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Saúl Luciano Lliuya gegen RWE

Konzertierte Aktion zur Verlagerung der Klimapolitik auf Gerichte

Falls Ihnen dieses Bild bekannt vorkommt, liegen Sie richtig. Ich hatte es bereits für einen Beitrag zum gleichen Thema wie heute benützt (hier). Es geht um das Zusammenspiel progressiver klimaaktivistischer Akteure in ihrem Bestreben, die Klimapolitik demokratischen Prozessen zu entziehen und auf Gerichte zu verlagern. Klimapolitik gehört aber in den Zuständigkeitsbereich von den Wählern verantwortlichen Institutionen des politischen Systems.

Wer sich etwas näher mit der Klimapolitik beschäftigt, merkt bald einmal, dass sich verschiedene Akteure des klimaaktivistischen Komplexes gegenseitig zuarbeiten, um namhafte ‚Klimasünder‘ einzuklagen. Klimaklagen häufen sich, und oft brauchen Umwelt-NGO als eigentliche Drahtzieher eine klageberechtigte Spielfigur. Vor einigen Monaten gab es dazu einen interessanten Fall.

Kläger Saúl Luciano Lliuya (Bildquelle: Alexander Luna unter Lizenz CC BY-SA 4.0)

Im letzten Mai berichteten die Medien, der Prozess des peruanischen Bauern Saúl Luciano Lliuya gegen den Energiekonzern RWE (Rheinisch-Westfälisches Elektrizitätswerk AG) habe am Oberlandesgericht Hamm am 28. Mai 2025 mit einer Abweisung der Klage geendet. In der Klage ging es um die Gefahr einer Überflutung seines Grundstücks durch den Gletschersee Palcacocha und die anteilige Verantwortlichkeit des ‚Carbon Major‘ RWE als Mitverursacher des Klimawandels.

RWE steht unter den 180 Carbon Majors1 auf Platz 44 mit bisherigen Emissionen von 7,649 Mrd. Tonnen CO2 Equivalenten. Im Vergleich zu den zehn grössten ist RWE ein Emissionszwerg (Tabelle unten). Die historischen Emissionen von RWE belaufen sich auf bloss 1,2 Prozent der zehn grössten Emittenten bzw. 0,55 Prozent der bisherigen gesamten CO2-Emissionen. Warum also RWE? Vermutlich einfach, weil Germanwatch den Fall übernommen hatte und sich von einer Klage an einem deutschen Gericht gewisse Erfolgschancen versprach. Also nahm man einfach den grössten deutschen Emittenten, obwohl der Beitrag von RWE zum Klimawandel kaum messbar ist.

(Quelle: Webseite CM Carbon Majors)

Ein peruanischer Bauer als Spielfigur von ‚Germanwatch‘
So wie es im Titel dieses Beitrag steht, berichteten die Medien. Es ist aber falsch, zumindest irreführend. Was man bereits aus anderen Klimaklagen kennt, ermunterte mich zur Frage an Google Gemini: „Welche Umwelt-NGO stehen hinter dem Prozess des peruanischen Bauern gegen den deutschen Energiekonzern RWE?“ Hier die gekürzte Antwort:
Die wichtigste und bekannteste Umwelt- und Entwicklungsorganisation, die hinter dem Prozess des peruanischen Bauern Saúl Luciano Lliuya gegen RWE steht und ihn ideell, konkret mit Beratung sowie finanziell über eine ihr nahestehende Stiftung unterstützt, ist Germanwatch e.V. Weitere Organisationen, die im Zusammenhang mit dem Fall genannt werden, sind: Stiftung Zukunftsfähigkeit, eine Germanwatch-nahe Stiftung, die die Anwalts- und Gerichtskosten des Klägers für die Musterklage trägt und Spenden dafür sammelt. Germanwatch hat den Fall massgeblich als Musterklage zur Klärung der Verantwortlichkeiten für den Klimawandel und dessen Folgen vorangetrieben.“

Zum Prozessausgang lieferte Google Gemini folgende Informationen (gekürzt):

  • Die Richter kamen zu dem Schluss, dass die konkrete Gefahr einer Überflutung seines Grundstücks in den nächsten 30 Jahren durch den Gletschersee Palcacocha als zu gering einzuschätzen sei, um eine Haftung von RWE zu begründen.
  • Obwohl die Klage im Einzelfall abgewiesen wurde, bestätigte das Gericht, dass grosse CO2-Emittenten wie RWE nach deutschem Zivilrecht grundsätzlich für die Folgen ihrer Treibhausgasemissionen zur Verantwortung gezogen werden können.
  • Saúl Luciano Lliuya hat durch die Anerkennung der grundsätzlichen Haftung grosser Emittenten für Klimaschäden einen historischen Präzedenzfall geschaffen, der als wichtiger Erfolg für künftige Klimaklagen weltweit gilt.

