Nach dem Nein vom 24. September haben sich vor allem Politologen dazu geäussert, wie man mit einer neuen Vorlage eine Ja-Mehrheit hinkriegt. Einigkei…
Nach dem Nein vom 24. September haben sich vor allem Politologen dazu geäussert, wie man mit einer neuen Vorlage eine Ja-Mehrheit hinkriegt. Einigkeit besteht in diesem Kreis darüber, dass es halt «Kompensationen» braucht, um (angebliche) Verlierer ins Ja-Lager zu holen. Den Ökonomen interessieren aber die harten Fakten, um herauszufinden, wie die schweizerische Altersvorsorge nachhaltig den wirtschaftlichen und demografischen Entwicklungen angepasst werden muss. Denn diese sind entscheidend und nicht die politischen Versprechen auf dem Papier.
Die Lebenserwartung bei Geburt ist seit 1948 rasant gestiegen: für Männer von 65 auf 81 und bei Frauen von 69 auf 85. Die Beitragsjahre sind konstant geblieben, aber die Pensionsjahre haben für Männer um gut 7 und bei Frauen gar um 9 Jahre zugenommen. Da gibt es für die AHV nur drei Lösungsansätze, nämlich tiefere Renten, höhere Beiträge oder ein späteres Pensionsalter. Letztes ist klar die beste Lösung, höhere Beiträge die zweitbeste und Rentensenkungen die schlechteste. Also ohne schrittweise Erhöhung des Rentenalters geht langfristig gar nichts. Am besten packt man das wie in Skandinavien mit einer allgemeinen Regel an und kombiniert diese mit einer Flexibilisierung. Bei der Angleichung des Rentenalters für Frauen an die für Männer gibt es nichts zu kompensieren, weil die Lebenserwartung der Frauen diejenige der Männer signifikant übersteigt. Zudem galt beim Start von 1948 für beide 65. Die Absenkung auf 62 in zwei Schritten in den 50er- und 60er-Jahren wurde mit Argumenten begründet, die heute diskriminierend wären. Weil der Staat die AHV-Renten garantieren will und kann, müssen Defizite, die auch nach höherem Rentenalter und Beiträgen bestehen bleiben, durch Steuern gedeckt werden. Aber die MWST ist dafür die asozialste. Die AHV-Revision muss daher so schnell wie möglich, aber ohne Zusatzrenten und losgelöst von der 2. Säule an die Hand genommen werden.
Die 2. Säule beruht auf Kapitaldeckung und ist so gesehen von der demografischen Entwicklung nicht direkt betroffen. Indirekt schon, weil die Überalterung die Rentabilität des Kapitals reduziert. Die Nullzinspolitik der Nationalbank verstärkt diesen Negativtrend. Die 2. Säule hat einen grundlegenden Konstruktionsfehler: die politische Garantie des Umwandlungssatzes und damit einer minimalen Rendite. Die Ersparnisse liegen ja bei den Pensionskassen oder Versicherungen, die damit auch die Anlagerisiken übernehmen, jedoch immer mehr auf die Versicherten zurückwälzen. Die 2. Säule sollte deshalb liberalisiert werden mit einer blossen Finanzaufsicht bei gleichzeitiger Lockerung der Anlagevorschriften.
Wenn die Renditen der Kapitalanlagen trotzdem längerfristig sinken, müssen auch die Renten fallen. Da gibt es rein gar nichts zu kompensieren und schon gar nicht durch die AHV. Wenn wir den gesetzlichen Umwandlungssatz durch einen finanztechnischen Automatismus ersetzen, braucht die 2. Säule gar keine staatliche Sanierung mehr. Selbst mit dem heutigen Umwandlungssatz für den obligatorischen Teil können sich die PK und Versicherungen selber aus der Schlinge ziehen. Dass der PK-Verband und zwei Versicherungsgesellschaften die AV 2020 lautstark unterstützt haben, zeugt von Unwillen oder Unfähigkeit, die eigenen Probleme selber zu lösen. Das auf die AHV abwälzen zu wollen, war unredlich und kurzsichtig.
(Dieser Beitrag ist zuerst erschienen in der Basler Zeitung BaZ vom 13. Oktober 2017, “Agenda”, S. 15.)
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