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Klimaaktivist Reto Knutti

Klimaaktivist Reto Knutti

Jeder Schritt auf einem falschen Weg ist ein Schritt zuviel

Vor einigen Tagen schrieb Professor Reto Knutti, der bekannteste Klimaforscher des Landes und auf vielen Kanälen präsent, meinem Freund Markus Schär, Historiker, Journalist und Autor, eine Mailnachricht, die folgenden Passus enthält: „…diese unzähligen Emails mit Ihnen und den Herren Rentsch, Saurer, Häring, Reichmuth, etc. haben uns noch nie auch nur einen Schritt weiter gebracht. Ihr primäres Ziel scheint mir, ist Fakten zum Klimawandel und dessen Dringlichkeit zu leugnen, und die Glaubwürdigkeit von Wissenschaftlern in Frage zu stellen.“

Da mein Name in dieser Aufzählung erscheint, möchte ich mich dazu äussern. Ich spreche dabei nur für mich. Ich kenne Professor Knutti relativ gut, umgekehrt auch. Erstens sind Klimaforschung und Klimapolitik seit vielen Jahren eines meiner Hauptthemen. Zweitens war ich an mehreren Veranstaltungen, an denen Reto Knutti als Referent aufgetreten ist und unterhielt mich dort mit ihm. Drittens hat er mich vor Jahren freundlicherweise zu einem persönlichen Gespräch in die ETH-Professoren-Kantine zum Mittagessen eingeladen. Zudem gibt es viertens eine ziemlich umfangreiche, inzwischen aber eingeschlafene Mailkorrespondenz.

Warum Klimaaktivist?
Reto Knutti war im wissenschaftlichen Beirat der „Gletscher-Initiative“, deren Einfluss wir letztlich das illusionäre „netto null 2050“-Ziel im Klima- und Innovationsgesetz zu verdanken haben. Er organisierte auch eine Unterschriftensammlung unter Professoren für eine Petition zugunsten des Klimagesetzes (siehe hier). Er bestreitet zahlreiche öffentliche Auftritte – quasi Knutti auf allen Kanälen, so wie halt die Medien funktionieren. Man braucht eine prominente Stimme, sonst glauben es die Leute nicht.

Zu Knuttis Vorwurf, mein primäres Ziel scheine es zu sein, Fakten zum Klimawandel und dessen Dringlichkeit zu leugnen: Mit dieser Formulierung macht er bewusst die Assoziation zum „Klimaleugner“, eine Masche, die unter Klimaaktivisten gang und gäbe ist. Jede(r) kann auf meinen zahlreichen Blogartikeln auf volldaneben.ch in der Kategorie „Klima“ selber nachprüfen, ob sein Vorwurf zutrifft. Ich würde mich selbst als Klimapolitik-Skeptiker bezeichnen. Im Klimaskepsis-Schema unten, das ich vor der Klimakonferenz von Paris im Jahr 2015 kreiert habe, verorte ich mich in der vierten Spalte ganz rechts. Das Schema ist von links nach rechts zu lesen:

Zur Klimaforschung äussere ich mich nur aus einer polit-ökonomischen Perspektive, allgemeines Stichwort „rent-seeking“. Ich bin ja nicht Klimaforscher, also wäre es vermessen, mit Knutti über seine Klimamodelle zu debattieren. Ich halte aber die Klimaforschung wegen den beobachtbaren wirksamen Anreizen für latent politisiert. Auch lassen sich bestimmte politische Agenden „gegen das System“ gut damit verknüpfen. Zudem ist der universitäre Oberbau ganz generell ideologisch massiv Richtung links-grün verzerrt. Leider gibt es dazu nur Daten über die Situation in den USA (Abbildung unten). Aber ich bin nach langjähriger Beobachtung überzeugt, dass an unseren staatlichen Hochschulen ähnliche Verhältnisse herrschen.

Erläuterungen zur Abbildung (gelb hinterlegte Stellen): Als politisch links bezeichnen sich 26 Prozent der amerikanischen Erwachsenen über 25. Bei der Professorenschaft sind es dagegen 60 Prozent. Und nur 12 Prozent der Professoren bezeichnen sich als politisch rechts, während es bei der erwachsenen Bevölkerung 35 Prozent sind. Selbst in der Kategorie „politisch moderat“ sind die Professoren unterrepräsentiert.