Zum Prozessausgang stellen sich ein paar Fragen:

Was hat Bauer Saúl Luciano Lliuya davon? – Auch wenn ohne Entschädigung durch RWE, kriegt er mehr als die durchschnittliche Dosis von 15 Minuten Berühmtheit. Und er wird für seine Rolle als Spielfigur auf dem Schachbrett der unterstützenden Klima-NGOs bestimmt irgendwie entschädigt.

Was hat Germanwatch davon? – Ein Musterurteil, durch das die Erfolgschancen künftiger Klimaklagen gegen grosse Emittenten steigen. Und die Macht der Umwelt-NGO steigt ebenfalls.

Was hat das Klima davon? – Die Antwort kennt niemand, weil die Zusammenhänge zwischen solchen Klagen und der globalen Wirkung viel zu komplex sind. In Bezug auf die Rolle von RWE ist vermutlich die der Wahrheit am nächsten kommende Antwort ’nichts‘. Warum nichts?

Als Betreiber grosser Kohle- und Gaskraftwerke ist RWE einer der deutschen Hauptakteure im EU- Emissionshandelssystem (ETS). RWE muss für die CO2-Emissionen seiner erfassten Anlagen entsprechende Emissionszertifikate erwerben. Die hauptsächlichen CO2-Emissionen von RWE stammen aus der Kohleverstromung. Das EU-ETS bildet für RWE den Hauptantrieb für den beschleunigten Ausstieg aus der Kohleverstromung und die massiven Investitionen in erneuerbare Energien. Die RWE zur Verfügung stehenden Emssionsrechte bestimmen seine Politik. Doch jede CO2-Reduktion, die über die erworbenen Emissionsrechte von RWE hinausgeht, verpufft wirkungslos im System, weil die frei werdenden Emissionsrechte auf dem EU-ETS wieder angeboten und andernorts verbraucht werden.

(Quelle: RWE-Webseite)

RWE – der falsche ‚Klimasünder‘
Abgesehen davon, dass RWE unter den 180 Carbon Majors ein Emissionszwerg ist, macht allein schon die Teilnahme am EU-ETS RWE zum falschen ‚Klimasünder‘. RWE ist zwar selbst als Emissionszwerg der grösste bisherige CO2-Emittent unter den deutschen ‚Carbon Majors‘, vor dem Chemiegiganten BASF. Geht man aber auf die Webseite von RWE, strotzen die Selbstdarstellungen nur so von ‚Klima-Wokeness‘.

Hier ein paar weitere Ausschnitte von der RWE-Webseite:

Erneuerbare Energien – Als eines der führenden Unternehmen im Bereich Erneuerbare Energien investieren wir Jahr für Jahr Milliarden. Vor allem in den Ausbau von Offshore- und Onshore-Wind sowie Solarenergie. Im Zusammenspiel mit Batteriespeichern und flexibler Erzeugung.

Klimaneutral bis 2040 – Wir bei RWE reduzieren konsequent unsere Treibhausgas-Emissionen. Bis 2030 steigen wir verantwortungsbewusst aus der Kohleverstromung aus. Die Reduktionsziele stehen mit dem 1,5-Grad-Pfad der Emissionsminderung im Einklang.

Ausstiegstechnologien – Geplanter Ausstieg aus deutschen Braunkohlebetrieben bis 2030. Ausstieg aus der Kernenergie im April 2023 abgeschlossen, Rückbau im Gang.

Ganz auf der Linie des deutschen Energiewende-Irrsins bewegt sich RWE gezwungenermassen auch betreffend ‚Atomausstieg‘. Am 25. Oktober wurden zur grossen Freude von rund 30’000 Schaulustigen die beiden Kühltürme des AKW Gundremmingen in Bayern gesprengt – deutsch gründlich ‚tabula rasa‘, damit ja niemand auf die Idee kommt, eine Wiederinbetriebnahme zu fordern, wie dies in den USA in Erwartung des massiv steigenden Strombedarfs gegenwärtig geschieht. Um den industriellen Abstieg aufzuhalten und die Illusion ‚KI-Standort Deutschland‘ zu wahren, ist jetzt von 40 Gaskraftwerken die Rede. Die müssten allerdings noch gebaut werden.

