Wir müssen auf die Marktkräfte setzen

Referendum.jpgZur Einreichung des Referendums gegen die Energiestrategie 2050​Lesen Sie auch den Beitrag von Michel de Rougemont in dessen MR’s Blog:Loi sur l’énerg…

Zur Einreichung des Referendums gegen die Energiestrategie 2050

Die Atomausstiegs-Initiative (AAI) und das Referendum gegen die Energie­strategie 2050 (ES 2050) sind zwei ­verschiedene Paar Schuhe, weil es bei der AAI nur um die emotionale Frage «Atomstrom Ja oder Nein» ging, während die ES 2050 den ganzen Energiesektor planwirtschaftlich umkrempeln will. Deshalb stehen jetzt – endlich und erstmals – die wirtschaftlichen Kon­sequenzen im Zentrum. 

Dabei darf man nicht nur die jetzt referendumsfähige Phase 1 unter­suchen, sondern muss das Endziel der Wende im Auge behalten.Wer ­dieses ablehnt, sollte logischerweise die erste Chance nutzen. Die direkten Kosten der ES 2050 sind schwer auf eine einzige Zahl zu reduzieren, weil viele Unsicherheiten über die Preis­entwicklungen, die technischen ­Fortschritte und die politischen ­Beziehungen zur EU bestehen. 

Aber die ­Grössenordnung der ­Mehrkosten von 3200 Franken pro Jahr für eine vierköpfige Familie ist sicher viel realis­tischer als die offizielle Angabe von 44 Franken durch Bundesrätin Doris Leuthard oder gar die ­Verneinung auch nur von einem ­Rappen Mehrkosten durch National­rätin Kathy Riklin. 

Es lässt sich leicht zeigen, dass mit steigendem Anteil von «Flatterstrom», also Strom aus Solar- oder Wind­energie, die Verbraucherpreise ten­denziell überproportional ansteigen. Die Strompreise in Deutschland oder Dänemark sind heute schon doppelt so hoch wie in Frankreich und dreimal so hoch wie in den USA. Eine deutsche Studie zeigt, dass allein die kosten­deckende ­Einspeisevergütung bis Mitte der 2020er-Jahre gegen 600 Milliarden ­Franken auffressen wird. Wenn wir als zehnmal kleinere Schweiz dem deutschen «Vorbild» blindlings nach­eifern, landen wir bei etwa 60 Milliarden – nur für die Förderkosten bis 2035. 

Weil in jedem Monat selbst in Deutschland zu etwa einem Drittel der Zeit praktisch kein Solar- und Windstrom ins Netz geht, müssen gewaltige Überkapazitäten für deren Produktion sowie zusätzliche Investitionen für ­Pufferung, Speicherung und Netzausbau realisiert werden. Mit anderen Worten, man wird gezwungen, Investitionen zu finanzieren, die man ohne ES50 gar nicht tätigen müsste und die niemals rentabel werden können. 

Bei Pumpspeicherwerken beträgt das Verhältnis von Rückgewinnung zum Verlust bestenfalls 80 zu 20 Prozent, bei chemischen Umwandlungen – wie etwa bei «Power-to-Gas-to-Power», also «Strom zu Energie zu Strom» – ist es gerade umgekehrt. Technisch ist fast alles machbar, aber wirtschaftlich bleibt das allermeiste hoffnungslos, was schon physikalisch einen ­schlechten Wirkungsgrad aufweist. 

Kein Grund zur Eile

Die ES 2050 hat zudem auch aso­ziale Verteilungswirkungen auf Mieter, KMU und langfristig auch die Steuerzahler. Diese vielen Verlierer bekommen aber erst in einer Volksabstimmung eine Chance, weil sich die relativ wenigen Profiteure in Parlament und Verwaltung fast problemlos durch­setzen können. Die Ablehnung der ­Energiesteuer im Kanton Basel-Landschaft vom November hat gezeigt, dass die wenigen Privilegierten in einer Volksabstimmung sogar ­deutlich zu überstimmen sind – selbst wenn (oder gerade weil) sie die ganze Verwaltung und den Kantonsrat zuvor über den Tisch ziehen konnten. 

