Die Wirtschaft suhlt sich im Mainstream

suhlen.pngDie Schweiz leistet zu oft vorauseilenden Gehorsam. nach Autor Wir stellen fest, dass die Stimme der Privatwirtschaft im Gegensatz zu…

Die Schweiz leistet zu oft vorauseilenden Gehorsam.

Wir stellen fest, dass die Stimme der Privatwirtschaft im Gegensatz zu früher heute schwach und schwammig ist. Für diese ungute Entwicklung ist für uns das folgende Paket mit sieben miteinander verknüpften Entwicklungstrends verantwortlich:

Erstens interessieren sich die grossen internationalen Konzerne nur am Rand für schweizerische Politik und wollen vor allem nicht anecken (political correctness); oder aber sie vertreten nur Sonderinteressen wie z. B. bei der Rentenreform oder der Unternehmenssteuerreform. Im ersten Fall achteten sie nur auf ihre Pensionskassen, im zweiten nur auf ihre Sonderprivilegien.

Zweitens sind die KMU häufig gespalten zwischen marktwirtschaftlichen Bekenntnissen und dem Jagen nach Subventionen, regulatorischen Privilegien oder dem Schutz vor dem Wettbewerb. Die Wirtschaft ist immer häufiger Täterin und nicht Opfer der Regulierung. Jüngstes Beispiel dafür ist die Fair-Preis-Initiative aus Gewerbekreisen.

Die Unternehmen verwischen drittens selber die Grenzen zwischen Staat und Markt, indem sie dem ökologisch-sozialen Mainstream huldigen (CSR-Reporting, Nachhaltigkeit, Energiesparen). Sie stellen ihre ökologische, soziale oder gar politische Verantwortung immer stärker in den Vordergrund, was ungewollt aber unvermeidlich ihre Leistungen für den Markt immer mehr in den Hintergrund drängt.

Viertens sind selbst die grossen Wirtschaftsverbände – insbesondere auch Economiesuisse – innerlich zerrissen und nach aussen opportunistisch geworden. Sogar Think-Tanks wie Avenir Suisse oder Stiftungen wie Strategiedialog 21 pflegen den Mainstream mit medialem Spektakel, Personenkult oder unverbindlichen Tagungen über Digitalisierung, Genderprobleme, Energieeffizienz oder Nachhaltigkeit der Wirtschaft. Ihre Stiftungsräte widerspiegeln die üblichen Lobbys. Klare politische Stellungnahmen z. B. gegen die Energiewende, das Pariser Abkommen oder die Agenda 2030 der Uno werden ersetzt durch vorsichtige Versuche des Bremsens oder Lenkens in weniger marktfeindliche Richtungen – ganz nach der Devise: Das Allerschlimmste konnten wir verhüten.

Fünftens ist die oft gutgemeinte, gelegentlich aber auch scheinheilige präventive Selbstregulierung durch die Wirtschaft leider meist nur eine Vorstufe von staatlichem Zwang (Ressourcenökonomie, Konzernverantwortung, umweltpolitisch beeinflusste Anlagepolitik der Pensionskassen oder neuestens Frauenquoten). Was ehrlich bis naiv als Instrument zur Verhinderung von obligatorischen Staatseingriffen verkauft wird, ist der willkommene Türöffner für nachfolgende harte Regulierungen. Viele Unternehmen streben sogar selber nach einer Maximallösung, weil dieses Vorgehen scheinbar eine Garantie dafür ist, dass alles geregelt ist. Selber über das Ziel hinauszuschiessen, statt Zurückhaltung zu üben, ist alles andere als zielführend. Für die Bürokratie geht die weiche Selbstregulierung nie weit genug oder bleibt immer lückenhaft. Es ist ein leichter Anfang, aber nicht das böse Ende.

In einigen Kantonen, vor allem aber beim Bund hat sich sechstens das Machtzentrum weg von Parlament und Bundesrat hin zur Verwaltung verschoben, verbunden mit etatistischer Ausrichtung und gewaltiger personeller Ausdehnung. Die Verwaltung setzt weitgehend die Agenda sowohl im Bundesrat wie im Parlament, selbst bei Gegenvorschlägen zu Initiativen wie etwa No Billag. Bundesämter für Energie, Umwelt, Gesundheit, Raumplanung oder Migration dominieren längst nicht nur den Bundesrat, sondern beherrschen auch die Gesetzgebung.

Siebtens unterwirft sich die Schweiz in vorauseilendem Gehorsam internationalen Institutionen wie der Uno oder der OECD und versucht dann auch gleich noch, als Musterschülerin alles vorbildlich und vorschnell umzusetzen wie z. B. das wertlose Pariser Abkommen, die scheinheilige Uno-Agenda 2030 oder die Steuerreformen der OECD, ganz zu schweigen vom autonomen Nachvollzug gegenüber der EU.

Dieser Beitrag ist zuerst als Gastkommentar von Sandra Bürli-Borner und Silvio Borner in der NZZ vom 5. Januar 2018 erschienen.

Facebooktwitterlinkedinmail

Schreiben Sie einen Kommentar

Bitte beachten Sie: Kommentare sind auf 2000 Zeichen begrenzt.