In diesem Zusammenhang ist Folgendes ganz wichtig: In der Schweiz definieren sich links-grüne Parteien und NGO durch ihre fundamentale Ablehnung der Kernenergie, dies in sturer Missachtung dessen, was diesbezüglich weltweit geschieht. Diese Haltung scheint bis tief in unsere staatlichen Hochschulen durchzuschlagen.

Bill Gates neu wie Björn Lomborg
In Sachen Dringlichkeit des Klimawandels wähne ich mich inzwischen in guter Gesellschaft. Bill Gates hat sich jüngst mit seiner Absage an den Klimaalarmismus meiner Haltung angenähert, ohne meinen Blog volldaneben.ch konsultiert zu haben. Ganz alleine ist er zum Schluss gekommen, dass es neben der Erderwärmung noch andere dringende globale Probleme zu lösen gilt und dass wir unter Mittelknappheit immer zu Trade-offs gezwungen sind. Mit der Frage, wo ein bestimmter Mitteleinsatz in Bezug auf die wichtigsten Weltprobleme den grössten Nutzen bringt, beschäftigt sich der dänische Ökonom und Autor Björn Lomborg mit seinem Think Tank „Copenhagen Consensus“ seit Jahren. Zu Lomborg meinte Knutti im persönlichen Gespräch bloss, der sei sicher ein begnadeter Kommunikator, habe aber noch nie ein wissenschaftliches Paper veröffentlicht, das den peer-review-Prozess durchlaufen habe.

In Lomborgs „Copenhagen Consensus“ wirkten immerhin auch Nobelpreisträger mit, allerdings Ökonomen. Und die wissen am besten, was Konzepte wie Trade-offs, Opportunitätskosten, Gegenwartspräferenz und soziale Diskontrate gerade auch für die Klimapolitik bedeuten. Um die kosteneffektivsten Lösungen für die grössten globalen Probleme zu ermitteln und zu priorisieren, haben am „Copenhagen Consensus“ gemäss Auskunft von Google Gemini schon die Wirtschafts-Nobelpreisträger Robert Fogel, Douglass North, Thomas Schelling, Vernon L. Smith, Robert Mundell und Finn Kydland teilgenommen.

Was heisst „wir“?
Die Art und Weise, wie Knutti in seinen Referaten und Auftritten dem Publikum die Dringlichkeit des Handelns gegen den Klimawandel bildlich erlebbar zu machen pflegt, erinnert mich manchmal fast schon an Propagandatechniken von Greenpeace. Ich erinnere mich an sein Referat bei der Liechtensteinischen Bank LGT, wo er zum Auftakt bewegte Bilder von Wetterextremen wie Überschwemmungen, Waldbränden und Gletscherabbrüchen zeigte, im Rückblick scheint mir, sogar untermalt mit dramatischer Musik. Ebenso versucht er, sein schweizerisches Referatspublikum mit dramatischen Bildern von Schneemangel oder Gletscherrückzügen von der Dringlichkeit des Handelns zu überzeugen.

Das Problem dabei ist, dass unsere Gletscher nicht wegen uns Schweizern abschmelzen. Das „wir“ in Knuttis Forderung, wir müssten jetzt rasch und griffig handeln, kann sich nur auf die Weltbevölkerung beziehen. Die Forderung ist in Washington, Peking, Neu Dehli und bei all den„emerging nations“ zu deponieren, die wirtschaftlich zu uns aufholen wollen. Es braucht eine Abstufung der Verantwortung nach politischer Zuständigkeit, also erfordern die (illusionären) Ziele „1,5 Grad“ und „netto null 2050“ für die Schweiz eine andere Begründung als das Verschwinden der Alpengletscher. Diese liegt in der Selbstverpflichung mit völkerrechtlicher („Paris 2015“) und gesetzlicher („netto null 2050“) Bindung. Dann sind aber all die einheimischen Katastrophenbilder, die uns Klimaalarmisten vorführen, reine Propaganda, die auf Emotionen zielt.

