Neue Gesetze braucht das Land. Wirklich?

Hunderte von Gesetzen und Tausende von Richtlinien, Weisungen und Paragrafen helfen uns Bürgern heute auf unserem beschwerlichen Weg durch den Alltag. Politiker sehen allerdings Lücken, wo uns noch geholfen werden könnte. Aber nicht nur wir Bürger, sondern auch Unternehmen sind von Regulierungen aller Art betroffen, auch in der Wirtschaft seien bei genauerem Hinsehen grosse Defizite festzustellen. Wenn es nach der ständerätlichen Fernmeldekommission KVF geht, müssen diese angeblichen Mängel jetzt behoben werden. Möglichst subito, denn unser Land soll auch beim Bruttoregulierungsprodukt zur Spitze gehören.

Sie ahnen es: Wie der KVF-Präsident Ständerat Stefan Engler der NZZ anvertraute, braucht es dafür ein neues Gesetz. Darunter macht er es nicht. Um stärkeren Einfluss auf bundeseigene Firmen zu nehmen, will er eine Verpolitisierung dieser Unternehmen zwar vermeiden, meinte er neulich, strebt jedoch exakt das an. Man sieht ihn fast hörbar seufzen, wenn er sagt: «Im Gesetz wollen wir festlegen, in welchen Feldern die Bundesbetriebe aktiv sein dürfen». Die Firmen sind dem Bündner Ständerat zu grossem Dank verpflichtet, dass er sie bei der Geschäftsführung tatkräftig unterstützen will. Quasi ein Weihnachtsgeschenk!

Doch wie geht das? Unternehmensführung per Order di Mufti? Was befähigt ausgerechnet Politiker, die keine unternehmerische Verantwortung tragen, erfolgreiche Wirtschaftsunternehmen an die kurze Leine zu nehmen? Swisscom beispielsweise ist eine Aktiengesellschaft mit 19000 Beschäftigten, geführt von einer Geschäftsleitung und einem vom Bundesrat gewählten Verwaltungsrat. Die Firma sorgt für die Grundversorgung bis ins hinterste Bergtal, hat das schnellste Breitbandnetz in Europa, und wurde soeben einmal mehr für das beste Mobilfunknetz der Schweiz ausgezeichnet. Und das, man kann es kaum glauben, ohne das von Ständerat Engler geplante Gesetz.

Politiker dürfen sich kraft ihres Amtes in Dinge einmischen, von denen sie nichts verstehen. Es überrascht deshalb nicht, dass die nationalrätliche Fernmeldekommission die Internet-Mindestgeschwindigkeiten von 80 Megabit pro Sekunde bis in die letzte Alphütte hinaufregulieren will. Kosten: 2 Milliarden Franken. 2 Milliarden? Für Parlamentarier sind das Peanuts, sodass auch offengelassen wird, wer das bezahlen soll. Doch wen wunderts: Politiker besitzen bekanntlich das seltene Privileg, stets Geld von anderen ausgeben zu dürfen. Man gönnt sich ja sonst fast nichts.

(Zuerst publiziert in “Swiss IT Magazine”, Ausgabe 2021/01, S. 25.)

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