Green New Deal führt zu Etatismus

Die globale Erwärmung ist ein Faktum. Doch Korrektur-, Machbarkeits- und Erziehungswahn ist kontraproduktiv.

Dieser Kommentar ist  zuerst erschienen in der «Finanz und Wirtschaft» vom 18. Januar 2020
(hier in der online Version)

Am Klimagipfel vor einem Monat in Madrid hat der Berg eine Maus geboren. Alles andere wäre überraschend gewesen. Viele haben dieses Nichtresultat prognostiziert. Doch es besteht weder Grund zur nachträglichen Rechthaberei noch Anlass zur Resignation, denn die globale Klimaerwärmung ist eine Tatsache, und Nichtstun und Weiterwursteln ist angesichts von gemeinsamen Herausforderungen keine Lösung.

Die beste Strategie beruht auf der Ausblendung der Schuldfrage.

Gesucht ist ein Ausweg aus der Spirale der Schuldzuweisungen und Anklagen. Vorgeschlagen werden gezielte Verbote, subventionierte Ausstiegsszenarien, internationale Rationierungen, ein Handel mit Zertifikaten sowie das Erheben von Klimasteuern, die dann international umverteilt werden sollen. Diese Massnahmen haben aber weder den ökologischen noch den ökonomischen Tauglichkeitstest bestanden, und die politische Realisierbarkeit steht in den Wolken. Auf eine neue Quelle der Besteuerung werden sich viele Regierungen zwar stürzen, was sie mit den zusätzlichen Einnahmen dann aber in Richtung Klimaschutz unternehmen, bleibt offen.

Es gibt nun ein neues Zauberwort, das sich auch die EU auf die Fahne schreibt: den Green New Deal. Der scheint sich als Königsweg zur globalen Klimarettung in der Politik und in den Medien definitiv durchzusetzen. Was ist damit gemeint? Offenbar etwas Gutes. Nämlich ein Deal, eine ausgehandelte Übereinkunft zwischen Staaten einerseits und zwischen Staat und Wirtschaft anderseits.

Roosevelts New Deal zur Warnung

Der in den Dreissigerjahren in den USA abgeschlossene New Deal war als Krisenbekämpfungsmassnahme die Geburtsstunde des amerikanischen Sozialstaats. Im korporatistischen und sozial-nationalistischen Geist jener Zeit wurde er zwischen den Sozialpartnern ausgehandelt und von der Politik letztlich abgesegnet. Er ist als Überwindung der Wirtschaftskrise gefeiert worden, hat aber auch den Grundstein gelegt für den Ausbau des Etatismus in den USA. Der New Deal der Dreissigerjahre war aus liberaler Sicht ein falscher Schritt in Richtung Etatismus, Korporatismus und Sozialismus.

Man mag ihn rückblickend als Notmassnahme zur Überwindung der Krise historisch rechtfertigen, denn niemand kann hinterher wissen, was ohne den New Deal geschehen wäre. Tatsächlich aber ist der New Deal der Ursprung der heute in den USA zunehmend manifest werdenden Schäden einer etatistisch intervenierenden Sozialpolitik. Sie mündet zwangsläufig in einen Teufelskreis des generellen Unbefriedigtseins und in eine schrittweise Degeneration der interpersonellen Hilfsbereitschaft, ohne nachhaltig finanzierbar zu sein. Das wahre Ausmass dieser krisenhaften Entwicklung wird in den nächsten Jahrzehnten spürbar werden, aber die sozialistischen Rezepte für einen «New New Deal» sind bereits auf dem politischen Markt: höhere Steuern und eine Enteignung der Reichen. Einmal mehr wird das Rezept hervorgeholt, das schon Abraham Lincoln als Fehlkonzept entlarvt hat – man kann die Armen nicht reicher machen, indem man die Reichen ärmer macht.

Es gibt schon zahlreiche seriöse Publikationen über die negativen Folgen des New Deal, aber er wird von den Etatisten aller Parteien und von den zahlreichen tonangebenden staatsnahen Ökonomen immer noch als Erfolg und Fortschritt zu einem «besseren, sozialeren Amerika» gepriesen. Leider führt das amerikanische Zweiparteiensystem nicht zu einer klaren Auseinandersetzung zwischen linken Mehr-Staat- Politikern einerseits, die häufiger bei den Demokraten zu orten sind, und rechten Weniger-Staat-Politkern anderseits, die mehrheitlich republikanisch sind. Es gibt auch einen etatistischen Flügel der Republikaner, die unter dem Motto «America first» mehr Staat zum Schutz der eigenen Wirtschaft und mehr Staat zum Schutz konservativer Moralvorstellungen fordern. Die wirklich liberalen Anhänger des Freihandels und einer pluralistischen Zivilgesellschaft bleiben in Präsidentschaftswahlen stets chancenlos.