Zu Knuttis Vorwurf, mein primäres Ziel scheine es zu sein, die Glaubwürdigkeit von Wissenschaftlern in Frage zu stellen, sage ich: Manchmal gibt es gute Gründe, die Glaubwürdigkeit von Forschern in Frage zu stellen, zum Beispiel wenn sie eine konfuse Energie- und Klimapolitik unterstützen (siehe hier). Oder speziell dann, wenn sie sich zu Themen ausserhalb ihres Fachgebiets äussern. Vor Jahren war ich aufgrund eines angriffigen NZZ-Artikels auf ein Podium mit Professor Thomas Stocker, Knuttis Doktorvater und Förderer, eingeladen. Bei der Begrüssung warf mir Stocker vor, ich hätte mich für meinen NZZ-Artikel bei ihm noch nicht entschuldigt. In der Podiumsdiskussion schwärmte Stocker dann über die vielen Arbeitsplätze, die in den Branchen der erneuerbaren Energien (Solarpannels, Batterien etc.) entstehen würden. Darauf reagierte ich mit der Prophezeiung, dass wir all diese Produkte in drei Jahren bei den Chinesen zum halben Preis kaufen könnten. Genau so kam es auch, und heute sind unsere Anstrengungen zu einer „Energiewende“ ohne chinesische Technologie und Produkte völlig undenkbar.

Auf dem falschen Weg
Reto Knuttis Vorwurf, unsere Email-Korrespondenz habe uns noch nie auch nur einen Schritt weiter gebracht, beantworte ich so: Jeder Schritt weiter auf einem falschen Weg, ist ein Schritt zu viel. Es ist zwar aus Knuttis Formulierung nicht eindeutig herauszulesen, ob er die Klimaforschung oder die Klimapolitik meint. Ich nehme aber an, er beziehe sich auf die letztere. Der Weg, den wir mit der überstürzten Leuthard-Enegiewende mit Atomausstieg eingeschlagen haben, erweist sich nun auch in der Praxis als Irrweg. Was Bundesrat Albert Rösti vor wenigen Tagen dem Schweizer Volk in einem NZZ-Interview verkündete, sage ich im Verein mit vielen anderen, die mehr von der Sache verstehen als ich, seit mindestens zehn Jahren: „Es geht nicht ohne Kernkraft.“ Eine höchst kompetente warnende Stimme ist seit langem Eduard Kiener, der frühere Direktor des Bundesamtes für Energie.

Damit kommen wir zum wunden Punkt der Klima- und Energieforschung an der ETHZ. Statt die Leuthard-Energiewende mit Atomausstieg kritisch zu überprüfen und zu begleiten, sah die ETHZ ihre Rolle von Beginn weg als willige wissenschaftliche Steigbügelhalterin der Bundespolitik. Die ETHZ lieferte prompt die erwünschten Gutachten, die zum Schluss kamen, die Energiewende sei technisch machbar und wirtschaftlich verkraftbar, Versorgungssicherheit nur mit Erneuerbaren sei möglich. Allerdings brauchte es dazu abenteuerlich unrealistische Annahmen über das Ausbautempo der Erneuerbaren Solar, Wind und Wasser, über technologische Fortschritte, über Energieeinsparungen und über die Importmöglichkeiten von Strom, insbesondere im Winter (u.a. Forderung nach uneingeschränktem Zugang zum europäischen Strommarkt).

Der Ausstieg aus der Kernenergie wurde an der ETHZ kritiklos als politisch vorgegeben erklärt. Ein kleiner Zwischenfall illustriert dies. Ich zitiere aus einem früheren BlogartikelAn den jährlichen „Energy Days“ der ETHZ sah man als Besucher stets auf schönen grossen Abbildungen den Weg zur kernenergiefreien Zukunft im Jahr 2050. An einem dieser Anlässe gab es ein Referat von David Petti über eine Studie der MIT Energy Initiative mit dem Titel „The Future of Nuclear Energy in a Carbon-Constrained World“. Als ich die Panelisten in der anschliessenden Diskussion fragen wollte, wie sie eine (schweizerische) Energie- und Klimapolitik mit Atomausstieg einschätzen würden, fiel mir der Moderator Christian Schaffner, Direktor des organisierenden Energy Science Centers (ESC) in harschem Ton ins Wort, noch bevor ich die Frage fertig formulieren konnte: „Das wird hier nicht diskutiert, das ist politisch entschieden.“

