Der „zivilgesellschaftliche“ NGO-Komplex

Der folgende Text könnte die Leserschaft ein wenig spalten. Wer nicht einverstanden ist und kritische Einwände machen will, kann gerne das Kommentarfeld unten benützen.

Den Anstoss zu diesem Text gaben Meldungen, economiesuisse, der Dachverband der Wirtschaft, wolle mit seiner Aktion WOW ein wirtschaftsfreundliches Kampagnen-Gegengewicht zum erfolgreichen links-grün dominierten Kampagnen-Kartell anstossen. Man will den Anspruch, die „Zivilgesellschaft“ zu vertreten, nicht einseitig dem links-grünen Lager überlassen. Auf der Webseite von economiesuisse steht als Zielsetzung, eine langfristig angelegte Kampagne solle den Wert einer starken Wirtschaft wieder deutlicher ins öffentliche Bewusstsein rücken. Vom visuellen Auftritt her haben sich die Zuständigen bei economiesuisse offenbar von erfolgreichen wirtschaftskritischen NGO inspirieren lassen.

Beginnen möchte ich in DeutschlandDort gab es jüngst grosse Aufregung um eine Kleine Anfrage der CDU vom letzten Februar, als die CDU im Bundestag noch Oppositionspartei war. Ich zitiere dazu ‚beck-aktuell‘: In der Anfrage erkundigt sich die Union, welche gemeinnützigen Körperschaften mit Bundesmitteln gefördert wurden. Es folgen Fragen zu Aktionen, Spenden und politischen Verbindungen unter anderem zu „Omas gegen Rechts“, Campact, Amadeu Antonio Stiftung, Foodwatch, Deutsche Umwelthilfe, Greenpeace und der Journalisten-Organisation Netzwerk Recherche.

Der „Kampf gegen rechts“ als Kitt
Wer wissen will, aus welchem Umfeld die meisten Begünstigten der herrschenden Zustände stammen, braucht sich nur anzusehen, welche Parteien am lautesten gegen die Kleine Anfrage der CDU aufgeheult haben. Dazu ‚beck-aktuell‘: Die Anfrage war bei Grünen, Linken und auch bei der SPD…. auf scharfe Kritik gestossen.

Auch bei den namentlich in der Anfrage genannten NGO reagierte man umgehend mit scharfen Worten und den üblichen Übertreibungen. Als Beispiel hier die Amadeu Antonio Stiftung: „Das Ziel dieser parlamentarischen Anfrage ist es, die Förderwürdigkeit der betroffenen Organisationen infrage zu stellen. Damit sollen NGOs in ihrer Handlungsfähigkeit eingeschränkt und sie mundtot gemacht werden“, sagte Timo Reinfrank, Geschäftsführer der Amadeu Antonio Stiftung… Zivilgesellschaftliche Organisationen bilden das Bindeglied zwischen Staat und Gesellschaft. Sie tragen zur demokratischen Aufklärung, Willensbildung sowie Konfliktaustragung bei. In Zeiten rechtsextremer Landnahme ist Zivilgesellschaft kein Luxus, sondern Notwendigkeit.

Dass sogenannte Nichtregierungsorganisationen von der Regierung Steuergeld erhalten, ist an sich schon ein Widerspruch. Ganz unbescheiden beanspruchen diese NGO zudem, fast durchwegs aus dem links-grünen Spektrum, „die Gesellschaft“ zu vertreten bzw. die „Zivilgesellschaft“ zu repräsentieren. Tatsache ist, dass diese selbsternannte NGO-Zivilgesellschaft bei weitem nicht das politisch-ideologische Meinungsspektrum der Bevölkerung abbildet. NGO sind demokratisch nicht legitimiert, auch intern nicht überall demokratisch strukturiert. Das kann zum Beispiel bedeuten, dass wichtige Entscheidungen oder Aktionen von der NGO-Leitung, je nach Rechtsform, ohne eine jeweilige Basisbefragung beschlossen werden.

Die Selbstermächtigung zum Handeln wird moralisch mit dem „Kampf gegen rechts“ überhöht. Dieser Kampf kann auch die unter Merkel zur Mitte-Partei mutierte CDU treffen und gelegentlich ausarten. Zum Beispiel, wenn im Bundestag die AfD einem (formell nicht einmal bindenden) Antrag der CDU zustimmt, wie im Februar geschehen. Dann können durchaus auch gewalttätige und widerrechtliche Besetzungen von CDU-Parteibüros drinliegen, unter Beteiligung von steuerfinanzierten NGO.

SPD-kompatible Antworten
Da die CDU inzwischen mit der Wahlverliererpartei SPD eine Koalitionsregierung bildet, kam die Beantwortung der 551 Fragen zur einseitigen staatlichen NGO-Förderung aus der Ampel-Zeit der CDU etwas ungelegen. Man geht kaum fehl in der Annahme, dass der linke Koalitionspartner dafür besorgt war, dass der Inhalt SPD-kompatibel ausfiel. So sieht denn auch Antwort der Regierung aus.

Der Umfang der Beantwortung (83 Seiten) steht gleichsam im umgekehrten Verhältnis zum Informationsgehalt. Es wimmelt von allgemeinen Floskeln, teils fast wie aus der NGO-Welt abgekupfert. Schon eine geradezu „steinmeiersche“ moralingetränkte Vorbemerkung zur Antwort der Bundesregierung verströmt diesen Geist: „Der freiheitliche demokratische Verfassungsstaat lebt von zivilgesellschaftlichem Engagement für ein friedliches und respektvolles Zusammenleben und dem Einsatz gegen menschen- und demokratiefeindliche Phänomene.“ In welchem anderen demokratischen Land hält es die Regierung für nötig, solche Phrasen zu dreschen, um sich zu vergewissern, dass mit „dem Einsatz gegen menschen- und demokratiefeindliche Phänomene“ die Demokratie verteidigt wird?

