Die unwahrscheinliche CO2-Neutralität

Beim derzeitigen Tempo würde es zwei Jahrhunderte dauern, bis die Welt den ersten Teil der Dekarbonisierung umsetzt, der auf internationalen Konferenzen beschlossen und in Gesetzen verankert wurde. Allerdings werden bereits 2,6 % des weltweiten BIP jährlich in sogenannte saubere Energien investiert. Innerhalb von 25 Jahren, also achtmal schneller als heute, und mit jährlichen Investitionen von mehr als 20 % des BIP: Ist es also realistisch, die CO2-Neutralität zu erreichen? Wo liegt der Fehler?

Er liegt nicht in den Zahlen: Im Jahr 2024 betrug der Anteil fossiler Brennstoffe am weltweiten Primärenergieverbrauch 86,6 %. Der Rückgang dieses Anteils stagniert seit Jahren bei etwa 0,33 % pro Jahr[1]. Wenn die CO2-Neutralität weiterhin die Verwendung von 20 % fossiler Brennstoffe für industrielle Aktivitäten zulassen würde (ein ‘brutto Null’ Ziel), deren Emissionen dauerhaft aufgefangen und gespeichert werden, würde es 200 Jahre dauern, bis dieses Ziel erreicht wäre. Dabei ist zu bedenken, dass bisher nur die ersten, am leichtesten zu erntenden Früchte (“low hanging fruits”) gepflückt wurden. Der Verbrauch von kohlenstofffreien Energien nimmt zwar weiterhin zu, jedoch mit einer nachlassenden Geschwindigkeit, was darauf hindeutet, dass neue Möglichkeiten immer schwieriger zu nutzen sind und dass jedes exponentielle Wachstum letztendlich an seine logistischen Grenzen stösst.

Der Fehler liegt auch nicht in der Realität der Bedürfnisse: Der Anstieg der Energienachfrage ist so gross, dass weiterhin fossile Brennstoffe gefördert werden müssen, um sie zu decken und um Strom in Deutschland oder vor allem in China und anderen BRICS-Staaten zu produzieren.

Auch die Energieeffizienz ist nicht das Problem, da sie sich verbessert, während der Energieverbrauch deutlich langsamer wächst (+1,2 % pro Jahr, davon +0,8 % weiterhin durch fossile Brennstoffe gedeckt) als die Wirtschaft insgesamt (BIP +2,5 % pro Jahr).

Der Fehler muss also woanders gesucht werden, nämlich in den Medien und der Politik, die von einem vorherrschenden Ökologismus geprägt sind: Sie sind nicht in der Lage, die oben dargelegten, aus offiziellen Veröffentlichungen stammenden Fakten zu verinnerlichen[2].

Es handelt sich um Grössenordnungen, die nicht ignoriert werden können. Sie machen eine Änderung der Art und des Umfangs der Ziele erforderlich. Es ist nicht länger möglich, zu glauben, man sei Herr über das Klima. Es dürfen keine untragbaren Lösungen mehr aufgezwungen werden. Und es darf nicht mehr alles in Bezug auf den CO2-Ausstoss bemessen werden, während man noch für lange Zeit davon abhängig ist.

Wenn wir glauben, auf dem Weg zur CO2-Neutralität zu sein, dann sind es nur sehr kleine Schritte, die mehr kosten als die Übel, die wir vermeiden möchten. Von COP zu COP müssen die Ziele revidiert werden, sie müssen bescheidener, realistischer und erschwinglicher werden.

[1] Siehe diese originellen Grafiken, die für die Betroffenen nicht einmal von Interesse sind https://www.c-c-netzwerk.ch/decarb/

[2] Energy Institute, 2025 Statistical Review of World Energy

Weltbank, Weltentwicklungsindikatoren (WDI)

Internationale Energieagentur (IEA), Weltweite Energieinvestitionen 2025

(Übersetzung des Originalartikels auf Französisch, veröffentlicht auf dem Blog des Autors, mit Hilfe von deepl.com)

)

Facebooktwitterlinkedinmail

Dies ist ein Blog von Autoren, deren Meinungen nicht mit denen von CCN übereinstimmen müssen.

7 thoughts on “Die unwahrscheinliche CO2-Neutralität”

    1. Eine KI stellt es so dar: “Fumarolen auf dem Meeresgrund, einschließlich derer am Nordatlantischen Rücken, tragen nur minimal (200-300 Mio Tonnen) zur CO₂-Belastung der Atmosphäre bei. Ihr Einfluss ist so gering, dass sie im Vergleich zu menschlichen Emissionen (35 Mrd Tonnen) vernachlässigbar sind. Die Meere absorbieren den Großteil des dort freigesetzten CO₂.”

