Abgasskandal oder Versagen der Regulierung?

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Wir wussten es ja schon immer: Unternehmen und ihre Manager sind gewinnsüchtig und scheuen auch vor Rechtsbruch, Betrug und Lügen nicht zurück, wenn das rentiert. Die deutsche Automobilindustrie hat uns das wieder einmal besonders drastisch vor Augen geführt. Oder gibt es tiefer liegende politische Ursachen? Jawohl – unübersehbare, wenn man richtig hinschaut.

Vor lauter Klimahysterie haben die Politiker Abgasvorschriften erlassen, die dem technischen Fortschritt vorauseilen, was nie gut herauskommt. Denn entweder lenkt man diesen in falsche Richtungen wie bei Solar- oder Windenergie. Oder man reguliert die Grenzwerte für Schadstoffe zu schnell oder zu stark nach unten wie bei den Dieselmotoren. Damit will man die schädlichen Auspuffgase reduzieren, was ja auch sinnvoll ist.

Nur: Wie kontrolliert man Abermillionen von Autos, die unter verschiedensten Bedingungen herumkurven? Man beschränkt sich auf die Zulassung von neuen Modelltypen und testet diese unter standardisierten Laborbedingungen. Dabei muss die Regulierungsbehörde eng mit der Industrie kooperieren. Das Know-how liegt ja bei den Herstellern. Also arrangiert man das Labor so, dass möglichst gute Resultate herauskommen, wohl wissend, dass draussen in der Realität ganz andere Verhältnisse gelten.

Das ist von Anfang an allen klar. Oder wer hat je ein Auto besessen, das im Verkehr nur die im Test zertifizierten Liter pro 100 km verbraucht? Ich hatte früher einen Jaguar Mark 2 mit Jahrgang 1962, der für die Vorführung jeweils in der Garage prüfungstauglich präpariert und vor der Rückgabe wieder benutzerfreundlich gemacht wurde (ist verjährt). Statt die Schadstoff-Limiten vernünftig anzupassen, manipuliert man die Kontrollumstände. Von hier ist es dann nur noch ein kleiner Schritt, technisch allzu strenge und deshalb unrealistische Grenzwerte versteckt im Auto selbst zu manipulieren, um dieses fahrtauglicher zu machen und allenfalls Kosten einzusparen.

Jede Regulierung ist ein Wettlauf zwischen Regulatoren und Regulierten, aber auch eine Einladung zur heimlichen Kooperation. Gerade in der deutschen Autoindustrie ist die Verbandelung zwischen Industrie, Gewerkschaften und Behörden so stark, dass der Skandal erst in den USA aufgeflogen ist. Weniger wegen der Weltrettung als vielmehr, weil die Amerikaner diesel-technisch gegenüber Deutschland und Japan in Rücklage geraten waren.

Zudem gibt es bei Dieselfahrzeugen einen Konflikt zwischen CO₂-Reduktion und dem Stickoxyd (NOx). Wird nun wegen der Klimahysterie das CO₂ zu tief angesetzt, trübt dies den Blick für das NOx. Also solange die Politiker nur das CO₂ im Kopf haben, nimmt man halt mehr andere Schadstoffe in Kauf, obwohl diese lokal eher mehr Schaden anrichten. Um dieses Risiko abzudecken, manipuliert man noch ein bisschen und hofft auf das (stillschweigende) Einverständnis der nationalen Regulatoren. Zudem verteufelt man mit dem Diesel eindeutig den schadstoffärmsten Verbrennungsmotor.

Aber sind wir besser? Leider nein, denn beim Strom oder Gas lügen uns die staatlichen Werke in Sachen Strom – 100 Prozent erneuerbar aus eigener Produktion – oder beim Biogas noch hemmungsloser an, wohl wissend, dass die Politik und die Justiz sie verschonen.

(Dieser Beitrag wurde zuerst in der Rubrik “Agenda” auf Seite 17 der BaZ vom 18. August 2017 publiziert.)

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6 thoughts on “Abgasskandal oder Versagen der Regulierung?”

  1. Wenn nur alle so unaufgeregt diesen angeblichen Betrug der “Autobosse” kommentieren würden! Sie schreiben kurz und knapp, was Sache ist.

    Vielen Dank, Herr Professor. Und bitte noch viele weitere hervorragende Artikel. Sind allesamt ein “Genuss”

  2. Zum Beispiel, dass die Manager Umsatz und Gewinnziele erreichen müssen, wenn sie in leitenden Funktionen bleiben wollen. Und die Finanzwelt die Firmen sofort bestraft, welche die Erwartungen der Investoren nicht erfüllen. Oder sind das antiliberale Gedanken?

  3. Forderungen an die Automobilhersteller, Autos zu bauen, die ihre Käufer nicht kaufen wollen, zeugen von erschreckender Naivität. Und dann auch gleich die “Gier”-Keule herausholen, oje. Manche Leute träumen auch in der Schweiz von einem Sozialismus-Kommunismus, den sie zum Glück nie kennengelernt haben. In der “DDR” musste man mehr als 10 Jahre auf die Zuteilung seines Autos warten, und dann gab es nur den Einheits-Stinker Trabi mit seinem besonders umweltfreundlichen Zweitaktmotor. Wer gierige Manager blossstellen will, sollte in die USA schauen, wo ein Herr Shkreli den Preis für ein lebensrettendes Meidkament aus Profitgier um mehr als 1.000 % heraufsetzte. Die freie Marktwirtschaft hat das zu liefern, was der Kunde haben will, es sei denn, der Staat hat berechtigte Einwände. Und zuviel Staat hat seine Nachteile. Wer das nicht wahrhaben möchte, dem sei ein Besuch in Nordkorea, Kuba oder Venzuela empfohlen.
    Mfg

  4. Herr Huber, stellen Sie sich doch eine Welt vor, in der Manager keine Gewinne erzielen müssten, und die Finanzwelt diejenigen Firmen belohnen würde, welche die Erwartungen der Investoren nicht erfüllen…

    Gewinnstreben und Wettbewerb, dass sind die Ingredienzen für volkswirtschaftliche Prosperität. Und, wie die Empirie eindrücklich zeigt, volkswirtschaftliche Prosperität ist die Grundlage für eine ökologische Pollitik.

    Silvio Borner zeigt eben auf, was passieren kann, wenn Gewinnstreben mit Abreden und Klüngelei mit der Verwaltung und protektionistischen Regungen einhergeht.

  5. Sie haben Recht, sogar der hochangesehene Professor Borner hat damals seine Jaguar so vorbereiten lassen, dass sie durch die Prüfung kommt, und anschliessend wieder “betriebstauglich” gemacht. War das auch eine Abrede mit der Verwaltung oder hart ausgedrückt, ein Betrug?

  6. Wenn prüfungstauglich betriebsuntauglich bedeutet, dann ist das von Silvio Borner geschilderte Vorgehen, ob legal oder auch nicht, ob Abrede oder auch nicht, unumgänglich. Wer will schon ein Auto in der Garage stehen haben, das zwar die Prüfkriterien erfüllt, aber dann nicht mehr betriebstauglich ist…. 😉

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