Wasserstoff Mobilität als Irrweg

batterie_20190525-164420_1.pngDIE AUSWEGE AUS DER SACKGASSE VON GIORGIO BEHR SIND LEIDER IRRWEGE Von Silvio Borner und Bernd SchipsGiorgio Behr verweist in seinem Gastbeitrag in d…

DIE AUSWEGE AUS DER SACKGASSE VON GIORGIO BEHR SIND LEIDER IRRWEGE

Von Silvio Borner und Bernd Schips

Giorgio Behr verweist in seinem Gastbeitrag in der NZZ vom 21.5. zu Recht auf Mängel der batterieelektrischen Mobilität.
Er propagiert deshalb elektrisch angetriebene Fahrzeuge, die den Strom aus Wasserstoff in einer Brennstoffzelle im Fahrzeug erzeugen. Ein solcher Wandel in der Antriebstechnik «erlaubt es der Schweiz, den CO2-Ausstoss des Privatverkehrs rasch zu eliminieren, ohne zusätzlichen Bedarf an elektrischer Energie….Man löst das Speicherproblem, ohne neue Abhängigkeiten vom Ausland zu schaffen…Der Trennprozess ist zwar energieintensiv, er kann aber mithilfe überschüssiger Energie erfolgen (Zitat Behr)».
Für Behr ist die eingesetzte Energie daher «kostenlos» und die Energieeffizienz «irrelevant». Das riecht nach einem «Free Lunch», den es bekanntlich nicht gibt.
Überschüssiger, nicht direkt nachgefragter Strom aus Photovoltaik- und Windkraftanlagen ist ohne Speichermöglichkeiten wertlos. Aber auch die Produktion des überschüssige Strom verursacht Kosten (trotz der gegen Null tendierenden Grenzkosten der Stromerzeugung), ist also nicht «gratis». Solange auch nicht direkt nachgefragter Strom subventioniert wird, ist diese Stromproduktion volkswirtschaftlich sogar besonders kostspielig. Selbst wenn Speichermöglichkeiten bestehen, können temporäre Überschüsse aus der Stromproduktion witterungsabhängiger Anlagen (Flatterstrom) nicht zweimal genutzt werden. Entweder speichert man sie für die kurzfristige Pufferung oder für die saisonale Stabilität des Stromnetzes. Man kann diese Überschüsse auch nutzen, um mit Elektrolyse Wasserstoff oder nach Methansierung des Wasserstoffs mit CO₂ Brenn- und Treibstoffe erzeugen.Die Verwendung des überschüssigen Stroms zur Erzeugung von Wasserstoff verursacht extrem hohe Opportunitätskosten für die Netzstabilität. Wenn die Sicherheit der Stromversorgungprekär werden wird – womit leider künftig zu rechnen ist – sollten nach dem Verzicht auf den Bau neuer KKW in der Schweiz alle temporären Überschüsse via Pumpspeicherwerke oder Batterien für das Stromnetz reserviert werden. Sollten Speichermöglichkeiten allerdings fehlen, dann muss der benötigte Strom mit inländischen Gaskraftwerken produziert oder aus dem Ausland importiert werden.

Wenn wir den Privatverkehr elektrifizieren wollen, sei es direkt via Batterien oder indirekt via Elektrolyse mit Wasserstoff in einer Brennstoffzelle im Fahrzeug erzeugtem Strom, wird der Strombedarf deutlich zunehmen. Behr geht für die Batterielösung von einem Anstieg des Strombedarfs um 20 – 25 % aus. Bei einer Verwendung des via Elektrolyse erzeugten Wasserstoffs in Verbrennungsmotoren oder für Produktion synthetischer Treibstoffe sind auch die effizienzmindernden Verluste durch die zusätzlichen Umwandlungsschritte zu berücksichtigen und werden den Zusatzbedarf wesentlich erhöhen.

Statt temporären «Überschüssen» entstünden bei einer flächendeckenden Umsetzung des Vorschlags von Behr permanente «Lücken». Behr macht also je einen krassen Carnot- und Cournotfehler. Solange Strom knapp ist (und er dürfte künftig wohl eher noch knapper werden), sind Energieeffizienz bei den Umwandlungsprozessen (Carnot) und die Opportunitätskosten der Wasserstofferzeugung via Elektrolyse (Cournot) unbedingt zu beachten.

