Solarenergie – auch nicht das Gelbe vom Ei

Auch ein ‚Solarexpress‘ kann die Winterstromlücke nicht schliessen

Im letzten Blog-Beitrag präsentierte ich einige Basisinformationen über Windenergie in der Schweiz. Der geplante Ausbau soll nun trotz den ungünstigen Voraussetzungen für einen wirtschaftlichen Betrieb mit der Einschränkung von politischen und rechtlichen Einsprachemöglichkeiten durchgesetzt werden, Stichwort ‚Beschleunigungserlass‘. Ziel ist es, den Rechtsmittelweg für die Planung und den Bau von Solar-, Wind- und Wasserkraftwerken zu verkürzen. Gegenwärtig gibt es zwischen National- und Ständerat noch Differenzen in Bezug auf die Einschränkung der Beschwerderechte für Umweltverbände bei Projekten von nationalem Interesse sowie über die Frage, wie stark die Mitsprache der Standortgemeinden bei der Realisierung von Projekten gewichtet werden soll.

‚Express‘ geht bei uns (fast) nichts
Angesichts der Erfahrungen mit Beschwerden von Umweltverbänden, zum Beispiel bei der jahrzehntelangen Auseinandersetzung um die Erhöhung der Grimselstaumauer, kann man für die Einschränkung des Verbandsbeschwerderechts viel Verständnis aufbringen. Das geradezu absurde Rechtsmittel-Theater seit Einreichung des Konzessionsgesuchs im Jahr 2005 erlaubt eine Art kontrafaktische Rückwärtsextrapolation: Unsere Wasserkraftinfrastruktur, Hauptpfeiler der Versorgungssicherheit, hätte mit den heutigen Beschwerderechten der Umweltverbände nicht gebaut werden können.

Dagegen passt eine demokratiepolitische Beschränkung der Mitsprache der Standortgemeinden schlecht in unser hochpartizipatives System, das zudem die Gemeindeautonomie hochhält. Es geht im Prinzip um eine Kompetenzverschiebung von den Gemeinden zum Kanton. Damit erhalten die linientreuen Anhänger der ‚Energiewende‘ in den zuständigen Behörden ein politisches Übergewicht gegenüber der betroffenen Bevölkerung.

Die Tatsache, dass das Stimmvolk den Gesetzen der ‚Energiewende‘ mehrheitlich zugestimmt hat, geschah erstens auf einer thematisch sehr allgemeinen Ebene und zweitens unter Berieselung mit gehirnwäscheartiger Begleitmusik aus den staatlichen, staatsnahen und staatsfreundlichen Institutionen. Aus dieser allgemeinen Zustimmung lässt sich nicht zwingend ableiten, dass im konkreten Einzelfall von Solar- und Windkraftanlagen die Mitsprachemöglichkeiten auf Gemeindeebene eingeschränkt werden. Dies gilt umso mehr, als immer mehr Leute spüren, dass unter den Bedingungen der ‚Energiewende‘ mit Atomausstieg der notwendige Ausbau der Erneuerbaren wirtschaftlich, ökologisch und politisch schlicht unrealistisch ist.

Massiv wachsende Winterstromlücke
Christoph Eisenring vom Think Tank Avenir Suisse lieferte dazu in einem Instagram-Post die folgenden Zahlen, basierend auf offiziellen Quellen:

Geschätzter jährlicher Zusatzbedarf bis 2050: 30 TWh
Wegfall Kernenergie: 23 TWh
Zu deckende Lücke: 53 TWh
Lücke im Winterhalbjahr: 28 TWh
Maximaler Zusatzertrag 16 Wasserkraftwerke im Winterhalbjahr gemäss Bundesrat: 1,5 TWh
Alpine Solaranlagen im Winterhalbjahr gemäss Szenario Axpo: 0,4 TWh
Verbleibende Winterstromlücke 2050: 26 TWh
Importe im Winterhalbjahr gemäss Gesetz: 5 TWh
Verbleibende Lücke: 21 TWh

Gemäss den offiziellen Energieperspektiven 2050+ des Bundes sollen alpine Solaranlagen, im Kontrast zum oben erwähnten Szenario Axpo, bis zum Jahr 2050 im Winterhalbjahr rund 2,5 bis 3,5 TWh Strom liefern. Die verbleibende Lücke sinkt damit auf rund 18 TWh. Es gibt Szenarien, nach denen im Winter neue Windkraftanlagen bis gegen 8 TWh zusätzlich beitragen sollen, aber der dazu notwendige Ausbau ist selbst unter beschleunigten Prozessen völlig unrealistisch. Und es bliebe immer noch eine Lücke von rund 10 TWh.

