Schachtdeckel aus China

Schachtdecke_20190515-072900_1.pngVergangene Woche wurde in Liestal auf dem Areal der Giesserei Erzenberg, ein Wohnbauprojekt vorgestellt. Das Traditionsunternehmen war bekannt für sei…

Vergangene Woche wurde in Liestal auf dem Areal der Giesserei Erzenberg, ein Wohnbauprojekt vorgestellt. Das Traditionsunternehmen war bekannt für sein Vollsortiment qualitativ hochstehender Schachtdeckel. Damit geht auch hier ein kleines, aber feines Stück Schweizer Industriegeschichte zu Ende. Giessereien sind typische, energieintensive Betriebe, die hierzulande einen immer schwereren Stand haben. Mit den höheren Produktionskosten aufgrund von Standort, Löhnen aber auch anspruchsvollen Umweltauflagen können sich solche Betriebe gegen die billige Konkurrenz aus dem Ausland nicht mehr behaupten. Die De-Industrialisierung der Schweiz hat zwar nicht erst gestern angefangen. Es ist ein stetiger Prozess, der bereits in der zweiten Hälfte des letzten Jahrhunderts einsetzte und auch noch weitergehen wird. Die Wirtschaft wächst trotzdem noch, dank einer starken Dienstleistungsindustrie wie unter anderem Banken und Versicherungen, aber auch neue High-Tech Betriebe tragen zum Wohlstand bei. Bemerkenswert ist bei den meisten neuen Branchen, und bei den Dienstleistungen sowieso, dass die Wertschöpfung auf einem bescheidenen Energieverbrauch beruht. Deren Emissionen halten sich in Grenzen. Aus Sicht der Energie- und Klimapolitik eigentlich sehr begrüssenswert und fit für die Zukunft.

Brauchen wir tatsächlich keine Schachtdeckel oder andere Gussprodukte mehr? Natürlich gleich viele wie früher. Mit der heutigen Bautätigkeit vermutlich sogar noch mehr. Die Versorgung aus Fernost oder Osteuropa ist auf jeden Fall sichergestellt. Dort können Produkte nicht nur wegen geringerer Löhne, sondern auch wegen lockerer Umweltauflagen günstiger produziert werden. Die dortigen Schornsteine blasen allerdings in die gleiche Atmosphäre. Der zusätzliche Transport ist dann betreffend Umweltbelastung nur noch Beilage. Dem CO2ist es gleichgültig wo es in die Luft geblasen wird, es ist staatenlos, ausser in den nationalen Berechnungsmethoden. Das wurde, unter anderem auch im Klimaabkommen von Paris so vereinbart. Emissionen sind am Ort der Produktion zu berechnen, nicht am Ort des Konsums.

Wenn wir es mit unserer Besorgnis um Klima und Umwelt wirklich ehrlich meinten, dürften wir ab morgen keine einzige energieintensive Produktionsanlage mehr auslagern. Dann hätten wir es selbst in der Hand und könnten es steuern, dass Produkte umwelt- und klimaschonend hergestellt würden. Beim Importieren lassen wir den Dreck jetzt einfach an der Grenze zurück. Genau wie beim Kohlestrom, den wir importieren. Es geht nichts über eine saubere Schweiz.

publiziert in der Basler Zeitung vom 14. Mai 2019

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2 thoughts on “Schachtdeckel aus China”

  1. Ausgezeichneter Beitrag von Kollege Häring. Der Leakage-Effekt in praxi….so sieht jeder, wie das effektiv geht. Wir haben den wirtschaftlichen Nachteil des Untergangs der physischen Produktion, die Natur hat den Nachteil der unverminderten (oder sogar noch höheren) Verschmutzung.

    Die wahren Verursacher der Umweltbelastung, egal wo sie denn letzten Endes stattfindet, sind die Konsumenten, egal, wo sie ihren Konsum “durchführen”. Verlagerungen von Produktion und Konsum nützen bestenfalls nichts, schlimmstenfalls steigern sie die Umweltbelastung durch mehr Transporte und durch laschere Vorschriften an den aufsteigenden Produktionsstandorten.

    Es gibt nur zwie Möglichkeiten, die Umweltbelastung zu Verringern:
    (1) Niedrigere Konsummenge (Suffizienz).
    (2) Niedrigere spezifische Belastung (Effizienz, Technologie).

    In der Praxis zeigt sich das Problem, dass verbesserte Effizienz in aller Regel mit höheren Konsummengen einhergeht: Rebound-Effekt.

  2. Wenn sich eine Wirtschaftsregion vom Agrarsektor über den industriellen Sektor zum (tertiären) Dienstleistungssektor entwickelt, steigert sie schrittweise ihre Wertschöpfung. Die Verlagerung der physischen Produktion aus einer Region mit aufstrebendem tertiären Sektor in eine Region mit aufstrebenden Industriesektor ist also für beide Regionen ein wirtschaftlicher Vorteil!! Nach dem Gesetz der komparativen Kosten ergibt sich daraus eine Arbeitsteilung zwischen den Wirtschaftsregionen, bei welcher Skaleneffekte als Nutzen, Transport und Umweltschäden jedoch als Kosten zu berücksichtigen sind. Der homo oeconomicus “spart” im doppelten Sinn dieses Wortes: Sparen heisst einerseits Konsumverzicht und anderseits Einsparen von Ressourcen bei der Produktion von Gütern und Dienstleistungen durch höhere Effizienz und bessere Technologien. Unser ökologischer Fussabdruck resultiert aus der Summe beider Ersparnisse, und zwar sowohl individuell als auch urbi et orbi.

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