Nach diesem langen Vorspann über deutsche Verhältnisse machen wir nun einen Sprung über den Rhein in die Schweiz. Wie sieht die NGO-Welt hierzulande aus?

Schlagkräftige Kampagnenorganisation im linken Spektrum

Das links-grün dominierte NGO-Kampagnen-Kartell am Beispiel der Konzernverantwortungsinitiative 2.0
(kopiert von der Webseite der Initianten)

Für die zweite Konzernverantwortungsinitiative sammelten die Initianten nach eigenen Angaben im Zeitraum von wenigen Tagen über 180’000 Unterschriften. Am Schluss waren es bei der Einreichung der Initiative 287’000. Selbstverständlich sahen die Initianten darin einfach den Beweis, dass ihr Anliegen in der Bevölkerung sehr populär ist. Die Realität ist ein wenig vielschichtiger:

  • Erstens ist das links-grüne Kampagnen-Kartell in jeder Hinsicht sehr professionell organisiert und nutzt alle verfügbaren technischen Möglichkeiten, unter anderem das Tool „WeCollect“ zur digitalen Unterstützung von Unterschriftensammlungen. Als die Unterschriftenkampagne begann, schwärmten nach Angaben auf der Webseite des Initiativkomitees rund 10’000 Freiwillige hinaus zur Jagd auf Unterschriftswillige.
  • Zweitens eignet sich das Thema „Konzernverantwortung“ hervorragend für eine emotionalisierende Kampagne mit Skandalgeschichten, die jegliche Ausgewogenheit in der Beurteilung von Auslandsaktivitäten der üblichen Bösewichte (Glencore!) vermissen lässt. Die Abhängigkeit vieler NGO von Spenden fördert die Emotionalisierung. Allein schon das Schlagwort „Konzern“ löst bei vielen Leuten spontan Abwehrreflexe aus. Deshalb ist es in dieser Kampagnenszene so beliebt.
  • Drittens sind die Zeiten klammer Finanzen bei Akteuren im linken politischen Spektrum längst vorbei. Die NZZ berichtete, dass die Initianten bei der Konzernverantwortungsinitiative gemäss Schätzungen ein Millionenbudget hatten.
  • Viertens erhöht eine „soldatische Geschlossenheit“ (Michael Hermann) der politisch-ideologischen Positionen auf Seite linker Parteien und Verbände deren Schlagkraft. Abweichlertum – zum Beispiel pro Kernenergie oder für die Grüne Gentechnik – ist weitgehend unbekannt.
  • Fünftens liefert der Sammelerfolg für die zweite Konzernverantwortungsinitiative einen Hinweis darauf, dass die seit Jahrzehnten geltende Zahl von 100’000 Unterschriften für Volksinitiativen unter heutigen demografisch und technisch völlig veränderten Bedingungen viel zu tief liegt. Ich hatte in einem früheren Beitrag eine Erhöhung auf vier Prozent der Stimmberechtigten vorgeschlagen.

Meinungsbildung: Problematische Asymmetrie
Eine vergleichbare Kampagnenorganisation, kombiniert mit dem typischen missionarischen Engagement im linken politischen Spektrum, ist auf nicht-linker Seite nie zustande gekommen. Wer mit den Zielen und Aktivitäten einer links-grünen Politik sympathisiert, sieht darin natürlich kein Problem. Man sollte aber zumindest anerkennen, dass diese Asymmetrie demokratiepolitisch problematisch ist, weil sie sich in die Bildung der öffentlichen Meinung überträgt. Bekanntlich sympathisieren von den Personen an den Schalthebeln der politischen Meinungsbildung (Medien, staatliche Verwaltung, NGO, Hochschulen, Schule/Bildung, zunehmend auch an Gerichten) gemäss verschiedenen Umfragen rund drei Viertel mit links-grünen Parteien.

Das gilt speziell auch für unsere SRF-Kanäle. Hier nur ein jüngstes Muster mehr oder weniger subtiler Verzerrung: Kürzlich berichtete der Radiokanal SRF info über einen von einem peruanischen Bauern angestrengten Prozess gegen den deutschen Energiekonzern RWE (!), selbstverständlich angestossen und in jeder Beziehung unterstützt von mehreren Umwelt-NGO. Die Klage wurde zwar abgelehnt, aber auf SRF info kam dann ein Vertreter der Umwelt- und Entwicklungs-NGO germanwatch zu Wort, der eloquent ausführte, warum solche Prozesse gegen einzelne Unternehmen absolut gerechtfertigt sind und auch künftig zum Kampfarsenal gegen klimaschädliches Verhalten gehören. Auf eine Gegenstimme verzichtete SRF info, auf einen einordnenden eigenen Kommentar ebenfalls. Der Aktivist von germanwatch hatte quasi das letzte Wort.

In Bezug auf die Schlagseite der SRF-Kanäle ist die politische Herkunft der Widerstände gegen selbst eine moderate Senkung der serafe-Empfangssteuern vielsagend. Darüber kann sich jede(r) selbst informieren und die passenden Schlüsse ziehen.

(Dieser Beitrag wurde am 18. Juni 2025 im Blog des Autors “Voll daneben” publiziert.)

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2 thoughts on “Der „zivilgesellschaftliche“ NGO-Komplex”

  1. Ich finde der Artikel ist sehr lesenswert. Ich befürchte, es wird sich nichts ändern, aus verschiedenen Gründen. Danke

    1. Ich teile Ihre Befürchtung. Das eidgenössische Institutionengeflecht ist unverrückbar fest etabliert. Wer referendums- und initiativfähig ist, muss sich keine Sorgen um seinen Macht- und Einflussstatus machen.

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