Röstis späte Einsicht, es gehe nicht ohne Kernkraft, ist so ziemlich das Gegenteil dessen, was uns opportunistische Klima- und Energieexperten der ETHZ in ihren Studien „vorgerechnet“ haben. Die besondere Mechanik des schweizerischen politischen Systems kommt in ihren Modellen nicht vor, was ihre Grundannahmen weitgehend disqualifiziert. „Technisch machbar und wirtschaftlich verkraftbar“, das reicht nicht. Eine rabiate Energiewende muss auch politisch durchführbar sein. Wer im schweizerischen Institutionengeflecht auf „express“ setzt, hat nicht gut aufgepasst. Und die Unterstützung der Menschen für eine einschneidende Klimapolitik hat wirtschaftliche Grenzen. Der US-amerikanische Umweltwissenschafter Roger Pielke jr. spricht vom „Iron Law of Climate Policy“, das lautet: Wenn eine auf Wirtschaftswachstum ausgerichtete Politik auf Strategien zur Emissionsreduzierung trifft, wird sich immer Wirtschaftswachstum durchsetzen. Degrowth propagiert höchstens eine gutbetuchte akademisch gebildete Elite. In der Schweiz kommen zu den wirtschaftlichen noch ökologische Grenzen dazu. Massive Eingriffe in sensible schweizerische Landschaften könnten kaiseraugst-ähnliche militante Widerstandsaktionen auslösen.

Originalartikel veröffentlicht auf volldaneben.ch, dem Blog des Autors.

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Dies ist ein Blog von Autoren, deren Meinungen nicht mit denen von CCN übereinstimmen müssen.

15 thoughts on “Klimaaktivist Reto Knutti”

  1. Knuttis Reaktion überrascht nicht. Sie entspricht seinem Persönlichkeitsprofil. Wenn Skepsis nicht passt, schlägt man mit ad hominem Verleumdungen zu und empört sich über die Frechheit, die Glaubwürdigkeit der unfehlbaren Wissenschaftler in Frage zu stellen. Eine Überheblichkeit, wie man sie eigentlich nur von Religionsführern kennt. Ich korrespondiere schon lange nicht mehr mit ihm. Ich streite mich nur noch mit Wissenschaftlern für welche Skepsis die Grundlage wissenschaftlichen Fortschritts ist.

  2. Ideologische Ziele zu verfolgen, heisst doch meistens, Fakten – wissenschaftliche und wirtschaftliche – auszuschliessen, zumindest nicht zu berücksichtigen. Das geht aber nur so lange, bis die Realität, d.h. messbare Resultate solcher Entwicklungen allgemein erlebt und (vielleicht) verstanden werden.

    Gib nicht auf Hans, die Entwicklung in der realen Welt gibt Dir recht!

  3. Reto Knutti muss man als Wissenschaftlicher ablehnen, er ist nicht fähig geophysikalische Tatsachen, die seine Ideologie stören, zu akzeptieren.
    Das Klima tut was es immer tat, es ändert sich, momentan zu einer Warmzeit und das mit oder ohne menschlichen Einfluss oder Eingriff. An der ETH sollte man den jungen Leuten beibringen, wie sie die daraus resultierenden Konsequenzen in den Griff bekommen können und keine ideologischen Utopien vermitteln.
    Tatsachen: 1. Es ist für uns besser, die Gletscher schmelzen anstatt zu wachsen. 2. In klaren Nächten ist es kalt, die Erde kühlt ab trotzdem das angeblich an allem schuldige CO2 in der Luft bleibt. Bei bedecktem Himmel bleibt die Wärme erhalten. Ergo ist der Wasserdampf das einzige Treibhausgas. Ist das zu hohe Schulweisheit für sie, Herr Knutti?