Sprengung der AKW-Kühltürme von Gundremmingen (Bild: RWE)

Auf dem Grundstück des zurückgebauten AKW plant RWE, energiewendekonform und klimapolitisch korrekt, einen grossen Batteriespeicher, ein wasserstofffähiges Gaskraftwerk sowie eine Photovoltaik-Anlage. [Nachtrag vom 2. November, der Verf.:] In einem YouTube-Video erwähnt der deutsche Kerntechniker Manfred Haferburg, dass dieser geplante Batteriespeicher zwar sehr gross sei, aber nur so viel Strom speichern könne, wie das AKW Gundremmingen in einer Viertelstunde produziert hätte.

Das Zusammenspiel der progressiven Akteure
An den Bestrebungen, die Klimapolitik demokratischen Prozessen zu entziehen und auf Gerichte zu verlagern, sind folgende Akteure beteiligt, die sich gegenseitig zuarbeiten:

UNO Weltklimarat und -konferenzen – An der Pariser Konferenz von 2015 wurde zunächst in einem Klimaabkommen das 2-Grad-Ziel für 2050 festgelegt, das später mit fragwürdigen wissenschaftlichen Begründungen auf 1,5 Grad reduziert wurde. Das Pariser Klimaabkommen ist ein von 197 Staaten unterzeichneter Vertrag, der völkerrechtlicher Natur sein soll. Aufgrund dessen wäre er für alle Unterzeichner verbindlich, nur hält sich kaum ein Staat daran. Trotzdem können sich die Klimaaktivisten immer wieder auf diese Ziele berufen, indem sie auf deren völkerrechtlichen Charakter verweisen.

Gesetzgeber, Umweltbürokratie – Ohne sorgfältige Kosten-Nutzen-Abklärungen übernehmen Umweltbürokratie und Gesetzgeber in einem Wettbewerb opportunistischer Ankündigungen illusionäre Energie- und Klimaziele, die auch Eingang in Gesetze finden. Diese bilden dann die Grundlage für Klagen der Klimaaktivisten.

Klimaforschung – Die sogenannte Attributionsforschung von Klimawissenschaftern unterstützt mit fragwürdigen Modellschätzungen die klimaaktivistischen Akteure in ihrem Kampf an Gerichten. Das perfekte Muster liefert eine neue Studie der ETHZ, über die ich im September in einem Blogbeitrag ausführlich berichtete. Dieser politisierte Zweig der Klimaforschung strebt danach, den Einfluss einzelner grosser CO2-Emittenten auf die Erderwärmung bzw. auf extreme Wetterereignisse (Hitzewellen, Buschbrände, Überschwemmungen, Sturmfluten etc.) abzuschätzen, und zwar mit dem offen erklärten Ziel, Beweislücken für Klimaklagen von angeblich Geschädigten zu schliessen.

Umwelt-NGO – Militante, teils finanziell potente Umwelt-NGO wie Greenpeace, zielen auf Gerichtsurteile, um Musterfälle als Präjudizurteile zu schaffen. Dazu brauchen sie vorgeschobene Spielfiguren als potenziell Geschädigte. Ein in der Schweiz bekannter Fall betrifft vier Bewohner der indonesischen Zwerg-Insel Pari, die mit Unterstützung von mehreren NGO am Kantonsgericht Zug gegen den Zementkonzern Holcim klagen. Das Hilfswerk der Evangelisch-reformierten Kirche Schweiz HEKS ist in Hilfestellung für die Kläger zuvorderst mit dabei. Auch dazu gibt es einen Blogbeitrag.

Medien – Unsere links-grün-lastigen Medien, besonders die öffentlich-rechtlichen, berichten wohlwollend über klimaalarmistische Ereignisse, seien es militante Klimademos, Klimaklagen oder auch über aktivistische Forschung wie die Attributionsforschung. Am gleichen Tag, als die ETHZ die Publikation ihrer oben erwähnten Studie ankündigte, berichtete Radio SRF1, teils wie direkt aus einer Medienmitteilung der ETHZ abgeschrieben, völlig unkritisch über das Attributions-Paper unserer Renommierhochschule.

Klimaanwälte und Gerichte – Wenn militante Klimaaktivisten wegen vermuteter Gesetzesübertretungen eingeklagt werden, werden sie in vielen Fällen von sympathisierenden Anwälten kostenlos verteidigt. Generell gilt, dass an Gerichten zunehmend Richter mit links-grünen Neigungen tätig sind, die ihre Rolle aktivistisch interpretieren. Viele sind noch so bereit, die Verlagerung der Klimapolitik auf Gerichte zu unterstützen.

