Kritik an NZZ-Artikel

Zur omnipräsenten Klima-Diskussion publizierte die NZZ am So am letzten August Wochenende dieses Jahres den folgenden Artikel:

„Es fehlt nicht nur am Klimaschutz: Woher die Fluten im Sommer kamen“.

Das Interessante am Artikel ist, dass er unfreiwillig die Qualität der «Wissenschaftlichkeit» der Klimadiskussion beleuchtet. Einiges, was im Artikel angesprochen wird, möchte ich nachstehend kommentieren.

(1) Zu den ersten beiden Abschnitten im Artikel ist folgendes anzumerken: Gemäss Illustrationen bezieht sich der Bericht in der NZZ am Sonntag schwergewichtig auf die Flut von Mitte Juli 2021 im Deutschen Ahrtal (Bundesland Rheinland-Pfalz). Ich habe etwas recherchiert (1) und herausgefunden, dass das Ahrtal über die vergangenen 400 Jahre regelmässig von Fluten heimgesucht wurde, besonders herausragende Hochwasser gab 1601 / 1804 / 1818 / 1884 / 1910 / 1962 jeweils im Sommer und 1687 / 1739 / 1795 / 1880 im Winter.

Es scheint daher sehr vermessen, die Geschehnisse vom Sommer 2021 mit dem „Klimawandel“ in Verbindung zu bringen, so wie es die Klimakatastrophen-Anbeter ohne Verzug kommentierten.

(2) Weiter kann man im dritten Absatz – unter der Überschrift „Feuchtere Luft“ – lesen: „Gleichzeitig zweifelt unter seriösen Forschern niemand daran, dass der Klimawandel ein Verstärker des verheerenden Starkregens war, dass er mitverantwortlich für die Flutkatastrophe war“ Und weiter in Absatz 4: „Rund 7 Prozent pro Grad macht dieser Effekt aus, daher lässt eine Erwärmung von 2 Grad […] von einer Zunahme der Starkregenfälle um etwa 14 Prozent ausgehen.“
Da wird, ob bewusst oder unbewusst, ein Durcheinander in einen thermodynamischen Sachverhalt gebracht.

Richtig ist, dass die Feuchtigkeitsaufnahme trockener Luft abhängt von deren Temperatur, jedoch auch vom barometrischen Druck. Entscheidend für das „Ausregnen“ warmer, feuchter Luft ist jedoch nicht deren absoluter Feuchtigkeitsgehalt, sondern der Temperaturunterschied zur Kaltluftfront, welche Regen auslöst. Ein weiterer Einflussfaktor für die zu erwartende Niederschlagsmenge ist die relative Luftfeuchtigkeit der Warmluft.

Das Mollier-Diagramm zeigt die Zusammenhänge zwischen den bereits aufgezählten Parametern – Temperatur, barometrischer Druck, rel. Feuchtigkeit – und zusätzlich der inneren Energie des Luft-Wasser Gemisches auf. Diese Darstellung zu interpretieren ist für den Laien recht anspruchsvoll.

Ich habe daher zwei Diagramme erstellt: eines für Normaldruck auf Meereshöhe und eines für Normaldruck auf 2‘000 [müM] (z. B. Oberengadin). (Siehe PDF am Ende des Absatzes.)

Die Diagramme bestehen aus zwei Quadranten, links von der Abszisse (y-Achse) ist auf der Ordinate (x-Achse) die Temperatur der Warmluft aufgetragen, nach rechts von der Abszisse die Temperatur einer Kaltluftfront. Auf der Abszisse findet sich die absolute Menge an Wasserdampf, welcher in der Luft gelöst ist (in [kg] pro Kilogramm trockener Luft).

Im linken Quadranten finden sich die Kurven für den Wasserdampf-Gehalt in Abhängigkeit der Temperatur und der rel. Feuchte (in %).