  4. Gut geschriebener Beitrag, danke Hans.

    Reto Knutti ist Klimaforscher und Wanderprediger zugleich. Weil dies jedoch nicht funktionieren kann, bewirkt Knutti einzig Kollateralschäden und leistet der Klimaforschung einen Bärendienst. Gleiches gilt für Stocker, Seneviratne and andere Schweizer Klimacracks. Eigentlich alles gute Klimaforscher, aber letztlich unglaubwürdig. Sie engagieren sich politisch auf eine Art und Weise, die sie wissenschaftlich unglaubwürdig macht. Erstens lassen sich gewisse gesellschaftliche Aufgaben und Rollen einfach nicht glaubwürdig kombinieren. Zweitens sprechen sie über die Dinge, die sie entweder nicht verstehen oder die niemand wissen kann. Wirtschaft und Zukunft sind zwei Beispiele. Und wenn sie sich drittens noch gegen die Kernenergie aussprechen, dann machen sie sich vollends unglaubwürdig.

  5. Prima Beitrag. Ich habe zwei Bemerkungen:

    (1) Das „wir“ in Knuttis Forderung, wir müssten jetzt rasch und griffig handeln, kann sich nur auf die Weltbevölkerung beziehen.
    Das weiss auch Knutti. Aber nach der Veröffentlichung einer neuen ETH-Studie, nach der sich das Klima in der Schweiz überdurchschnittlich erwärmen soll, forderte er am SRF-TV, dass WIR nun rasch oder rascher handeln müssten. Er suggerierte dabei, dass WIR SCHWEIZER es sind, die handeln müssen, weil wir sozusagen unser helvetisches Klima abkühlen müssen. Das ist eine absichtliche Täuschung, eine Lüge.

    (2) Eine rabiate Energiewende muss auch politisch durchführbar sein.
    Genau. Schon 2014 sagten wir in unserer Studie “Energiestrategie 2050: Eine institutionelle und ökonomische Analyse”, eine Wende à la Energiestrategie 2050 sei zwar eventuell technisch machbar, doch ökonomisch exorbitant teuer und werde deshalb früher oder später sowieso im direktdemokratischen Prozess scheitern.

    Diese Studie wurde am 27. November 2014 in Bern in einer Medienkonferenz von Silvio Borner, Bernd Schips u.a. vorgestellt und im Januar 2015 veröffentlicht. Sie kann unter dem folgenden Link bezogen werden: (https://www.c-c-netzwerk.ch/wp-content/uploads/2022/04/IWSB_Energiestrategie_2050.pdf).

  6. Wie sagte John Clauser so schön? Die Klimawissenschaft ist eine schockjournalistische Pseudowissenschaft und da kann ich ihm nur Recht geben. Jeder Ingenieur weiss doch, dass Systeme mit insgesamt positiver Rückkopplung instabil sind. Aber nur mit positiven Rückkopplungen kommen Klimamodellierer wie Knutti auf ihre hohen Klimasensitivitäten. Dabei merken sie nicht einmal, dass es sich nicht um CO2-Rückkopplungen handelt, sondern um Temperaturrückkopplungen. Etc.
    Jedenfalls müssen die Rückkopplungen insgesamt negativ sein, was von Messungen bestätigt wird. CO2 ist damit kein Problem, im Gegenteil: Dass die Trockengebiete der Erde fast alle grüner geworden sind, ist dem höheren CO2-Anteil zu verdanken.

  7. Danke, Hans, das ist exzellent – nur nicht dein Vermächtnis in der Schweizer Klima- und Energiepolitik, weil du hoffentlich noch viel mehr zu sagen hast und hoffentlich ein paar Leute mehr auf dich hören 🙂

    Es gäbe dazu ganz viel zu sagen, allerdings nur schwer auf deinem Niveau an Expertise und Reflexion. Ich fange darum mal mit zwei persönlichen, aber doch zentralen Anmerkungen an:

    * Am Anfang der Verdankung in meiner Masterarbeit zur Schweizer Klimapolitik steht der Satz: “Diese Arbeit zu schreiben dauerte sechzehn Jahre.” Mein Interesse für die Klimapolitik weckte eine Tagung zum Alarmismus, die Avenir Suisse 2007 durchführte. Thomas Held lud dazu Björn Lomborg und US-“Klimaleugner” ein, Thomas Stocker sagte deshalb ab. (Das war ja der Anlass für deinen NZZ-Artikel.) Und mit Recherchen fing ich 2009 bei der SonntagsZeitung an – Klimakonferenz Kopenhagen, Climategate! Die “Kollegen” in der Wissen-Redaktion wollten die Publikation eines Gesprächs mit Lomborg verhindern und auch ein kritisches Interview mit Stocker hintertreiben. In einer Sitzung sagte ich, in der Klimaforschung/-politik seien alle Fragen auf allen Ebenen noch offen – ein Wissen-Redaktor unterbrach mich bei jedem Satz, und als ich ihn deshalb entnervt anfuhr, dekretierte der stv. Chefredaktor, hier werde nicht herumgebrüllt. Alle Fragen, die ich meinte, hast du, Hans, in deinem Schema in unübertrefflicher Klarheit dargelegt.

  8. Und hier – von wegen erzwungener Portionierung – die zweite persönliche Anmerkung:

    * Mit meiner Masterarbeit wollte ich ursprünglich den “Kampf um den Konsens” aufarbeiten, also aufzeigen, wie die Klimaforscher bis zum 3. IPCC-Report von 2001 auf Kurs gezwungen wurden (“The science is settled”). Ich fand aber von Anfang an auf dodis.ch überraschende Dokumente zur Schweizer Klimapolitik seit 1987, die den Fokus verschoben: Sie führten mich zu meiner kontrafaktischen These, dass es ohne Flavio Cotti das Pariser Abkommen wohl nicht gäbe. Der Bundesrat forderte 1989 eine weltweite CO2-Steuer, und er setzte die erste interdepartementale Arbeitsgruppe ein, um dies wissenschaftlich zu unterlegen. Diese kam nach einem Jahr Arbeit zum Schluss: “Das Fehlen von präzisen Fakten betreffend die Schäden, zu denen die Klimaveränderungen führten könnten, macht eine Kosten-Nutzen-Rechnung von politischen Massnahmen unmöglich.” Der Bundesrat führte seine ambitionierte Klimapolitik dennoch fort – ohne wissenschaftliche Grundlage. Die Erkenntnis der Arbeitsgruppe aber gilt noch heute, das war der Anlass zu meinem Mailwechsel mit Reto Knutti.

  9. “ohne wissenschaftliche Grundlage. ”

    Wo fängt bei Ihnen die Wissenschaft an?
    Sind für Sie die Erdkugel, der Strahlungstransport, das Schwarzschild-Kriterium, die Adiabatengleichung, Einsteins Quantenhypothese und der Energieerhaltungssatz nur „angebliches Wissen“, das Sie in Frage stellen? Dann erübrigt sich jede Diskussion.

    1. Gemach. Ich habe hier – wie in meiner Masterarbeit – nur geschrieben, dass der Bundesrat eine wissenschaftliche Grundlage für seine ambitionierte Klimapolitik forderte. Diese gab es nicht, aber Bundesrat Flavio Cotti machte trotzdem weiter. Das führte 1992 in Rio zur Klimakonvention, 1997 in Kyoto zum Protokoll mit Emissionszielen und letztlich 2015 zum Pariser Abkommen. Derweil versuchte der IPCC die wissenschaftliche Grundlage nachzuliefern.

      In meiner Masterarbeit zeige ich auf, dass Hans Oeschger – Gründungsmitglied des IPCC – seit den 1970er-Jahren davor warnte, dass der Ausstoss von Treibhausgasen zu einer katastrophalen Erderwärmung führen könnte:

      “Weiter kam der Physiker mit seiner Forschung nicht: Mit den Daten aus den Eisbohrkernen liess sich keine Kausalität nachweisen, dass die Zunahme des CO2 zum Anstieg der Temperatur führt, mit den Modellen des Kohlestoffkreislaufs auf der Erde die grundlegende Frage der Klimasensitivität nicht beantworten: Wie stark erhöht sich die Temperatur bei einer Verdoppelung des CO2-Anteils in der Atmosphäre? Möglicherweise stiess da der «kanonische physikalische Ansatz», den Thomas Stocker bei Hans Oeschger rühmt, an seine Grenzen: «Bei jeder Frage von den fundamentalen Gleichungen der Physik auszugehen oder sie auf diese zurückzuführen.» Denn dafür reichte das Verständnis der realen Prozesse in der Welt, vor allem in der Atmosphäre und in den Ozeanen, bei weitem nicht aus.
      Ein Vierteljahrhundert nach dem Tod von Hans Oeschger ist der IPCC bei diesen Fragen nicht entscheidend weitergekommen – obwohl Forschungsfabriken die Einzelkämpfer abgelöst haben und die Rechnerleistung explodiert ist. Die Wissenschafter schaffen es nicht, die Risiken aufgrund der Klimaerwärmung zu beziffern, also nachvollziehbare Kosten-Nutzen-Rechnungen für die Klimapolitik zu entwickeln. Oder sie wollen die Ergebnisse nicht wahrhaben, so etwa wenn ihnen Björn Lomborg vorrechnet, dass die teuren Massnahmen gemäss Pariser Abkommen nichts brächten.”

