Grosses “Bockmist”-Quiz

post-bullshit.jpgBei kaum einem Thema wird so viel Unsinn verbreitet wie bei der Energiewende. Meist handelt es sich nicht um plumpe Lügen, sondern um raffinierte Irre…

Bei kaum einem Thema wird so viel Unsinn verbreitet wie bei der Energiewende. Meist handelt es sich nicht um plumpe Lügen, sondern um raffinierte Irreführung.

Eines der Zehn Gebote lautet: «Du sollst nicht lügen.» Es gehört wohl zu den am häufigsten verletzten. Lügen heisst, nicht die Wahrheit zu sagen, und setzt voraus, dass man die Wahrheit kennt, aber absichtlich ins Gegenteil verdreht. Manchmal sind kleine Lügen im privaten Umfeld (vielleicht) vertretbar, wenn die Wahrheit für den Adressaten extrem schädlich und die Lüge extrem unschädlich ist.

Besondere Aufmerksamkeit erfordern Auftritte von Politikern, von denen wir annehmen, dass sie besonders oft und öffentlich lügen, um ihre persönlichen Anliegen voranzutreiben oder die Wähler über die wahren Absichten zu täuschen. Nebst der Lüge hat der amerikanische Philosoph Harry G. Frankfurt vor Jahren eine weitere Kategorie von üblen Äusserungen definiert und als «Bullshit» bezeichnet, was auf Schweizerdeutsch wohl am ehesten (aber feiner) mit «Bockmist» übersetzt werden könnte.

Es geht hier um einen Zwischenbereich von Wahrheit und Unwahrheit oder eben um mangelnden oder verdrehten Realitätsgehalt – mit ebenso fatalen Wirkungen wie bei Lügen. Frankfurt ist gar der Meinung, «Bullshit» sei noch gefährlicher als eine bewusste Lüge. Und in der Tat: Offensichtliche Lügen können widerlegt werden, während «Bockmist» geistig so unbedarft ist, dass eben nicht einmal das Gegenteil richtig wäre. Der Zuhörer oder Leser spürt, dass die Aussage Unsinn sein muss, weiss aber nicht genau, warum, und daher auch nicht, wie kontern. «Bullshit» ist deshalb so gefährlich, weil etwas gesagt wird, das entweder gar nicht überprüft werden kann oder – noch schlimmer – oberflächlich betrachtet stimmt, aber bewusst falsche Schlussfolgerungen nahelegt.

Fieses Wunschkonzert

Das Label «Bio» bezieht sich zum Beispiel nur auf die Art der Produktion, insinuiert aber «sicherere», «gesündere» oder «ökologischere» Produkte, was wissenschaftlich alles andere als belegt ist, aber als fiese Marketingstrategie bestens funktioniert. Gerade im Wunschkonzert der Energiewende wimmelt es von Statements, die der einen oder anderen Kategorie, also «Lügen» oder «Bockmist», zugewiesen werden müssen. Ich lade die Leserschaft zu einem Test ein: Sind die folgenden allesamt unhaltbaren Aussagen entweder «Lügen» oder «Bockmist»?

  1. Sonne und Wind schicken keine Rechnung.
  2. Diese Solaranlage versorgt 2000 Haushalte.
  3. Die Förderung der Erneuerbaren ist ein Gebot der Zukunft, keine Frage.
  4. Solarstrom wird immer billiger.
  5. Ein Viertel des Stromverbrauchs kann kostenlos eingespart werden.
  6. Nuklearstrom hat die grössten externen Kosten.
  7. Die Förderung der Erneuerbaren und der Energie-Effizienz schafft neue Arbeitsplätze.
  8. Im Bodensee schlummert die Energie von zwei AKW.
  9. Fördergelder bleiben hier, statt in den ­Nahen Osten zu fliessen.
  10. Mit einem Smart Grid wird die Grundlast im Stromnetz überflüssig, ja störend.
  11. Solar- und Windenenergie haben keine externen Effekte.
  12. Die günstigste Energie ist die eingesparte.

«Bockmist» fällt dann auf frucht­baren Boden, wenn die öffentliche Meinung moralisch oder ideologisch auf einer bestimmten Wellenlänge tickt. Das haben Manipulatoren und Religionen seit Menschen- gedenken für ihre ­Ziele missbraucht. Auch bei technisch oder ökonomisch hochkomplexen Themen wie der Versorgungssicherheit hinsichtlich Elektrizität, dem Klimawandel, der Gentechnik oder der Nachhaltigkeit ist schwer zu unterscheiden, wer absichtlich lügt, wer absichtlich irreführenden «Bockmist» erzählt oder wer einfach in völliger Ignoranz Quatsch von sich gibt.

Besonders schlimm ist es, wenn renommierte Intellektuelle ausserhalb ihrer Sach- und Fachkenntnis wertend Stellung nehmen. Die Wirtschaft ist hiefür ein beliebtes Opfer für Theo­logen und Literaten, aber selbst für Ingenieure und Naturwissenschafter. Längst nicht alles, was technisch machbar ist, hat ökonomisch eine Chance. In einer solchen Umgebung hat es die Wissenschaft schwer, sich unabhängig zu behaupten, vor allem, wenn der «Bullshit» in viel Forschungsgeld und politische Belohnung verpackt und von den Medien unkritisch oder auch nur politisch korrekt nachgebetet wird. Was käme wohl heraus, wenn sich führende Exponenten der Energiewende nicht nur einem Lügendetektor, sondern auch einem «Bullshit»-Test stellen müssten?

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