Eingetragen habe ich ein Beispiel, in welchem Warmluft bei 30 [C] und 80% rel. Feuchte auf Kaltluftfront von 20 [C] trifft. Da es immer bis rel. Feuchte von 100% ausregnet, lässt sich die auszuregnende Menge einfach bestimmen. Im Beispiel sind dies 0.0149 [kg] pro Kilogramm Luft.

Dieselben Annahmen (Warmluft zu Kaltfront) übertragen auf 2‘000 [müM] zeigt, dass in dieser Höhe rund 30% mehr Regen anfallen würde – das ist vermutlich ein wichtiger Grund für die heftigen Gebirgs-Gewitter.


(3) Im 4. Abschnitt lesen wir: «Rund 7 Prozent pro Grad macht dieser Effekt aus, daher lässt sich bei einer Erwärmung von 2 Grad in Mitteleuropa im Vergleich zum vorindustriellen Zeitalter von einer Zunahme der Starkregenfälle um ungefähr 14 % ausgehen, wie etwa Reto Knutti schon wenige Tage nach der Katastrophe vorrechnete.“  

Erstens kann man aus den beigelegten Diagrammen herauslesen, dass im Mitteleuropäischen Temperaturbereich bei etwa 20 [C] bis 25 [C] der Effekt der Feuchtigkeitsaufnahme eher bei 6% denn bei 7% liegt (solche geringen Unterschiede haben grossen Einfluss auf die Feuchtigkeitsaufnahme). Wie man jedoch daraus auf eine 14% Zunahme von Starkregenfällen – also auf deren Anzahl (!) – schliesst, ist hochgradig schleierhaft.

„Das ist der dominierende und völlig verstandene Effekt“, wird Knutti zitiert. Ich stimme dem mit Einschränkungen zu, allerdings verschleiert Knutti die Zusammenhänge und bringt leider nur die halbe Wahrheit. Es ist eben nicht nur einzig die absolute Temperatur der Warmluft entscheidend.
Im weiteren Text werden wissenschaftliche Untersuchungen erwähnt und zitiert. Wenn man dies vertieft interpretiert, so sind da sehr grosse Unsicherheiten und sehr vieles im Konjunktiv – was wäre, wenn?

(4) Ganz übel wird der Textinhalt im ersten Abschnitt unter dem Titel „Intensiverer Regen“.
Da werden erstaunliche Erkenntnisse von Modell-Rechnungen zitiert: „…kommen zu dem Ergebnis, dass man in der heutigen Welt mit Klimawandel alle 400 Jahre mit einer solchen Flut in der betroffenen Region rechnen müsse. Zum Vergleich: In einer Welt ohne anthropogene Erwärmung träte des Ereignis 1,2- bis 9-mal seltener auf. Entsprechend wäre eine solche Sturzflut im alten Klima nur alle 480 bis 3600 Jahre über die Region hereingebrochen.“

Selten hat man so viel an Quatsch in zwei Sätzen gelesen. Haben die eingangs erwähnten Flutkatastrophen im Ahrtal im „alten“- oder bereits im Katastrophen-Klima stattgefunden? Verhielt sichdasKlima in der Periode 480 bis 3600 Jahre zurück konstant? Wie viele Warm- und Kaltperioden gab es in diesen Zeiträumen?
Zur Erinnerung: Die eigentliche Industrialisierung wurde anno 1769 durch die Vorstellung von Watts Dampfmaschine eingeläutet. Anthropogene Einflüsse auf das Klima sind oder wären ggf. deutlich nach diesem Datum anzusetzen.

(5) Bemerkenswert scheint mir dann doch der letzte Satz des Artikels: «Wer Extremwetter einzig als Folge des Klimawandels darstellt, wird blind für andere Faktoren die zu solchen Katastrophen führen […].». Dabei soll doch gemäss dem Knutti Zitat alles kristallklar sein.

Auch dazu gilt das Brandolini Gesetz: „Das Widerlegen von Schwachsinn erfordert eine Zehnerpotenz mehr Energie als dessen Produktion“.

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(1)   Quelle: „Die Ahr und ihre Hochwasser in alten Quellen“;  Dr. Karl August Seel (1983)



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