  10. “Denn dafür reichte das Verständnis der realen Prozesse in der Welt,”
    Bei den vielen komplizierten Zusammenhängen ist fast jede Rechnung im einzelnen sinnlos. Jeder Zusammenstoß von Gasmolekülen ist berechenbar – wenn alle Orte, Richtungen und Geschwindigkeiten bekannt sind. Da die Rechnungen sinnlos sind, benutzt man die Beobachtungen und führt pragmatisch die Gasgleichungen ein (obwohl Zusammenstöße schon viel älter als Klimafragen sind).
    Analog kann man aus den Messungen von CO2-Konzentration und Durchschnittstemperatur die Klimasensitivität bestimmen – fast genau 1 K Temperaturzuwachs bei Anstieg der CO2-Konzentration um 100 ppm (und das schon über 170 Jahren).

    1. Sie sollten sich als Ehrenmitglied des IPCC bewerben, um ihm mit Ihren Rechenkünsten zu mehr Präzision zu verhelfen. Er schätzte die Klimasensitivität im ersten Bericht von 1990 auf 1,5 bis 4,5 Grad. Und er schätzt sie im sechsten Bericht von 2023 – nach 35 Jahren Forschung zu dieser zentralen Frage – auf 1,5 bis 4,5 Grad.

    2. Von dieser “pragmatischen” Alternative zu Modellschätzungen der Klimasensitivität habe ich auch schon gelesen. Was mir allerdings nie klar war: Wie bereinigt man die Schätzung/Rechnung um natürliche Temperaturschwankungen, die ja irgendwie in der Temperaturentwicklung versteckt sind?

      1. Für das Klima-Dossier des Schweizer Monat habe ich dazu geschrieben:

        Reto Knutti berechnet für das Pariser Abkommen von 2015, wie viel CO2 die Welt, ja jedes einzelne Land noch ausstossen darf, damit die Erwärmung gegenüber der vorindustriellen Zeit 2 Grad nicht überschreitet. Dabei fehlen immer noch sichere Grundlagen für seine Berechnungen. Einerseits schätzt das IPCC die Klimasensitivität auf 1,5 bis 4,5 Grad – so vage wie ein Vierteljahrhundert zuvor. Anderseits fasst der führende Klimahistoriker Ulf Büntgen den Forschungsstand in seinem Fach zusammen: «Die vorindustrielle globale Durchschnittstemperatur ist leider immer noch nicht gut bekannt, und wir haben nach wie vor Probleme, den Anteil der anthropogenen Erwärmung von der natürlichen Variabilität im Klimasystem zu unterscheiden.»

        https://schweizermonat.ch/die-eidgenossen-retten-die-welt/#

        1. Wenn selbst nach 35 Jahren aufwendigster Forschung der postulierte Effekt immer noch nicht genauer quantifiziert werden kann als zu Beginn, dann käme in jeder seriösen Wissenschaft die Frage auf, ob der Effekt überhaupt existiert oder ob nicht vielleicht die Starthypothese falsch war. Das IPCC hatte aber von Anfang an den politischen Auftrag, die These ‘mehr CO2 bewirkt signifikante Erderwärmung’ zu beweisen, und nicht etwa, das Thema objektiv zu untersuchen. Darum durfte eine CO2-Sensitivität im Bereich unter 1.5 Grad gar nicht in Betracht gezogen werden, obwohl es dafür gute Argumente gibt.

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