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Pommfritonien und das Perpetuum Mobile

In einem Paralleluniversum gibt es ein Land namens Pommfritonien. Dessen Bewohner leben hauptsächlich von Pommes Frites (PF), und ohne PF steht in kurzer Zeit alles still. Die PF werden in riesigen Fabriken bedarfsgerecht hergestellt und über ein perfekt organisiertes Rohrnetz blitzschnell verteilt und sofort konsumiert. Dank diesem System kamen die Pommfritonier zu hohem Wohlstand. Doch es gab auch Schattenseiten: Viele dieser PF-Fabriken verpesteten die Luft. Andere waren im Betrieb zwar sauber, erzeugten aber Abfälle, welche unheimliche Strahlen von sich gaben – gut geeignet um Megaängste zu erzeugen. Noch schlimmer: Mehrfach explodierte eine alte Anlage und verseuchte die Umgebung.

Findige Köpfe haben eines schönen Tages eine alternative PF-Maschine erfunden, nur betrieben von Luft, Wind und Sonne – fast ein Perpetuum Mobile. Man könne, so hiess es, eine solche Maschine aufs Dach stellen und sei damit von den verpönten Megafabriken unabhängig. Und das Schönste: Die neuen Maschinen arbeiten völlig lautlos, können nicht explodieren und emittieren keine schädlichen Substanzen. Man war total begeistert und beschloss eine PF-Wende durchzuführen.

Es gab nur einen Schönheitsfehler: Der Materialaufwand und damit auch die Kosten waren hoch und der Ertrag nicht gerade berauschend. So benötigte man rund eine Million Dachanlagen um gleichviele PF zu produzieren wie eine einzige grosse Fabrik. Man erkannte schnell, dass die PF-Wende ohne massive Förderung nicht gelingen konnte. Also versprach man den Betreibern eine kostendeckende Vergütung. Finanziert wurde sie durch eine Zwangsabgabe auf jedes gegessene PF. Dank dieser Förderung wurden immer mehr alternative Anlagen aufgestellt. Die Zwangsabgaben stiegen entsprechend, aber man erachtete dies als Preis für die Schonung der Umwelt. Nach einigen Jahren war das Ziel der PF-Wende erreicht: Die vielen Millionen alternativer Anlagen konnten gleich viele PF produzieren wie die alten Fabriken. Man feierte und jubelte. Das Ende der alten Fabriken schien nahe.

Doch ein Problem gab es noch: Man verdrängte lange Zeit eine scheinbar unwichtige Eigenart dieser neuen Maschinen. Sie produzierten zwar im Mittel genügend PF, aber eben nur im Mittel. Oft sank die Produktion für längere Zeit auf Null (zu Essenszeiten äusserst ärgerlich), um dann später auf das 10-fache des Bedarfes zu schnellen. So konnte es geschehen, dass mitten in der Nacht der Markt von einer Unmenge PF überschwemmt wurde. Zur Enttäuschung vieler Politiker weigerten sich die Bewohner standhaft, aufzustehen und die PF zu essen. Die Folge war, dass die Preise auf unter Null sanken (man musste für die Entsorgung bezahlen). Die Wirtschaftlichkeit war im Eimer – trotz tiefer Produktionskosten. Den Betreibern der alternativen Anlagen war dies egal, dank den staatlichen Garantien war ihre Finanzierung sichergestellt. Sogar für nicht verkaufte PF bekam man eine Entschädigung. Aber bei den PF-Konsumenten herrschte keine Freude über die immer höheren Kosten.

Es kam noch schlimmer. Die Politik hat der alternativen PF-Produktion die Priorität auf dem Markt eingeräumt. Sobald die alternativen Maschinen genügend PF produzierten, mussten die konventionellen Fabriken ihre Produktion stoppen – bis die alternative Produktion wieder einbrach. Dieser Stotterbetrieb führte zu einer massiven Verteuerung der konventionellen Produktion, wirtschaftlich nicht tragbar. Doch diese Fabriken waren für die bedarfsgerechte PF-Versorgung unentbehrlich. Und so kam es, dass man sie auch subventionieren musste. Was zur Folge hatte, dass die Preise für die PF nochmals stiegen.