Screenshot aus einem Video der BKW zu alpinen Solaranlagen

Alpine Solaranlagen als ‚deus ex machina‘?
Deshalb fordern die überzeugten Anhänger der ‚Energiewende‘ einen viel ambitionierteren Ausbau der (alpinen) Solarenergie. Wie für Windkraftanlagen im Blog-Windartikel von letzter Woche interessierte mich auch der Lade- oder Kapazitätsfaktor von Solaranlagen. Dieser zeigt das Verhältnis der tatsächlich erzeugten Strommenge zur maximal möglichen Stromproduktion, ist also ein Mass für die Auslastung einer Anlage, abhängig von Standort. Der Copilot von Microsoft lieferte dazu folgende Angaben: „Der durchschnittliche Kapazitätsfaktor für Solaranlagen in der Schweiz liegt typischerweise zwischen 10 % und 14 %. Das bedeutet: Eine Photovoltaikanlage produziert im Jahresdurchschnitt etwa 10–14 % der Energie, die sie bei voller Leistung rund um die Uhr erzeugen könnte... In sonnenreichen Ländern wie Spanien oder Australien erreichen PV-Anlagen Kapazitätsfaktoren von 15–20 %.

In der Schweiz erreichen alpine Solaranlagen ähnliche Werte. Doch auf einen viel ambitionierteren Ausbau zu setzen, um die verbleibende massive Lücke an Winterstrom von mindestens 10 TWh zu schliessen, ist angesichts der Grössenordnungen aus wirtschaftlichen, ökologischen und politischen Gründen aussichtslos. Der Energiedaten-Experte Martin Schlumpf hat in seiner wöchentlich erscheinenden Nebelspalter-Kolumne geschätzt, dass das Stopfen der Winterstromlücke mit alpinen Solaranlagen viermal teurer wäre als mit Kernenergie (hier – mit Zahlschranke).

Lektion Blackout in Spanien
Mit was für Risiken oder Kosten zur Minderung derselben man bei einem sehr hohen Anteil an Photovoltaik rechnen muss, illustrierte vor kurzem ein dramatischer Vorfall. Der Blackout in Spanien vom letzten April hat einige bedenkenswerte Fakten aufgezeigt:

Vermutete Ursache – Ein unerwarteter Ausfall einer grossen Solaranlage kann bei einem hohen Anteil an Solarstrom zu einem Netzzusammenbruch führen, weil die notwendigen Stabilisierungskapazitäten wie träge Massen von Turbinen in konventionellen Kraftwerken fehlten.

Politisierung der Ursachenforschung – Das Publikum wurde von der Regierung umgehend mit der Interpretation gefüttert, die auf der Online-Plattform ‚Doomberg‘ so dargestellt wird: Der spanische Premierminister Pedro Sánchez bezeichnete die Behauptung, erneuerbare Energien seien für den Stromausfall verantwortlich, als Lügen und griff diejenigen an, die den Stromausfall mit der Nutzung von Wind- und Solarenergie in Spanien in Verbindung brachten. „Wer den Stromausfall mit dem Mangel an Atomkraft in Verbindung bringt, lügt entweder oder stellt seine Unwissenheit unter Beweis“, sagte er. Sánchez kündigte an, dass die Regierung eine Kommission zur Untersuchung des Vorfalls eingesetzt habe und die Rolle privater Energieunternehmen prüfen werde.“

Schwarzer Peter zu den Netzbetreibern – Als sich bei der Untersuchung die vermutete Ursache der Netzüberlastung bestätigte, folgte der Vorwurf der Politik an die Netzbetreiber. Sie hätten es versäumt, im Einklang mit dem Ausbau der Solarenergie in die Netze zu investieren. Gemäss ‚Doomberg‘, der einen Artikel von ‚Bloomberg Greeen‘ zitiert, investiert Spanien pro Dollar für Erneuerbare nur 0.3 US$ in den Netzausbau. Gemäss UN-Generalsekretär Antonio Guterres, einem lautstarken Klimaalarmisten, sollte ein Verhältnis von 1 zu 1 angestrebt werden. Hier hat er allerdings wohl recht. Dieses Verhältnis könnte man allerdings auch erreichen, indem man die Expansion der Erneuerbaren auf den Netzausbau abstimmt, das heisst abbremst.

