Übergriffige deutsche Energiewende

Wenig Rücksichtnahme auf Nachbarländer

Auf der Plattform „wikifolio“ lese ich heute morgen folgende Agenturnachricht:
BRÜSSEL (dpa-AFX) – Das belgische Parlament hat mit großer Mehrheit für ein Ende des Atomausstiegs gestimmt. 102 Abgeordnete votierten für eine Verlängerung der Laufzeit der bestehenden Reaktoren, 8 stimmten dagegen. Es gab 31 Enthaltungen. Die rechte Regierung von Ministerpräsident Bart De Wever plant auch den Bau neuer Reaktoren. Derzeit verfügt Belgien über zwei Kernkraftwerke mit sieben Reaktoren – drei wurden allerdings bereits vom Netz genommen.

Auch die NZZ berichtete gleichtags darüber. An dieser Stelle könnte man nun mit Blick auf die mühsame schweizerische Debatte um die Aufhebung des KKW-Neubauverbots in eine Diskussion über die politischen Entscheidungsprozesse unter unterschiedlichen institutionellen Bedingungen einsteigen. Hier soll aber ein anderer Aspekt beleuchtet werden, nämlich die Übergriffigkeit des deutschen Energiewende-Alleingangs auf die Nachbarländer.

Einen Geschmack davon lieferte bereits das Kurzinterview mit der schwedischen stellvertretenden Ministerpräsidentin und Energieministerin Ebba Busch (hier). Sie kritisierte freundlich, aber betimmt die enormen Preisausschläge am Strommarkt, die durch die deutsche Flatterstromproduktion entstehen und die auch auf die Strompreise der Nachbarländer durchschlagen. Schwedische Stromverbraucher werden so gezwungen, die Kosten der deutschen „Energiewende“ mitzutragen. Während Bandenergie aus Nachbarländern (Wasserkraft, Kernenergie) bei Dunkelflauten immer wieder deutsche Produktionslücken decken muss, hat Deutschland im Gegenzug nichts dergleichen zu bieten. Ganz im Gegenteil belastet in sogenannten „Hellbrisen“ (gleichzeitig viel Sonne und Wind) die deutsche Überproduktion das europäische Netz. Die damit verbundenen Risiken hat man jüngst beim grossflächigen Blackout auf der iberischen Halbinsel mitverfolgen können.

Forsche deutsche Forderungen
„wikifolio“ meldete auch noch folgendes:„In Deutschland sorgen die belgischen Atommeiler aus den 1970er und 1980er Jahren immer wieder für Diskussionen. So wurden bei Reaktoren im Nachbarland mehrfach Mängel festgestellt, etwa marode Betonteile. Unter anderem die nordrhein-westfälische Stadt Aachen und die Bundesregierung forderten deswegen in der Vergangenheit wiederholt die Stilllegung. Das Kraftwerk Tihange liegt etwa 60 Kilometer von Aachen entfernt.“

Analoge deutsche Einmischungen gab es auch schon in Bezug auf schweizerische Kernkraftwerke. Aus dem deutschen Umweltministerium, beherrscht von rot-grünen Politikerinnen, kam vor einigen Jahren die forsche Forderung, die Schweiz solle zum Schutz der süddeutschen Bevölkerung die beiden Blöcke von Beznau zeitnah stilllegen. Da diese KKW wegen der jahrzehntelangen links-grünen Anti-AKW-Propaganda und Verhinderungspolitik nicht ersetzt werden konnten und inzwischen in die Jahre gekommen sind, ist es für die Anti-AKW-Lobby leicht, einfach aufgrund des Alters von maroden Anlagen zu fabulieren, die möglichst bald stillgelegt werden sollten. Dabei wurden die schweizerischen KKW für Hunderte Millionen Franken immer wieder nachgerüstet. Sie gehören deshalb weltweit zu den sichersten Anlagen. Trotzdem wird jedes Ereignis, zum Beispiel Schnellabschaltungen im KKW Beznau, auch in süddeutschen Medien jeweils gebührend breitgeschlagen.

Zur Forderung aus dem deutschen Umweltministerium brachte die NZZ damals in einem Kommentar eine sinnvolle Gegenforderung ins Spiel: „Aus Schweizer Sicht wäre es verlockend, die sofortige Abschaltung des Kohlekraftwerks Niederaussem in Nordrhein-Westfalen zu fordern. Es verursacht einen jährlichen CO2-Ausstoss von rund 27 Millionen Tonnen. Dies ist halb so viel wie die gesamte Schweiz in einem Jahr an Treibhausgasemissionen ausstösst.“

Gut, inzwischen hat sich der CO2-Ausstoss des Braunkohle-Kraftwerks durch schrittweise Stilllegung von Blöcken auf unter 20 Millionen Tonnen reduziert. Bis 2030 soll Niederaussem ganz geschlossen werden. Deutschland wird aber mit seiner auf Flatterstrom setzenden Energiewende noch auf Jahre hinaus auf fossile Back-up-Kapazitäten angewiesen sein. Dazu ein Schnappschuss aus der heutigen NZZ:

(Dieser Beitrag wurde am 16. Mai 2025 im Blog des Autors “voll daneben” publiziert.)

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4 thoughts on “Übergriffige deutsche Energiewende”

  1. Dazu kommt: In den letzten Tagen hatte die deutsche Stromproduktion bei höchstem Sonnenstand eine ähnliche Zusammensetzung wie die spanische vor dem Blackout: etwa 12% aus rotierender Masse (Kohle und Gas, kaum Wasser). So kann die Frequenz und damit das Netz nicht stabilisiert werden. Frankreich, mit seinen Atomkraftwerken stabilisiert das deutsche Netz! Das funktionierte in Spanien nicht, weil nur zwei von drei Verbindungen verfügbar waren. Mit Deutschland ist Frankreich viel enger verflochten.

  2. “Fossiler Anteil im deutschen Strommix so hoch wie zuletzt 2018”, schreibt die NZZ.
    In der Tat:
    2018 waren 315 TWh aus Fossilien auf 641 TWh Bruttostromerzeugung , d.h. 49%, oder 53% vom Bruttostromverbrauch (593 TWh);
    2024 waren 190 TWh aus Fossilien auf 497 TWh Bruttostromerzeugung, d.h. 38%, oder 36% vom Bruttostromverbrauch (522 TWh).
    In ihrer Behauptung müsste die NZZ korrekter sein.

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