Mein Fazit
Je deutlicher sich zeigt, dass das 1,5-Grad-Ziel von ‚Paris 2015′ und die ’netto null 2050‘-Zusagen an der politischen Realität scheitern, desto grösster ist der Anreiz für den klimaaktivistischen Komplex, Klimaklagen als politisches Instrument einzusetzen. Doch der Tunnelblick der Attributionsforschung auf CO2-Emissionen blendet die unbestreitbare Tatsache aus, dass der zivilisatorische Fortschritt der Menschheit, der sich an allen wichtigen Indikatoren wie Wohlstand, Armutsreduktion, Erhöhung der Lebenserwartung, Senkung der Kindersterblichkeit oder technologischem Fortschritt ablesen lässt, auf der Nutzung fossiler Energien beruht.

  1. Die Daten-Plattform CMCarbon Majors informiert: Carbon Majors ist eine Datenbank mit historischen Produktionsdaten von 180 der weltweit grössten Produzenten fossiler Brennstoffe und Zement. Mithilfe dieser Daten werden die direkten produktionsbedingten Betriebsemissionen sowie die Emissionen aus der Verbrennung vermarkteter Produkte quantifiziert, die diesen Unternehmen zuzurechnen sind. Die ältesten Daten reichen bis ins Jahr 1854 zurück und umfassen über 1,39 Billionen Tonnen CO₂-Äquivalente. Dies entspricht 69 % der globalen CO₂-Emissionen aus fossilen Brennstoffen und Zement seit Beginn der industriellen Revolution im Jahr 1750. 

Originalartikel veröffentlicht auf volldaneben.ch, dem Blog des Autors.

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Dies ist ein Blog von Autoren, deren Meinungen nicht mit denen von CCN übereinstimmen müssen.

4 thoughts on “Saúl Luciano Lliuya gegen RWE”

  1. Sehr guter Einblick in die Gefährlichkeit der verfassungsrechtlichen Einbettung des Klimas als praktisch juristische Person mit Schutzrechten.

    Das politisch-wissenschaftlich-wirtschaftliche Thema wird so absichtlich in den Griff einer aktivistisch-ausufernden Jurisprudenz transferiert.

    Die sog. Zuordnungsforschung (Attribution) ist ein Gauner-Werkzeug, um statistisch auftretende Natur- und Wetterkatastrophen in einen deterministischen Zusammenhang mit grossen CO2-industriellen Emittenten (Chemie, Energie) zu bringen und so einklagbar zu machen.

    Natürlich kommen solche Ideen aus dem Umfeld des PIK in Deutschland von der Klimawissenschafts-Aktivistin Friederike „Ferdie“ Otto, die heute am Imperial College und bei einer radikalen KlimaNGO arbeitet.

    Ihr 2919 erschienenes Buch: „Wütendes Wetter – auf der Suche nach Schuldigen für Hitzewellen, Hochwasser und Stürme“ wurde besonders von ZDF, DLF und „Die Zeit“ auf die vorderen Ränge ihrer Sachbuch Rankings befördert.

  2. Wie sich schon im Blog des Autors bemerkte:
    „… bestätigte das Gericht, dass grosse CO2-Emittenten wie RWE nach deutschem Zivilrecht grundsätzlich für die Folgen ihrer Treibhausgasemissionen zur Verantwortung gezogen werden können.“ Attributionsforschung und Klimaforschung hin oder her – der Anteil selbst grösster CO2-Emittenten (gemeint sind einzelne Unternehmen oder Konzerne) an der Zunahme der globalen CO2-Konzentration ist in jedem Fall nicht wesentlich von Null verschieden. Demgegenüber scheint es eine Verdoppelung der CO2-Konzentration in der Atmosphäre zu brauchen, um die Durchschnittstemperatur der Erde um wenige Grad (1,5 bis 4.5 oder 5) ansteigen zu lassen.

    Die Folgen von Treibhausgasemissionen einzelner Emittenten sind in jedem Fall gleich Null.

    Die Richter sind am Verblöden. Die Medien ebenfalls. Man kann es nicht anders sagen.

    Wenn schon, müssten die Staaten für Folgen von CO2 zur Verantwortung gezogen werden. Es gibt keine adäquate Kausalität für einzelne Unternehmen.

  3. “Ohne sorgfältige Kosten-Nutzen-Abklärungen übernehmen Umweltbürokratie und Gesetzgeber in einem Wettbewerb”
    Erklären Sie bitte, was Sie unter Kosten verstehen!
    Erklären Sie bitte, was Sie unter Nutzen verstehen!

  4. Muss ich demnächst eine Klage erwarten, weil ich Strom von einem Unternehmen wie RWE brauche, weil ich ein paar Tonnen Zement von HOLCIM für mein Haus verbaute. Wo wird der richterliche Unsinn enden? Beim Verursacher?

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