Sonne und Wind sind schon aus heutiger Sicht «veraltete Technologien», die gesamtwirtschaftlich weder die Beschäftigung und schon gar nicht die entscheidende Produktivität von Arbeit und Kapital positiv beeinflussen können. Entscheidend für das Wachstum sind die innovationsgetriebenen und marktgesteuerten Produktivitätssteigerungen und nicht die Zahl der planwirtschaftlich geschaffenen Arbeitsplätze. Die ES 2050 ist aber auch bezüglich Forschung und ­Entwicklung kontraproduktiv, weil die ­Forschung politisch in Richtungen mit unüberwindbaren physikalischen und ökonomischen Grenzen gelenkt wird. 

Technologieverbote sind einer ­offenen und freien Gesellschaft unwürdig und werden dem Forschungs- und Entwicklungsstandort Schweiz schwer schaden. Und zuletzt bleiben Fehl­investitionen Verluste, selbst wenn das falsch investierte Geld «hier bleibt». Denn die Kosten von 250 Franken pro vermiedene Tonne CO2 (wie für BL nachgewiesen) müssen von uns allein getragen werden – und erst noch mit einem Null- oder gar Negativeffekt auf den globalen CO2-Ausstoss. 

Das Referendum muss durchkommen, und zwar aus folgenden Gründen: 

Es besteht kein Grund zur Eile. Schweizerische Alleingänge sind für uns schädlich und die Umwelt oder das Klima irrelevant, wenn nicht gar ­schädlich. Alle Optionen müssen offengehalten und vorurteilsfrei analysiert werden, insbesondere neue Nuklear-­technologien und gasbetriebene ­Wärme-Kraft-Koppelungs-Anlagen. Wir müssen auf die Marktkräfte setzen. Die Verluste in zweistelliger Milliardenhöhe der staatlichen und staatsnahen Branchen-­Leader sind so gesehen auch eine Chance. Eine volle Liberalisierung würde auch die jetzt so verwöhnten Monopol-Verteiler zu mehr Effizienz oder gar zur Aufgabe zwingen.

Publiziert in der Basler Zeitung vom 19. Januar 2017
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2 thoughts on “Wir müssen auf die Marktkräfte setzen”

  1. Frau NR Riklin hat sich beklagt, ihre Aussage betreffend Mehrkosten der Energiestrategie sei von Silvio Borner aus dem Zusammenhang herausgerissen worden. Darum hier der Herkunftsnachweis mit Zusammenhang:

    20 Minuten online vom 30. November 2016
    http://www.20min.ch/schweiz/news/story/31687373

    Auszug: “Dank effizienterer Wärmeproduktion, Maschinen, Autos und besser isolierten Häusern werde man Ende Monat sogar mehr Geld im Portemonnaie haben. Zum Energiesparen trügen auch neue Arbeitsmodelle wie etwa Home-Office bei. Man müsse die Kosten im Verhältnis sehen: «Strom kostet Schweizer Bürger etwa zehnmal weniger als die Krankenkasse.» [b]Unter dem Strich werde die Energiestrategie «keinen Rappen mehr kosten» als die jetzige Energieproduktion[/b].” (Hervorhebung durch CCN.)

  2. Effizientere Wärmeproduktion, energieeffizientere Maschinen und Autos und energiesparende Häuser bedingen hoher Investitionen und zudem eventuell des Vorzeitigen Ersatzes alter Mobilien und Immobilien. Es zeigt sich im Massnahmenpaket I der Energie”strategie” 2050, dass die Verbraucher diese Investitionen und weitere Kosten, die damit zusammenhängen,sowie auch allfällige Nutzeneinbussen (Suffizienz) nich ohne Zwang oder ohne Subventionen auf sich nehmen wollen. Damit zeigt sich, dass die Aussage von NR Riklin auf jeden Fall nicht zutreffend sein kann.

    Hätte Ricklin recht, dann wäre die Energie”strategie” ein Selbstläufer. Die Politik könnte sich gemütlich zurücklehen oder anderen Problemen zuwenden.

    Vor einigen Tagen ist das Weissbuch #3 der staatlichen Energieforschung SCCER-CREST herausgekommen. Es kommt zum Schluss, dass neue erneuerbare Energien über die Phase I (nach Ablauf der KEV) weiter vom Bund bezuschusst werden müssen, will man verhindern, dass nach Abschaltung der KKW der fehlende Strom einfach als Dreck- oder Atomstrom aus Nachbarländern importiert werden muss.

    http://www.sccer-crest.ch/media-news/article/s/white-paper-3/

    Damit dürfte klar sein, dass die Riklin-Aussage jeglicher Grundlagen entbehrt!

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