Der entscheidende Unterschied zwischen dem US-New-Deal und dem Green New Deal besteht wohl darin, dass der New Deal ganz eindeutig eine nationale Strategie war und keine internationale. Solange es noch keine Weltregierung mit wirksamen Sanktionsmöglichkeiten gibt (was ich selbst weder für möglich noch für wünschenswert halte), sind internationale Klimaschutz-Agreements so etwas wie Kartellvereinbarungen mit «weiten Maschen» und vielen Umgehungsmöglichkeiten, die die tatsächliche Wirksamkeit infrage stellen.

Ich teile die diesbezügliche realistische Einschätzung des amerikanischen Ökonomen Richard Ebeling. Er hält die Umsetzung eines unter Nationen vereinbarten, d. h. eines «europäischen» bzw. eines EU-verbindlichen Green New Deal zur Abschaffung fossiler Brennstoffe für einen Irrweg, da die globale Erwärmung kein nationales, sondern ein globales Problem sei. Die Atmosphäre kann als eine globale Allmende begriffen werden, die von allen benutzt und auch verschmutzt wird, ohne dass es einen «Eigentümer» gibt, der die Benutzer dafür bezahlen lässt und die Verschmutzer dafür haftbar macht. Für Ebeling gehört es zur Tragödie der globalen Allmende, dass im Zusammenhang mit dem Klima viele Regierungen der Welt globalen Abkommen zwar formell zustimmen, aber keine wirksamen Schritte zu ihrer Umsetzung unternehmen. Er hält dieses Risiko der Nichtumsetzung für sehr wahrscheinlich und für sehr gross. Internationale Vereinbarungen gleichen Kartellen, und Kartelle sind historisch gesehen äusserst instabil, da die Mitglieder dazu tendieren, die Regeln zu missachten, und dann letztlich doch die jeweilige Regierung veranlasst wird, die Einhaltung der Regeln durch Zwang und unter Strafandrohung zu gewährleisten. Nationale Regierungen sind für die Durchsetzung internationaler Regeln aber vor allem dann höchst ungeeignet, wenn diese im Gegensatz zu ihren eigenen politischen bzw. politökonomischen Machtinteressen stehen.

Und die Superregierung, die ein übergeordnetes globales öffentliches Interesse verfolgt, gibt es in absehbarer Zeit nicht, unabhängig von der Frage, ob eine solche überhaupt generell erwünscht wäre. Es scheint, so Ebeling, also besser, jede Gefahr durch die globale Erwärmung so zu behandeln, als ob sie durch rein natürliche Kräfte in den eigenen Heiz- und Kühlkreisläufen des Planeten verursacht worden wäre. Mit anderen Worten, nicht als etwas Menschgemachtes, das zu stoppen wäre, sondern als ein Faktum, an das wir uns nach besten Kräften anpassen müssen und anpassen können.

Mehr Vernunft statt mehr Panik

Ebelings Schlussfolgerung lautet wie folgt: Die beste Strategie gegen allfällige negative Folgen des Klimawandels beruht auf der Ausblendung der ganzen Schuldfrage und dem Verzicht auf den diesbezüglichen Korrektur-, Machbarkeits-, und Erziehbarkeitswahn, der womöglich sogar kontraproduktiv wirkt. Das hat nichts mit der Leugnung anthropogener Ursachen zu tun, sondern mit Realismus gegenüber allen politischen Klimarettungsstrategien, die irgendwelche Schuldigen und Klimasünder bestrafen und die Menschheit insgesamt rechtzeitig ökologisch umerziehen wollen, indem sie das Bussgeld von grösseren zu kleineren Sündern umverteilen. Das könnte leicht ins Kontraproduktive umkippen.

Ähnliches vertritt auch der dänische Ökonom Björn Lomborg, der dazu aufruft, sich auf die Bekämpfung der Folgen zu konzentrieren und sich nicht in der Ursachenbekämpfung zu verrennen. Wer solche Überlegungen anstellt und publiziert, setzt sich zwar dem Vorwurf des verantwortungslosen Klimaleugners aus, aber wenn weltweit der Ruf nach «mehr Panik» erklingt, braucht es die Stimmen, die zur Vernunft mahnen, ohne das Nichtstun zu propagieren.

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