiterung der Netzzugangsregulierung gegeben ist. Dass die meisten der vielen Marktteilnehmer, die nicht oder nur über unvollständige eigene Netze verfügen, trotzdem ständig eine alle leitungsgebundenen Netze umfassende «technologieneutrale» Zugangsregulierung fordern, gehört ebenso zum «Regulatory Game» wie die Tatsache, dass die Regulierungsbehörden ihren Einflussbereich lieber ausdehnen als einschränken wollen. Studien und Analytiker, die dieses Spiel durchschauen und die hervorragenden Marktergebnisse der schweizerischen Telekommunikation im internationalen Vergleich beachten, werden dem Parlament darum für einmal eine sehr gute Note geben.

In Fachkreisen wird anerkannt, dass sich die leichte Regulierung der Schweiz (Light-handed Approach) seit der Liberalisierung 1998 besser bewährt hat als die überaus interventionistischen Richtlinien der EU (Heavy-handed Approach). Die schweizerischen Pro-Kopf-Investitionen liegen seit Jahren weltweit an der Spitze, während die EU heute über eine Investitionslücke von 155 Mrd. € beim Breitbandausbau klagt und gemäss Kommissionspräsident Juncker in den nächsten zehn Jahren Investitionsmittel von 500 Mrd. € benötigt, um ihre Konnektivitätsziele zu erreichen. Um die Investitionen anzukurbeln, plant die EU, die Regulierung des Zugangs zu den Netzen der neuesten Generationen noch dieses Jahr einzuschränken (Deregulierung).

Wenn schon in viel zitierten «Sonntagsreden» von Politikern ständig der Abbau von Regulierungen gefordert, werktags aber tatsächlich immer mehr reguliert wird, verdient der Regulierungsverzicht des Parlaments bei der Zugangsregulierung sorgfältiger reflektiert zu werden: Wird durch den Verzicht auf eine technologieneutrale Zugangsregulierung wirklich die Swisscom geschützt oder vielleicht nur auf die kurzfristige und kurzsichtige künstliche Förderung anderer Marktteilnehmer verzichtet? Könnte durch den regulierten Zugang auf alle Netze der Swisscom auf Dauer vielleicht sogar die starke Marktstellung dieses halbstaatlichen Marktführers im Wettbewerb der Netze zementiert werden – zulasten von UPC und vielen weiteren Kabelfernsehnetzunternehmen sowie der Glasfasernetze zahlreicher Versorgungsunternehmen und zulasten des Wettbewerbs? Welche Unternehmen würden noch technisch, ökonomisch und institutionell riskante Netzinvestitionen in Kauf nehmen, wenn stattdessen regulierter Zugang zu den jeweils neusten Netzen von Swisscom verfügbar wäre?

Welche Unternehmen würden noch riskante Netzinvestitionen in Kauf nehmen, wenn stattdessen regulierter Zugang zu den jeweils neusten Netzen von Swisscom verfügbar wäre?

Binär ist besser als triangulär

Bei der ständig beklagten Regulierungsflut denken offenbar viele Politiker und Kommentatoren vor allem an Gebote und Verbote, die Bund, Kantone und Gemeinden natürlichen und juristischen Personen zur Regulierung ihres Verhältnisses zum Staat auferlegen. Der libertäre Ökonom und Philosoph Murray N. Rothbard (1926-1995) hat solche Regeln über Rechte und Pflichten von Bürgerinnen und Bürgern sowie Unternehmen und anderen Institutionen gegenüber dem Staat als binäre Regulierungen bezeichnet. Davon unterscheidet er trianguläre Regulierungen oder Interventionen, die der Staat natürlichen und juristischen Personen bzw. Akteuren auferlegt, um deren Beziehungen unter sich zu regulieren. Die vom Parlament abgewehrte Zugangsregulierung wäre hierfür ein typisches Beispiel gewesen.

Mit triangulären Regulierungen schränkt der Staat die private Handlungs- und Vertragsfreiheit stets marktrelevant ein und nimmt so stärker auf die Effizienz und die Verteilung der Märkte Einfluss als mit binären Regulierungen. Politökonomisch besteht aber eine gewisse Gefahr, dass sich die Politik mit triangulären Regulierungen weniger eingehend und kritisch auseinandersetzt als mit binären Regulierungen. Von Letzteren sind oft auch die Politiker selbst und immer ein grosser Teil des Stimmvolks, wenn nicht das ganze Volk, direkt betroffen. Trianguläre Regulierungen gelten dagegen meistens nur für einzelne natürliche oder juristische Personen oder Personengruppen und sind in der Regel mit komplexen, unsicheren und über kurz und lang unterschiedlichen Auswirkungen auf Regulierte und Allgemeinheit verbunden.

Umso erfreulicher ist es, dass das Parlament beim Fernmeldegesetz offenbar Umsicht und Vorsicht walten lässt. Von den zuständigen Regulierungsbehörden sollte man dies auch erwarten dürfen. Ich würde aber eine Bank darauf wetten, dass sie im ersten Dreijahresbericht erneut Antrag zur technologieneutralen Erweiterung der Zugangsregulierung stellen werden, egal wie sich die Marktverhältnisse bis dahin entwickelt haben.

Dieser Kommentar ist zuerst in der «Finanz und Wirtschaft» vom 6. Februar 2019 erschienen (Download PDF).

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