Verdrängte Kosten der Erneuerbaren – Die Vernachlässigung der Investitionskosten für die Übertragungsnetze und Stabilisierungseinrichtungen verfälschen Kostenvergleiche zugunsten der Erneuerbaren. Das rituell vorgebrachte Argument, Solarpanels würden laufend billiger, ist vom Informationsgehalt her fast eine Beleidigung des Adressaten, denn es blendet wichtige Kostenblöcke einer umfassenden Investitionsrechnung einfach aus.

Holde Begleitmusik des ESC
Auch Solarenergie, auf der die völlig übertriebenen Hoffnungen der ‚Energiewende‘-Anhänger beruhen, ist nicht das Gelbe vom Ei, obwohl das Gelbe vom Ei an die Sonne erinnert. Die ‚Energiewende‘ erweist sich als (wackelige) Importstrategie kombiniert mit Gaskraftwerken. Es gibt aber immer noch Gläubige, zum Beispiel das Energy Science Center ESC der ETHZ. Dort singt man weiterhin das Lied von der ‚Energiewende‘, kombiniert mit ’netto null 2050′. An einer Tagung vom 28. August präsentierte Dr. Christian Schaffner, Direktor des ESC, diese Grafik (eigene Aufnahme):

Dr. Schaffner erklärte mir im persönlichen Gespräch, es handle sich bei den beiden Säulen rechts um ein plausibles Szenario. Das ESC hält offenbar ein kernenergiefreies Szenario für plausibel, bei dem der gesamte Stromverbrauch nicht sehr stark ansteigt, die fossilen Brenn- und Treibstoffe durch irgendwelche Negativemissionen kompensiert werden und die absehbar notwendigen Importmengen im Winter hinter einem Pauschalausdruck für Nettoimporte über das ganze Jahr versteckt werden.

Immerhin waren an dieser Tagung mit viel schweizerischer Energieprominenz in einigen Referaten und im persönlichen Gespräch doch Andeutungen unüberhörbar, dass das Neubauverbot für AKW aufgehoben werden sollte. Schliesslich handelt es sich bei vielen Teilnehmern an dieser jährlich stattfindenden Tagung um Fachleute. Und die wissen auch, dass die ‚Leuthard-Sommaruga-Energiewende‘ kombiniert mit ’netto null 2050′ selbst mit Unterstützung des ESC niemals funktionieren kann.

(Dieser Beitrag wurde am 30. August 2025 im Blog des Autors “Voll daneben” publiziert.)

Facebooktwitterlinkedinmail

Dies ist ein Blog von Autoren, deren Meinungen nicht mit denen von CCN übereinstimmen müssen.

4 thoughts on “Solarenergie – auch nicht das Gelbe vom Ei”

  1. Bei den alpinen Anlagen gibt es einen Riesenaufwand an Material und Verankerung, um die hoch genug über den Schnee zu stellen und stark genug gegen Stürme zu sichern. Die Energiebeilanz über die Lebensdauer – schon bei normalen Anlagen erbärmlich – dürfte darum nahezu null sein.

  2. Bei AKW können Umweltverbände schwerlich einen Käfer oder die schöne Aussicht geltend machen, um sie zu verhindern. Das ist wohl auch ein Grund, warum sie die AKW fürchten. NGO werden mit dem Wegfall des Verbots an Bedeutung, Einfluss und Geld verlieren.

  3. • Flatterenergie im Sommer erzeugt negative Strompreise, d.h. die Werke müssen für die Einspeisung bezahlen, ja sogar bestehende Wasserlaufkraft in den Leerlaufmodus stellen.
    • Damit werden unsere bestehen Wasserkraft- und Kernenergieanlagen konkurrenziert, d.h. es entsteht ein volkswirtschaftlicher Schaden.
    • Zudem wird die Flatterenergie massiv subventioniert. Wie die Studie «Enerprice» aufzeigt (siehe Beilage), betragen die Subventionen für: Einmalvergütungen, Mindestvergütungen und Herkunftsnachweise im Jahre 2024 rund 600 Millionen. Bis 2035 steigen diese jährlichen Subventionen auf 1,4 Milliarden Franken an. Aufsummiert bis Ende 2035 ergibt dies ca. 13 Milliarden.
    • Gleichzeitig müsste das bestehende Stromnetz bei einer zukünftigen Versorgung mit ausschliesslich erneuerbaren Energien massiv um- und ausgebaut werden, um das Netz stabil zu halten und Stromzusammenbrüche zu vermeiden.
    • All diese Kosten werden auf uns Strombezüger überwälzt, was auch der Industrieproduktion schadet. (siehe Deutschland mit den höchsten Stromkosten in Europa).

Schreiben Sie einen Kommentar

Bitte beachten Sie: Kommentare sind auf 2000 Zeichen begrenzt.