Vom langfristigen Misserfolg des Etatismus und des Sozialismus

Die klassische Dreiteilung des parteipolitischen Spektrums in «rechte Konservative», «mittlere Liberale» und «linke Sozialisten bzw. Sozialdemokraten» erschwert die Diskussion zwischen jenen «Flügeln», Gruppierungen und Individuen, welche sich durch dieses Schema gar nicht abbilden lassen. Wer von Hegels Trennung von Staat und Gesellschaft ausgeht, müsste zu einer anderen Einteilung kommen kommen. Erstens gibt es die linken und rechten Totalitaristen verschiedenster Couleurs und Provenienz, welche eine Trennung von Staat und Gesellschaft grundsätzlich ablehnen. Sie erwarten eine Vermenschlichung des Staates durch eine Verstaatlichung des Menschen. Zweitens gibt es die Etatisten, welche das Heil vom Staat (vom politischen System, das über ein Zwangsmonopol verfügt) erwarten, aber einen zivilgesellschaftlichen Restbereich tolerieren und drittens gibt es die Anti-Etatisten, welche das Heil von der Zivilgesellschaft erwarten, aber ein Minimum an politischen Strukturen doch für notwendig halten. Die Bezeichnung Anti-Etatisten ist unglücklich, da Begriffe, welche sich nur durch eine Negation charakterisieren, im ideengeschichtlichen Diskurs und im politischen Prozess ihre Schwächen haben. Eine vierte Gruppe bilden die Anarchisten, welche jeden Staat prinzipiell ablehnen.

Unter den Anti-Etatisten wären möglicherweise zwei Subgruppen zu unterscheiden, die entweder an ein Primat des Wirtschaftlichen oder an ein Primat des Gesellschaftlichen glauben. Eigentlich müssten sich die Gesellschaftsbefürworter, d.h. jene, welche von einem «Primat der Gesellschaft» überzeugt sind, korrekterweise als «Sozialisten» im Sinn von «Gesellschaftlern» bezeichnen. Dieser Begriff ist aber in der Ideen- und Parteiengeschichte bereits anderweitig «besetzt», und es scheint heute, als wäre er ziemlich fest und definitiv in der Hand der wohlfahrtsstaatlich-interventionistischen Etatisten und der grundsätzlichen Kritiker eines marktwirtschaftlichen Kapitalismus. Für mich selbst basiert die Gesellschaft auf dem Prinzip des freiwilligen Tauschs, d.h. auf dem «homo oeconomicus», der moralisch weder gut noch böse ist, sondern eine Mischung, in welcher Optimisten eine leichte Tendenz zum Guten vermuten. Das, was unmenschlich, verlogen und generell schädlich ist, ist auf die Dauer nämlich auch nicht rentabel. Tauschen und Lernen sind miteinander vernetzt. Als Tauschende, vielfältig Kommunizierende sind wir permanent in einer Lebensschule, in der Erfolge generell belohnt und Misserfolge bestraft werden. «Beschiss lohnt sich nicht», wissen schon Kinder.

Mein Ideal ist der «homo oeconomicus cultivatus». Inwiefern der tauschende Mensch durch zwingende Gesetze tatsächlich verbessert und kultiviert werden kann, bleibt für mich eine offene Frage. Die Beweislast liegt bei jenen, die kollektiven Zwang für unverzichtbar halten. Marx hoffte in seinem anthropologischen Fehlkonzept, dass sich die Mehrheit der Menschen nach einer Zwangsphase der Diktatur der Guten als Resultat dieser Zwangskur extrinsisch oder intrinsisch von selbst zum Guten hin entwickeln werde, worauf sich seine Hoffnung auf ein «Absterben des Staates» in der Phase des Kommunismus richtete. Das philosophisch und anthropologisch abstruse Konzept ist bisher weltweit nicht nur gescheitert, es hat das Gegenteil des Beabsichtigten und des Prognostizierten bewirkt. Die Menschen sind in totalitär sozialistischen Staaten generell egoistischer geworden, und sie haben die intrinsisch vorhandenen oder traditionell vermittelten mitmenschlichen Werte mehrheitlich schrittweise verlernt. Staatlicher Zwang zerstört mehr an gutem Willen als er an bösem Willen zu verhindern vermag. Aber möglicherweise gibt es doch so etwas wie einen notwendigen Minimalzwang zur Verhinderung des abgrundtief Schlechten und Bösen durch einen minimalen Rechtsstaat, der die Mehrheit der korrekt Tausch- und Lernwilligen (mit ihrer generell vorhandenen Mischung von Egoismus und Altruismus) vor der rein egoistischen Aggressivität von Räubern, Mördern und Psychopathen  schützt. 

«Pax hominibus bonae voluntatis».

Robert Nef

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2 thoughts on “Vom langfristigen Misserfolg des Etatismus und des Sozialismus”

  1. Lieber Robert Nel, das ist ja ein interessanter text von ihnen, der am Ende auch zu dem fuer mich richtigen Kern vordringt. Egoismus. Der theoretische gegenpol: Communismus, der Gemeinschaft sich verpflichtend. Das ist jetzt keine moral/ethische Perspektive, sondern eine rationale. Wir als Individuen koennen nur in der Gemeinschaft existieren. Wie gross diese sich geografisch ausbreitet, ist unwesentlich. Ob wir dafuer kopfgeburtige Konstruktionen wie Staatsapparate brauchen, ist erst mal offen.

