Survival of the fittest

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Das erste Massnahmenpaket der Energiestrategie 2050 sieht ein Verbot neuer Kernenergieanlagen, die Subvention erneuerbarer Energieträger und eine Steigerung der Energieeffizienz vor. Dass die drei Massnahmen widersprüchlich sind, schien weder Bundesrat noch Parlament zu kümmern. Umso wichtiger, dass dagegen das Referendum ergriffen wurde. Das Innovationsland Schweiz verdient die fortschrittlichsten, nachhaltigsten, klima- und umweltfreundlichsten Energiesysteme und soll ganz vorne dabei sein, diese zu ­entwickeln. Das kann man vorbehaltlos unterschreiben. Aber bei diesen Ambitionen kann man unmöglich mit einem solch widersprüchlichen Massnahmenpaket antreten.

Widerspruch 1: Fortschritt entsteht dort, wo ohne Verbote geforscht werden kann. Verbote sind ein Armutszeichen für eine innovationsaffine Gesellschaft. Der Gesetzgeber gibt vor zu wissen, dass Kerntechnologie keine Fortschritte machen wird und auf alle Zeiten unverantwortbar gefährlich bleibt. Das ist überheblich. Das Verbot ist nicht nur kurzsichtig, sondern auch überflüssig. Wenn sich Kernanlagen nicht rechnen, was heute der Fall ist, werden keine neuen gebaut. Dass die Schweiz unter anderem wegen Kernenergie europa­weit die niedrigsten CO₂-Emissionen hat, scheint vergessen. Die Klimaziele der EU für 2030 sind nur deshalb bei uns schon längst erreicht.

Widerspruch 2: Nachhaltig ist nur, was sich ohne laufende Subvention am Markt halten kann. Man darf die Entwicklung einer neuen ­Technologie wie Fotovoltaik und Wind fördern, aber irgendwann muss sie sich am freien Markt bewähren. Das funktioniert bereits heute an ­sonnen- und windreichen Orten, und das ist gut so. Diese Orte liegen allerdings nicht in der Schweiz. Wo es nicht funktioniert, soll man die Förderung lassen. Deutschland lebt uns das ­Negativbeispiel vor.

Widerspruch 3: Gewerbe und Industrien, die wettbewerbsfähig bleiben wollen, investieren sowieso in energieeffiziente Methoden. Da braucht es keine neuen Vorschriften. In privaten Haushalten besteht noch Verbesserungspotenzial. Doch auch hier darf man den mündigen Bürger nicht bevormunden. Er ist erwiesenermassen der bessere Rechner als der Staat und kann sehr wohl selbst beurteilen, ob sich die energetische ­Sanierung seiner Immobilie rechnet oder nicht. Neuen energieeffizienten Technologien steht er nämlich offen, wenn sie verfügbar und bezahlbar sind.

Politiker meinen Gutes zu tun. Gouverner c’est prévoir. Es ist legitim, die Weichen für eine wünschbare Zukunft zu stellen. Aber sich damit Optionen zu verbauen, die man nicht erkennen kann oder nicht erkennen will, ist nicht nur ­kurzsichtig, sondern strategisch falsch und standortschädigend. Gegenwärtig nicht opportune Technologien auszuschliessen, ist eines Innovationsstandortes unwürdig. Mehr Vertrauen in den freien Erfindergeist und den Markt wäre angebracht. Wir können auch heute noch viel von der Natur abschauen. Dort ist alles erlaubt. Seit es Leben auf der Erde gibt, und das sind immerhin schon vier Milliarden Jahre, findet die Entwicklung durch «trial and error» und «survival of the fittest» statt. Nur was robust ist, überlebt.

So kann in der sonnenreichen Atacamawüste von Chile ein Solarkraftwerk, in der windreichen Nordsee ein Windpark, in den Alpen ein Wasserkraftwerk und in hoch technisierten Ländern – zum Beispiel mit voll elektrifizierten Verkehrs­systemen – ein Kernkraftwerk die fitteste Lösung sein. Zur rechten Zeit am rechten Ort Energie bereitstellen zu können, ist der Schlüssel zum Erfolg. Aber nur Systeme, welche die auf Dauer subventionsfrei können, werden ­überleben. Subventionierte Systeme mögen in einer geschützten Werkstatt Schweiz eine Zeit lang funktionieren. Aber welche geschützte Werkstatt ist im Markt schon wettbewerbsfähig? Will man es bleiben, dann braucht es keine Verbote, sondern Köpfe und Denkfreiheit.

Das Referendum zur Energiestrategie kommt im richtigen Zeitpunkt. Es erzwingt endlich die breite Diskussion, welche dem Stimmbürger bisher verweigert wurde.

Publiziert in der Basler Zeitung vom 20. Januar 2017 
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