Is the world on fire?

Reportage aus den Waldbrandgebieten Australiens

Australien hat von Dezember 2019 bis Ende Januar 2020 eine verheerende Buschbrandsaison erlebt. Ein Augenschein vor Ort zeigt die Vielschichtigkeit und Komplexität dieses Phänomens.

Australien ist kein Land, Australien ist ein Kontinent, der sich über drei Zeitzonen und drei Klimagürtel erstreckt, tropisch im Norden, wüstenhaft im Zentrum und mediterran im Süden. Australien ist 175 Mal grösser als die Schweiz und hat eine Bevölkerung von 21 Millionen. Mehr als drei Viertel leben in den Metropolen  Sydney, Melbourne, Brisbane, Perth, Adelaide und Canberra. Ausser der Hauptstadt Canberra haben sich alle nicht nur wegen der Schifffahrt, sondern auch wegen des gemässigten Klimas entlang der Küste entwickelt. 

Bild: Weiss umrandet: Gebiet der grössten Buschbrände. Schweiz im Grössenvergleich.

Bewaldete Vorstädte. Sicht auf Brighton und Glenelg im Süden von Adelaide.

Das Leben im Schatten von Bäumen ist äusserst beliebt, und so erkennt man im Anflug auf die Städte oft nicht die Gesamtgrösse der Agglomerationen. Die endlosen Einfamilienhaus-Vorstädte gleichen bewaldeten Parklandschaften. Hier mag einer der Hauptgründe der Angst vor Waldbränden liegen. Wer einmal in Sommer das trockene Unterholz in den Gärten gesehen und den angenehmen Geruch ölhaltiger Eukalyptusbäumen eingeatmet hat, kann sich lebhaft vorstellen, wie sich daraus vernichtende Feuerwalzen entwickeln und das eigene Hab und Gut vernichten können.

Bild: Bewaldete Vorstädte. Sicht auf Brighton und Glenelg im Süden von Adelaide.

Brandherde in Südostaustralien am 9. Februar 2020 gemäss App «Australian Fires». In Gelb: Princess Highway

Brandverhütung steht im Sicherheitsbedürfnis der Bevölkerung weit oben. Überall im Land zeigen Schautafeln die aktuelle Brandgefahr an. Entsprechend gut gerüstet sind auch die Feuerwehren. Auf einer App kann sich jedermann auf seinem Handy in Echtzeit informieren, wo gerade ein Feuer ausgebrochen ist, sei es ein Gebäude, ein Fahrzeug, ein Grasbrand, ein Gebüsch oder eben ein Wald. 

Bild: Brandherde in Südostaustralien am 9. Februar 2020 gemäss App «Australian Fires». In Gelb: Princess Highway

Dürres Unterholz als Brandnahrung (Lakes Entrance Beach)

Den Buschbränden gingen klimatisch drei höchst variable Jahre voraus. 2016 waren die Niederschläge quer durchs Land aussergewöhnlich hoch, gefolgt von drei Dürrejahren, vornehmlich im Südosten. Die Kombination von starkem Wachstum gefolgt von Dürre sorgte für ein riesiges Brandpotential.  

Die gesamte Waldfläche beträgt 1.2 Millionen Quadratkilometer, also rund 33 Mal die Fläche der Schweiz. Die grössten Wälder, vornehmlich Eukalyptuswälder liegen im Südosten und im Südwesten, tropische Regenwälder gibt es im Nordosten. Die Forstwirtschaft konzentriert sich auf kommerzielle Plantagen mit einer Gesamtfläche von rund 20’000 Quadratkilometer, je zur Hälfte mit Weich- und Harthölzern. Die einheimischen Wälder werden von der Forstwirtschaft nur wenig genutzt. 

Aus Furcht vor Waldbränden, die eigentlich ein natürliches Phänomen sind, versucht man diese zu verhindern. Das führt aber dazu, dass sich mehr Unterholz ansammelt als bei natürlichen Verhältnissen. Systematische Brandschutzschneisen sind selten, sie beschränken sich weitgehend auf die Plantagen. Bevor Europäer den Kontinent besiedelten, kannten sich die Ureinwohner bereits mit Buschfeuern aus. Sicherlich beherrschten sie das Konzept der Brandrodung, wie weit sie das Ausmass der Brände kontrollieren konnten, entzieht sich der Kenntnis. Wahrscheinlich herrschte eine Art Gleichgewicht zwischen Feuer und Wachstum.  

Bild: Dürres Unterholz als Brandnahrung (Lakes Entrance Beach)

Strassenschild auf dem Princess Highway an der  Grenze von New South Wales zu ^ Victoria

Der Brandursachen gibt es viele. Im Sommer sind die Wälder trocken wie Zunder, und ein kleiner Funke kann bereits zum Desaster führen. Natürlicher Erstauslöser sind Blitze. Die Verbreitung erfolgt dann nicht nur mit einer Feuerwalze durch das Unterholz, sondern zudem durch Funkenflug über weite Strecken. Feuerwinde können Funken bis über zehn Kilometer weit tragen und neue Brandherde entfachen. Die meisten Brände werden heute vermutlich durch menschliche Aktivität ausgelöst. Ursache sind zum Beispiel herunterfallende Stromleitungen. Oder bereits ein heisser Auspufftopf kann einen dürren Ast entzünden. So werden bei «Total Fire Bans» Motorfahrzeuge in den Wäldern verboten. Leider sind auch fahrlässige Handlungen, wie das Wegwerfen einer Zigarette oder schlicht mutwillige Brandstiftung nie auszurotten. 