Leider liess sich der unregelmässig anfallende Überschuss nur zu sehr hohen Kosten speichern. Vor allem die Langzeitspeicherung grösserer Mengen erwies sich als praktisch nicht lösbar. Schlimm, denn ausgerechnet im Winter, bei hohem PF-Bedarf, brach die Produktion der alternativen Maschinen oft zusammen. Man versuchte es zwar mit sogenannten PF-to-Gas-Anlagen, einer Vergasung der zur falschen Zeit produzierten PF und der späteren Rückwandlung in feste PF. Aber diese Anlagen waren sehr teuer, und – noch schlimmer – 60% bis 85% der PF gingen dabei verloren. Ohne massive staatliche Förderungen ein Megaflop.

Und zu guter Letzt drohte das Verteilsystem zu kollabieren. Der Grund: Die alternativen Maschinen produzierten bei guten Bedingungen ein Mehrfaches des Bedarfes. Das bestehende Verteilnetz war nur für den normalen Bedarf ausgelegt, es wurde durch die plötzlich auftauchenden grossen Mengen verstopft und drohte zusammenzubrechen. Also musste man auch das Verteilsystem massiv ausbauen. Und erneut entstanden Kosten – aber man hatte ja das finanzielle Perpetuum Mobile erfunden: Man erhöhte einfach die Zwangsabgaben, die Steuern oder die Schulden.  

Um die Situation zu verbessern versuchte man es mit „intelligenten“ Verteilnetzen. Die Grundidee: Irgendwo hat immer jemand Hunger, und irgendwo gab es alternative Maschinen, die gerade PF produzierten. Aber so genau ging es nie auf und vor allem musste man wieder investieren.

Am Schluss zahlte man für die PF direkt oder indirekt ein Mehrfaches als früher, mit entsprechend negativen Folgen für die Privathaushalte und die Wirtschaft: Der Wohlstand war im Sinkflug. Zu allem Elend zeigten genauere Analysen, dass die alternativen Maschinen für ihren Bau sehr viel mehr kritische Rohstoffe benötigen als die Konventionellen und, damit verbunden, nicht weniger toxische Abfälle erzeugen als diese. Als dann noch mehrfach grosse Zusammenbrüche im Verteilsystem vorkamen, platzte die alternative PF-Blase.

Für den Hauptteil der PF-Produktion kehrte man reumütig zu den grossen, wetterunabhängigen Fabriken zurück. Was alles andere als einfach war. Denn das staatliche Finanzdoping mit Fördergelder, Steuererleichterungen und Preisgarantien wirkte wie eine Droge, mit grossem Suchtpotential. Um die alternativen Maschinen hat sich ein grosser Wirtschaftskreis gebildet, mit starken Lobbying-Gruppen. Ein Faktor erleichterte aber den Umstieg: In der Zwischenzeit hat man auf einem Nachbarplaneten neue, kostengünstige und schnell zu errichtende PF-Fabriken entwickelt, die aus physikalischen Gründen nicht explodieren können. Und das Schönste: Gewisse dieser neuen Fabriken konnten die toxischen Abfälle der alten Fabriken als Brennstoff verwenden – praktisch ein Perpetuum Mobile. Der Wermutstropfen: Pommfritonien hatte diese neue Technologie völlig verschlafen und musste sie zähneknirschend vom Nachbarplaneten kaufen.

PS: Jede Ähnlichkeit mit aktuellen Gegebenheiten auf unserem Planeten ist rein zufällig.

Ein Gastbeitrag von  Dr. sc. nat. Walter Rüegg.

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4 thoughts on “Pommfritonien und das Perpetuum Mobile”

  1. Herrliche Parodie. Es fehlt vielleicht noch der noch der Einfluss durch den Stromhandel mit dem Ausland, besonders Ländern mit Kernenergie und Kohle. Das einfache Volk wird das aber erst durch Fühlen hören. Das Unverständnis für elementare ökonomische Beziehungen zeigt sich auch bei der Diskussion über den Mindestlohn. Angeblich könne man durch diesen Eingriff in den Arbeitsmarkt gleichzeitig die ‘Armut bekämpfen und die Kaufkraft stärken’, und dass den Firmen, ‘die nicht genug zahlen können’, ihre Existenz entzogen wird, sei auch ‘gerecht’.

  2. So ist es leider, aber für mich stimmt das nicht. Ich mag keine PF und auch beim Strom bin ich unabhängig. Ich habe im Keller eine Reserve-Steckdose. Ich prüfe diese einmal jeden Monat und sie hat immer Strom.

  3. Ich bringe abends nach der arbeit jeweils ein kesseli spannungsabfälle heim. Das reicht für kochen und licht.
    Das kesseli stelle ich tagsüber unter die steckdose meiner firma. Die hat die steckdose bei der migro gekauft.
    Felix Hurter

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