Kerntechnologie – heute und morgen
Stand der Technik, Entsorgung, Sicherheit

Mit der Stromversorgung Europas aber auch in der Schweiz wird es enger.
Das Thema Kernenergie ist wieder auf dem Tisch.
Verschiedene nachhaltige kerntechnische Lösungen sind in Reichweite.

CCN Themenapéro in Basel am 3. Mai 2023

Zusammenfassung:
Was ein nicht ganz unwissender Zuhörer mitnehmen konnte, ohne dass er sich Notizen machte, und wovon​ ein Experte ein paar Brocken korrigierte, also so ziemlich alles, und seinen Senf dazugeben konnte, d. h. die Länge des Textes um ca. 300 % erhöhen.

Von Michel de Rougemont und Johannnis Nöggerath verfasst.

Drei Vorträge wurden gehalten, die sich mit dem Stand der Technik, der Sicherheit von Kernkraftwerken und der Abfallentsorgung befassten. Eine Frage- und Antwortrunde folgte.

Einführung Kerntechnologie Sicherheit Abfälle

Emanuel Höhener

Einführung

Der erste diesjährige Themenapéro wurde von CCN-Präsidenten Emanuel Höhener eröffnet: Der Anlass stand im Lichte einer sich laufend verschärfenden Energiesituation in ganz Europa mit latenter Stromknappheit.

In der Schweiz dürfen künftig keine neuen Kernkraftwerke gebaut werden und, erst Mitte April wurden in Deutschland während der wohl schlimmsten Stromkrise nach dem 2. Weltkrieg die letzten 4,2 GW KKW-Stromleistung ideologiegesteuert vom Netz genommen.
In Zukunft wird es sich weniger um eine Stromproduktionslücke (also in GWh) handeln, sondern um eine eigentliche Stromleistungslücke (in GW) während bestimmter Nachtstunden und während Dunkelflauten im Winter. 

Die Kernenergie bleibt also weiterhin als unverzichtbare Option für eine künftig saubere, emissionsarme sowie natur-, platz- und materialschonende Stromversorgung in der Schweiz.

Damit will sich das CCN am heutigen Anlass, wieder einmal mit dem - ausserhalb von Europa schnell fortschreitenden - aktuellen Stand dieser Technik zu befassen.

Die aktuellen Kraftwerke in der Schweiz gehören zur zweiten Generation. Die kürzlich in China, den Vereinigten Arabischen Emiraten und Finnland in Betrieb genommenen Kraftwerken sowie die derzeit in Frankreich und Grossbritannien im Bau befindlichen Kraftwerke sind bereits aus der dritten KKW-Generation. Die vierte KKW-Generation steht z.T. noch in der Entwicklungsphase, wobei einige Beispiele bereits in Pilotanlagen betrieben werden und andere sich noch in der Testphase befinden. Weiterhin ist noch die neue Spielart der kleinen modularen KKW (SMR) zu nennen.

Von Generation zu Generation führte der Weg des Fortschritts über die Verbesserung der Sicherheit, eine bessere Nutzung des spaltbaren Materials sowie dessen mögliche Wiederaufbereitung. Die zahlreichen technologischen Varianten, die unmöglich in 20 Minuten und noch weniger in einer Stunde dargestellt werden können, lassen vermuten, dass diese Technologie, obwohl sie seit Jahrzehnten in grossem Massstab eingesetzt wird, noch in der Entwicklung steckt.

Was die neuen Entwicklungen versprechen, ist der zunehmende Übergang von aktiv elektrisch betriebenen redundanten Sicherheitssystemen zu passiven, inhärent sicheren Betriebsabläufen, die auf der Basis robuster, naturgesetzlicher Phänomen beruhen , und so  auch eine wirtschaftliche Verbesserungen darstellen. . Weitere Wirtschaftlichkeitsvorteile sind:  

ein höherer thermischer Wirkungsgrad bei der Stromerzeugung (von 33% auf 42%, was nicht wenig ist) aufgrund der höheren Temperatur, was auch den Weg für neue chemische Prozesse (z. B. Thermolyse von Wasser) ebnen würde. Die Kühlung würde nicht mehr durch Wasser, sondern durch Helium, Natrium oder geschmolzene Salze erfolgen.

Die Entwicklung der spaltbaren Brennstoffe, insbesondere der positive Kreislauf des Schnellneutronenpfads, der ihre Kapazität vervielfacht (Brutregeneration und Recycling).

Von besonderer Bedeutung sind kleine modulare KKW (SMR), welche in den letzten Jahren ins Zentrum des internationalen Interesses gerückt sind. Hier existieren etwa 70 Einzeltypen verschiedener Hersteller und Startup-Unternehmen, die überwiegend der Generation III zuzurechnen sind und damit auf Leichtwassertechnik beruhen. Der Vorteil dieser neuen Spielart besteht in ihren vergleichsweise kleinen, vorgefertigten, standardisierten und modularen Einzelkomponenten, die mit einfachen Transporten auf die Baustelle angeliefert werden können. Sie benötigen sehr kleine Bauplätze, sind einfach montierbar und in kurzer Zeit einsatzbereit. Ein weiterer Vorteil der Miniaturisierung ist die Einsetzbarkeit in direkter Nähe von Ballungsgebieten. Kleineres Klumpenrisiko und einfachere Finanzierbarkeit als Grosskraftwerke sind heute weitere Vorteile. Ein grosses Plus stellt die nukleare Sicherheit dar: Durch die kleinen, einfach ausgelegten Kreisläufe sind passive Naturumläufe und Naturzugluftkühlung besonders einfach zu realisieren. Solche passiven Features sind dabei vor allem klein und lassen sich – bei bestimmten SMR-Typen - sogar innerhalb des  eigentlichen Reaktor integrieren, was den Bau vereinfacht. Dadurch können teure aktive, redundante Sicherheitssysteme entfallen. Durch eine ausreichende Anreicherung können solche KKW-Module bis zu zwei Jahrzehnte ohne Refuelling Strom oder/und Wärme liefern. Verschiedene Firmen bieten auch zusammenschaltbare Modulreaktoren an, deren Leistung sich bei erhöhtem Bedarf später bei Bedarf vervielfachen lässt. Durch die Festlegung von Standards sollte die Massenproduktion in spezialisierten Fabriken billiger sein als grosse individuelle Kraftwerke, die individuell und massgeschneidert gebaut werden müssen. Die Grössenordnungen liegen bei einigen Dutzend MWe bis zu 300 MWe statt der derzeitigen 800 bis 1660 MWe.

Professor em. Dr. Horst-Michael Prasser

„Aktuelle und zukünftige 
KKW-Technologien“

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