Bild: Strassenschild auf dem Princess Highway an der  Grenze von New South Wales zu ^ Victoria

Pyrophyten tragen Früchte die zur Freisetzung der Samen Feuer benötigen

Die australische Flora ist auf Feuer ausgelegt. Es gibt über 600 Eukalyptusarten, die Mehrzahl sind sogenannte Pyrophyten, also Pflanzen, die zur Freisetzung ihrer Samen auf Feuer angewiesen sind. 

Bild: Pyrophyten tragen Früchte die zur Freisetzung der Samen Feuer benötigen 

Verbrannter Wald westlich Batemans Bay NSW

Auf dem Princess Highway von Eden an der Sapphire Coast in New South Wales nach Lakes Entrance im Gliedstaat Victoria fährt man stundenlang durch abgebrannte Wälder. Die Strasse war über Monate gesperrt und wurde erst Anfangs Februar wieder geöffnet. Als erstes fällt auf, dass alle Bäume noch aufrecht dastehen. Völlig verschwunden ist nur das Unterholz. Das ist restlos verbrannt. 

Bild: Verbrannter Wald westlich Batemans Bay NSW

Princess Highway bei Wingan River, Victoria

Der Blick durch die verbrannten und leergeräumten Wälder ist zunächst deprimierend. Vor allem, wenn man stundenlang im Hintergrund schwarzbraune Gebirgszüge sieht, soweit das Auge reicht. Erst auf den zweiten Blick erkennt man, dass kaum ein Baum tot ist. 

Bild: Princess Highway bei Wingan River, Victoria

Schösslinge vier Wochen nach dem Feuer

Schon vier Wochen nach den Bränden spriessen aus den Stämmen überall neue Schösslinge. Aus der Asche der Waldböden stossen bereits wieder Gräser und Farne empor. Dramatisch mussten die Feuer für die Fauna gewesen sein. Auch wenn die meisten einheimischen Tierarten Überlebenstrategien für Feuer entwickelt haben, müssen die Opferzahlen erschreckend hoch gewesen sein. Fluchttiere wie Kängurus und Vögel waren sicher weniger betroffen. Am Boden lebende Tiere wie Wombats und Echidnas graben sich ein, Koalas versuchen in den obersten Baumwipfeln zu überleben.

Bild: Schösslinge vier Wochen nach dem Feuer

Versengtes Laub und neues Leben aus den Stämmen

Die Feuer scheinen tatsächlich die obersten Wipfel oftmals nur kurz zu erreichen, wie das meist erhaltene, aber versengte Laub zeigt. Auch wenn es sich um eine der grössten Brandkatastrophen des Landes handelt, waren davon über neunzig Prozent der Wälder nicht betroffen. “Eine Milliarde tote Tiere” ist eine unqualifizierte Aussage, die durch alle Medien geistert und keine wirkliche Information liefert. Bei der reichen Fauna sterben bereits beim Brand eines Quadratkilometers eine solche Anzahl von Tieren, wenn man Invertebraten (wirbellose Tiere) einschliesst.

Bild: Versengtes Laub und neues Leben aus den Stämmen

Rauchschwaden ca. 30 km südöstlich von Canberra. Im Mittelgrund: Parlamentsgebäude

Die offizielle Schadensbilanz ging in den heutigen Tagesaktualitäten unter: Die Gesamtfläche der Buschbrände, darunter sind nicht nur geschlossene Wälder, sondern auch Buschlandschaften gemeint, beträgt 120’000 Quadratkilometer, also rund dreimal die Fläche der Schweiz. Das sind 9% der australischen Waldfläche. 

Das Feuer forderte 33 Todesopfer und 3000 Gebäude wurden vernichtet. Das sind angesichts der riesigen Flächen bemerkenswert geringe Schäden an Leib und Gut. Dies zeugt von einer grossartigen Leistung der Feuerwehren. Wir sind im Februar, also rund vier Wochen nach den grössten Bränden durch diese Gebiete gefahren. Rauchschwaden grösserer Feuer waren noch rund 30 Kilometer südlich von Canberra zu sehen, doch die Luftbelastung war, bis auf den ätzenden Geruch von Asche in den Wäldern selbst, gering. 

Bild: Rauchschwaden ca. 30 km südöstlich von Canberra. Im Mittelgrund: Parlamentsgebäude

Neunzig Prozent der Wälder blieben unversehrt (Ferny Creek, Dandenongs, Victoria)

Der Dürre und dem Feuer folgte ein überaus kühler und regenreicher Februar. Die Niederschläge füllten innerhalb eines Monats die ausgetrockneten Speicherseen der Grossstädte. Die Bevölkerung, bis auf die direkt Betroffenen, ist wieder zur Tagesordnung übergegangen. 

Ob mit den 9% der versengten Wälder Australiens die Welt nun in Brand stehe, wie Bundespräsidentin Simonetta Sommaruga am WEF 2020 in Davos proklamierte («The world is on fire») überlasse ich den Politikern. Und ob die tatsächlich dramatischen Waldbrände ein Folge des Klimawandels waren, überlasse ich unvoreingenommenen Wissenschaftlern. Vermutlich wird sich die Natur von dieser Katastrophe aber schneller erholen als die Weltwirtschaft von der Corona Pandemie.

Bild: Neunzig Prozent der Wälder blieben unversehrt (Ferny Creek, Dandenongs, Victoria)

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