  1. Das ist ein sehr guter Beitrag, Michel. Er zeigt deutlich die Malaise, in die wir uns international – vorallem in Europa und den USA – hinein manövriert haben: Das Vorhaben NetZero2050 ist der Welt von ungewählten internationalen Eliten der UN in konzertierter Aktion aufs Auge gedrückt worden. Ausgenommen arme “Entwicklungsländer” wie z.B. China oder Indien. Der internationale Clan der Klimawissenschaft hat das nach Kräften befeuert und abgesegnet. Und die Politik und die Mainstreammedien lassen seit Jahren keinen Tag ungenutzt, die Klima-Endzeitstimmung anzuheizen und den einzelnen Bürger verantwortlich zu machen. Von den unverhältnismässigen Gewinnen einer parasitären, subventionssüchtigen Erneuerbaren-Lobby der letzten 25 Jahre ganz zu schweigen. Der Sog von all diesen “stakeholders” ist in den letzten 2 Jahrzehnten bei uns ausser Rand und Band geraten.

    Nun zeigen sich aber zunehmend Risse im Gefüge. Verstärkt durch die schwierige allgemeine Weltlage drücken nun die negativen wirtschaftlichen Side-Effects der Erneuerbarenmanie und des Klimaaktivismus, ganz im Sinne des Gesetzes der “unintended consequences” durch, und stellen schrittweise das gesamte Vorhaben der “Klimarettung” in Frage. Die USA haben das als Erste erkannt und sind aus den prinzipiell und zeitlich unerfüllbaren internationalen Klimaverpflichtungen bis 2050 kurzerhand ausgestiegen. Und ziehen den Erneuerbaren, insbesondere der Windkraft nun den Stecker.
    Weltklimaretter Nr.1, Europa ist mit den daraus zunehmenden Widersprüchen derzeit still am Verzweifeln. Man darf das “Gute” ja keinesfalls aufgeben. Aber zur effektiven Decarbonisierung bräuchte es eine starke, potente Industriekultur – und das über eine sehr lange Zeit. Doch eine durch stetig steigende CO2-Steuern, ESG-Bürokratie-Overkill und exorbitante Stromkosten nudelfertig gemachte Industrie kann das beim besten Willen nicht mehr stemmen. Ein Teufelskreis. Eine Abwärtsspirale: Bedeutende Unternehmen wandern ab, oder lagern energieintensive Prozessschritte in Länder mit stark fossil dominierten, wesentlich günstigeren Bedingungen aus. Deutschland zeigt es uns in aller Dramatik. Hilflos hängt es in den Seilen. Es darf keine Kohle & Gas und kann keine Kernenergie mehr. Deshalb: Schweiz – Raus aus dem Pariser Klimaabkommen und zwar rassig, bevor zuviel (irreversibles) Unheil angerichtet ist!

  2. Es geht eigentlich nicht darum das Klima zu retten, sondern die Menschheit von den negativen Auswirkungen der Klimaerwärmung zu schützen. Ob es günstiger ist an der Quelle zu agieren (vor allem CO2 Austoss) oder Schutzmassnahmen (welche konkret?) zu treffen ist nicht eindeutig zu beantworten. Die Menschen haben immer gerne experimentiert, das war oft auch die Quelle für grosse Erfindungen, hoffentlich wird es diesmal sie nicht massiv überfordern … Die grosse Mehrheit der Wissenschaftler denkt aber, dass man vor allem an der Quelle agieren soll!

    1. Was in solchen Sachen zählt, sind die Grössenordnungen, faktisch.
      Die Mehrheit dieser Wissenschaftler, und sie sind nicht allein, ignoriert sie zu Gunsten von einem Wunschdenken, der jährliche Investitionen von ~20% des Welt-BIP in Anspruch nehmen sollte.
      Wenn ein General erkennt, dass sein Kriegsziel mit seiner Strategie nicht zu erreichen ist, reicht es nicht aus, die Strategie zu ändern, sondern er muss auch seine Kriegsziele überdenken, beispielsweise indem er versucht, einen Frieden zu schliessen.

  3. Ein sehr interessanter Beitrag. Wo stünde Deutschland in der Grafik, wenn der irrwitzige Atomausstieg nicht realisiert worden wäre?

Schreiben Sie einen Kommentar zu Johannis Nöggerath Antworten abbrechen

Bitte beachten Sie: Kommentare sind auf 2000 Zeichen begrenzt.