    So komme ich dazu, die geschichte der Menschheit als gepraegt von dieser Polaritaet zu begreifen: Egoismus versus Communismus. Das Mein/Mir gegen das Uns/Wir. Und soweit mein Auge reicht, durchzieht es alle Reflektionen und Analysen in unserer Geschichte schriftlicher Dokumente.

    Herrschaftsstrukturen sind nur darueber erklaerbar, weil dies die Energie ist, die die menschlichen Motoren antreibt. So verliert sich der Unterschied von Feudalismus ueber repraesentative Republik bis zum entfesselten Finanzkapitalismus. Alle diese Formen sind nur aus einer privaten Aneignung gemeinschaftlicher Ressourcen zu erklaeren. Und alle inneren Gewaltapparate nur aus seiner Erhaltungsfunktion dieses legitimierten Raubs an den Gemeinschaften.

    Aber damit sind wir beim Konstrukt Staat angekommen. Das wichtigste Instrument zur Erhaltung des privaten Raubs an den Gemeinschaften. Geschaffen von den Eliten, fuer die Eliten, gegen die Bevoelkerung. Roemische Staatstheorie, wesentlich zusammengefasst von Cicero.

    “Für mich selbst basiert die Gesellschaft auf dem Prinzip des freiwilligen Tauschs ..”. Und was soll getauscht werden?

    Diese Frage fuehrt uns zur basis jeder Gesellschaft. Die Herstellung unserer materiellen Lebensgrundlagen. Ein Tausch ist nur dann notwendig, wenn etwas fehlt, was notwendig ist. Den “Tausch aus Lust und Spass” lassen wir jetzt einfach mal weg.
    Maekte waren frueher Treffpunkte von Produzenten. Heute sind es Sammelplaetze von Konsumenten, die selbst nie produktiv taetig sind.

    Wenn wir ueber die Grundlagen menschlicher Gemeinschaften reden, dann sollten wir uns von dem ganzen Unfug abloesen und nur das notwendige betrachten. Dann wird es einfach.

    Die tragenden Gruppen jeder menschlichen gesellschaft sind: die Bauern, die Handwerker und die Techniker. Al viertes kaemen die Ingenieure. Weil aber Ingenieure Personen sind, die ein tiefes theoretisches Verstaendnis der gesetze der Natur mit tiefer praktischer Erfahrung verbinden, wenden wir es auf diese 3 Gruppen an und die 4. loest sich auf.

    Bauern, die Landwirte, kuemmern sich um unsere natuerliche Existenzgrundlage. Die Handwerker, vor ort, helfen ihnen. Die Techniker arbeiten in praeparierten Umgebungen, optimiert auf ihre Anforderungen.

    So, und all die vielen anderen? In der Region Deutschland fast 2/3? in ihrem heutigen Tun sind sie nutzlos, verbrauchen nur, schaffen nichts, existieren parasitaer. Warum? Weil den meisten von ihnen gar nichts anderes uebrig bleibt, wenn sie irgendwie leben wollen. Sie sitzen jeden Tag in ihren Bueros und schauen dumm aus ihrer Waesche.

    Es gibt einen 8000 jahre alten Satz aus der Lao Tse Schule:
    Es ist besser, nichts zu tun, als mit viel Aufwand nichts zu schaffen.

    mit lieben gruessen, willi uebelherr
    z.zt. Asuncion, Paraguay

    1. Antwort Nef:
      Urproduktion, Handwerk und Technik sind wichtig, aber wenn alle nur zum Eigengebrauch anbauen, sammeln, jagen, produzieren und erfinden würden, gäbe es weder Arbeitsteilung noch Tausch, und die Handwerker und Techniker müssten einen wesentlichen Teil ihrer Zeit wieder in die Urproduktion investieren. Die Diagnose, dass wir in einer technisierten elektronisch vernetzten hoch arbeitsteiligen Gesellschaft alle zu Händlern und zu voneinander abhängigen gegenseitigen Dienstleistern (im weitesten Sinn) geworden sind, ist zutreffend. Aber alle sind auch irgendwo und irgendwie an der Produktion beteiligt und die Abhängigkeiten sind wenigstens teilweise individuell wählbar und veränderbar. Wichtig bleibt die Wahl und Kündbarkeit der ökonomischen Vernetzungen und deren möglichst kleine Abhängigkeit vom politischen System. Ob der totale Ausstieg aus ökonomischen Vernetzungen und Verstrickungen und die Rückkehr zum eigenständigen Urproduzenten, der weder von Arbeitsteilung noch von Tausch abhängig ist, praktisch noch möglich ist, bezweifle ich. Ihre Folgen wären unabsehbar. Die arbeitsteilige technische Zivilisation befreit uns und versklavt uns gleichzeitig, ein radikaler Ausstieg des ökonomisch völlig eigenständigen Individuums ist ziemlich utopisch. In diesem Sinn sind wir wirklich in einem zivilisationsbedingten «Kommunismus» miteinander verbunden, der aber wenigstens teilweise auf Privateigentum und Tausch beruht und «Inseln der Eigenständigkeit im Meer der Abhängigkeiten» ermöglicht. Das ökonomisch völlig eigenständige und von anderen unabhängige Individuum hat es nie gegeben, und die autonome und autarke Kleingruppe gibt es seit dem Neolithikum nicht mehr. Die not-wendenden kulturellen, wirtschaftlichen und sozialen Vernetzungen brauchen aber nicht auf kollektivem Zwang zu beruhen. Je weniger desto besser.

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