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6 thoughts on “Wasserstoff Mobilität als Irrweg”

  1. Zumindest hierzulande sollten diejenigen, welche an den anthropogenen Klimawandel glauben, bedenken, dass die Schweiz, weil sie nur 0.1% des weltweiten anthropogenen CO2-Ausstosses verursacht und beeinflussen kann, den anthropogenen Klimawandel nicht verhindern, sondern nur um knapp 6 Tage verzögern kann, falls sie ihren CO2-Ausstoss ab SOFORT linear bis 2050 auf NULL herunterfährt. Das wird ihnen sogar Herr Knutti bestätigen müssen. Angesichts der Geringfügigkeit dieses lediglich erhofften, aber keinesfalls erwiesenen Nutzens sollte man daher zunächst lediglich versuchen, das Stromnetz zu dekarbonisieren, bevor man die Gebäudeheizung und die Mobilität durch Elektrifizierung dekarbonisiert. Weil die Dekarbonisierung des Stromnetzes, welche einer CO2-freien Elektrifizierung weiterer Energiebereiche zwingend VORANGEHEN muss, zumindest während längerer Dunkelflauten (ohne Atomstrom) weder beim heutigen noch beim heute absehbaren Stand der Technologien mit einem ausreichenden Erntefaktor realisierbar ist, sollte man jedweden Technologiestreit verschieben, bis ein vollständig dekarbonisiertes Stromnetz am St. Nimmerleinstag vorhanden sein wird. Dabei muss man auch noch berücksichtigen, dass Technologieoffenheit für die nicht schienengebundene Mobilität und die Gebäudeheizung bedeutet, dass man die für fossile Treibstoffe bereits bestehende Infrastruktur durch neue Infrastrukturen sowohl für Elektrofahrzeuge als auch für Wasserstofffahrzeuge als auch für Methanfahrzeuge als auch für Wärmepumpen erst noch ausbauen müsste, was deren Erntefaktor im Vergleich zu bereits implementierten Technologien weiter herabsetzt.
    Es gibt leider allzu viele Professoren und Unternehmer, welche einen sehr kleinen kognitiven Fussabdruck hinterlassen und deshalb auf den Zehenspitzen durchs Leben gehen können.

  2. wie teuer sind Anlagen, die nur mit ein wenig Überschussstrom laufen?
    Und was ist am Strom Überschuss? Die Solar/ Windanlagen kWh werden nach maximaler Nutzung gerechnet. Also gibt es finanziell keinen Überschuss/ Gratisstrom

  3. Unter http://www.iceland.de/?id=698 kann man nachlesen, dass Island, wo der zur Wasserstofferzeugung benötigte Strom komplett aus Wasserkraft und Erdwärme gewonnen werden könnte, und wo insgesamt 6 Tankstellen zur Versorgung der gesamten Ringstrasse um die Insel ausgereicht hätten, ein im Oktober 2003 begonnenes einschlägiges Versuchsprogramm mit Brennstoffzellen-Bussen inzwischen eingestellt hat.

  4. Wir haben in der Schweiz grosse Seen und viele Flüsse und werden ab und zu als Wasserschloss Europas bezeichnet. Aber auch in der Schweiz im Sommer, wenn die PV-Produktion am höchsten ist, ist Wasser kostbar. Der geplante Ausstieg aus der Kernenergie und Ersatz durch PV und Wasserstoff bleibt eine schöne Vision, die mit grosser Wahrscheinlichkeit spätestens in 10 Jahren (oder früher aufgrund Stromblackouts in Europa) korrigiert wird. Bis dann haben hoffentlich die Asiaten und die Amerikaner neue Reaktorkonzepte entwickelt, die wir mit grosser Dankbarkeit prüfen werden. Und die Russen werden bereit sein uns den benötigten Erdgas vielleicht doch zu liefern, wenn wir die Annexion der Krim anerkennen!

  5. Es muss mir mal jemand erklären, wie der sogenannte “Überschusstrom”, der ja noch viel flatterhafter anfällt, für Produktionsanlagen für Wasserstoff genutzt werden soll, wenn die Produktionsanlagen -wie jede verfahrentechnische Anlage – auf eine unterbrechungsfreie Stromzufuhr angewiesen sind. Stotterbetrieb, wenn mal zuviel Sonne scheint oder der Wind zu stark weht, mögen solche Anlagen nicht (Verschleiss, Wirkungsgradverlust wegen Nichteinhaltung der notwendigen Prozesstemperatur etc.). Der Grüne Energiewender wird natürlich sagen, “bei zu geringen Stromproduktion aus Sonne und Wind bezieht man einfach Ökostrom aus dem benachbarten Wasserkraftwerk”. Muss ich das noch kommentieren? Doch: Erinnert mich an Münchhausen, der sich am eigenen Haarschopf aus dem Sumpf zog. Sind wir schon mitten in Schilda?

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