Der Verzicht auf Vertragszwang der Versicherungen, setzt voraus, dass diese im Interesse der Patienten handeln, wenn sie Ärzte, Krankenhäuser und andere medizinische Dienste auswählen. Leider ist das nicht so selbstverständlich… Nach welchen Kriterien würde diese Auswahl erfolgen? Wäre der Beruf des Arztes einfacher, wenn er für jeden seiner Patienten unterschiedliche Bedingungen erfüllen müsste, je nach den Verträgen, die er mit den verschiedenen Versicherungen abgeschlossen hat, die ihn zertifiziert haben? Ist das nicht ein Irrweg, der die Entscheidungsgewalt der Versicherungen, die bereits heute missbräuchlich ist, noch verstärkt? Eine „echte“ Liberalisierung würde bedeuten, dass die tatsächlichen Akteure im Gesundheitswesen miteinander konkurrieren, ohne dass die Sparkasse, die die Versicherung darstellt, anders als durch ihre Beziehung zu ihren Kunden, den Versicherten, eingreift. Die Herausforderung wäre dann, herauszufinden, wer ein guter Arzt ist, welche Leistungen ein Krankenhaus bietet, ob es sich um ein Low-Cost- oder ein Premium-Krankenhaus handelt usw. Dies setzt Werbung, Wettbewerbsfähigkeit und auch die Verpflichtung zu offener Information voraus. Das Gesundheitssparkontenmodell Singapurs wäre hierfür gut geeignet. Reply
Man kann hier auf das Buch “Genesung durch Wettbewerb” der Carnot-Cournot-Autoren Bernd Schips und Silvio Borner verweisen. Auch dort wird als zentraler Reformschritt die Aufhebung des Vertragszwangs der Krankenkassen gefordert, weil nur dadurch für die Versicherer Anreize bestehen, unterschiedliche Produkte anzubieten. Reply
Im Abstimmungsbüchlein, wie im Beitrag zitiert, gingen die Erschaffer des KVG sozusagen davon aus, die Krankenversicherer und die Leistungserbringer würden sich freiwillig und mit Freuden dem Wettbewerb stellen. Aber wie Carl Christian von Weizsäcker ausführte, ist Wettbewerb ein System des Zwangs für die Anbieter und ein solches der Freiheit für die Kunden. Aus diesem Grund versuchen die Anbieter stets, den Spiess umzudrehen, ein Systems der Freiheit für sie selber und ein solches des Zwangs der Kunden herbeizuführen (regulatory capture) und also den Wettbewerb zu beseitigen. Je mehr Regulierungen wir in einem Markt haben, desto besser gelingt dies den etablierten Anbietern. Zu Lasten der Newcomer, der Kunden und der Allgemeinheit. In diesem Sinne war das KVG ein Rohrkrepierer. Es war vorauszusehen. Reply
Nebenkriegsschauplatz: Ein Markt, der von einem oder mehreren geschlossenen Kreisen von Anbietern und Zahlstellen (mit oder ohne Vertragszwang) gebildet wird, ist nicht im Interesse des Endkunden, also des Patienten, seiner Gesundheit und seines Portemonnaie. Wann werden endlich Werbekampagnen für Ärzte, egal ob einzeln oder in Gruppen, mit technischen und wirtschaftlichen Argumenten (Preise, Wartezeiten, Qualität, Behandlungsmethoden, usw.) erlaubt? Gleiche Frage für Kliniken, Physiotherapeuten usw (das machen bereits Zahnarztpraxen im benachbarten Deutschland in den Basler Trams). Wenn der Patient zunächst mit seinen Ersparnissen (Singapur Modell) zum Arzt gehen wird, wird er sich über eine vielfältigere Auswahl an Konkurrenzanbietern freuen. Reply
Ich beschreibe eben gerade nicht einen Nebenschauplatz, sondern die politökonomische Ursache (regulatory capture), dass es immer wieder zu solchen antikompetitiven Regulierungen kommt. Wenn man die Anbieter lässt, dann machen sie nicht Wettbewerb, sondern sie verhindern ihn. Reply
Leider führt die institutionelle Mechanik immer mehr in Richtung Regulierung, Umverteilung, weil die negativen Erfahrungen mit dem System die Leute so konditionieren. Reply