Dies ist ein Blog von Autoren, deren Meinungen nicht mit denen von CCN übereinstimmen müssen.

Grossen verdient gross – die Lobbyisten sind die anderen

«Die Schweiz kann die Energiewende bis 2050 schaffen»
(Link NZZ-online/Bezahlschranke)

Gastkommentar von Jürg Grossen
in der NZZ vom 16. November 2024:

Vorbemerkungen

Die Schweiz kann die Energiewende, so wie sie sich NR Grossen und eine kleine, zum Glück aber immer kleiner werdende Mehrheit Politiker heute immer noch ausmalen, nicht schaffen. Das zeigen die Autoren im CCN-Blog seit langem mit Daten und Fakten und Argumenten. Die sichere Stromversorgung und die angestrebte Dekarbonisierung unseres Landes können auf Dauer nur mit einem optimierten Mix aus Wasser- und Atomkraft erreicht werden. Dem Flatterstrom aus Wind- und Solarkraftanlagen sowie anderen neuen sogenannt «erneuerbaren» Energien bleiben längerfristig bestenfalls Nischenfunktionen der Versorgung. Wir sollten darum schon jetzt den langfristig optimalen Produktionsmix abschätzen und unsere kurz- und mittelfristigen Investitionen danach ausrichten. Dies gilt besonders auch für den Ausbau der Netze. Dieser liesse sich minimieren, indem wir für Zwischenlösungen nicht auf Flatterstrom, sondern auf Gaskraftwerke setzten. Mit unserem Solar- oder Alpinsolarexpress und dem Windexpress errichten wir dagegen zuhauf Anlagen und Netze, die bald zu den «stranded investments» (unnütz gewordene Investitionen) zu zählen sein werden. Wir werden enorme volkswirtschaftliche Verluste zu verzeichnen haben – dazu erhebliche Landschafts- und Umweltschäden.

Zu dieser Einschätzung und Einsicht bin ich in meiner weit über 10-jährigen Beschäftigung mit Energieökonomik und Energiepolitik gekommen. Ich habe dabei gelegentlich in Regulierungsangelegenheiten für Elektrizitätswerke gearbeitet, doch nie habe ich einen Franken von einer «Atomlobby» gesehen. Die Kernkraft war für mich nur einmal und indirekt Auftragsthema in einem Disput um die adäquate Höhe des Stilllegungs- und Entsorgungsfonds für die bestehenden AKW.

Trotzdem bin ich für NR Jürg Grossen ein Atomlobbyist. Wie es jeder ist, der Grossens Meinung nicht teilt. Wir greifen ein paar Zeilen aus Grossens Gastkommentar heraus:

Laut einem NZZ-Artikel vom 30. September blendet das neue Gesetz einen kritischen Aspekt aus: das Verteilnetz. Dieses könne mit der Entwicklung nicht Schritt halten […], gelange vermehrt an seine Kapazitätsgrenzen, was zu jahrelangen Verzögerungen beim Solarausbau führe. Das ist übertrieben: Das Thema wurde im Stromgesetz sehr wohl berücksichtigt, die «jahrelangen Verzögerungen» sind gar viel Panikmache. Der Artikel lässt ausser acht, dass wir bereits heute über das Werkzeug verfügen, um diesen Problemen vorzubeugen. Es heisst intelligentes oder smartes Stromnetz […]

Prompt nutzt die Atomlobby dieses angebliche Versäumnis, um ihre alten und überholten Forderungen nach neuen Atomkraftwerken noch dringlicher vorzutragen.

Als Elektroplaner ist mir selbstverständlich bewusst, dass das Verteilnetz punktuell ausgebaut werden muss. […]

Seit bald zehn Jahren treibt der Verein Smartgridready intelligente Lösungen voran, um das Stromsystem zu optimieren. Fortschrittliche Verteilnetzbetreiber und Geräteanbieter arbeiten gemeinsam an Lösungen, um Solaranlagen, Wärmepumpen und Ladestationen schonend in das bestehende Stromnetz zu integrieren. […]

Es sind Scheinargumente, mit denen Atomlobbyisten die Schweiz vom eingeschlagenen Weg in Richtung Energiewende abzubringen versuchen. Es sind dieselben Argumente (von denselben Absendern), die bereits im Abstimmungskampf um das neue Energiegesetz beim Stimmvolk nicht verfingen. […] Die Schweiz hat die Mittel, das Wissen und den Plan, um die Energiewende bis 2050 zu schaffen. Die Zukunft der Energieversorgung liegt in unseren Händen – sie ist intelligent und erneuerbar.

Im Sinne von Grossen folgt:

  • Die NZZ macht auf Panik, ist wohl von der Atomlobby infiltriert;
  • Die Atomlobby hat aber keine Argumente, nur Scheinargumente – die Panikmache der NZZ hilft ihnen;
  • Grossen hingegen ist Elektroplaner, hat Argumente und weiss, wie Energiewende geht;
  • und Grossen leitet Verbände von Anbietern, die nicht nur wissen, wie es geht, sondern die dazu auch die richtigen Angebote haben (und Grossen selber hat sie natürlich auch);
  • aber mit einer Lobby haben Grossen und seine nationalen Energiewendechampions rein nichts zu tun.

Kommentar

Grossen darf nicht ernst genommen werden, solange er nicht klipp und klar angibt, was diese Atomlobby ist und wer dazu gehört? Zudem muss er die Argumente dieser angeblichen Lobby aufnehmen, darauf eintreten, sie entkräften können.

Doch nichts dergleichen ist zu sehen. Liest man Grossen aufmerksam, dann wird klar: Er und seine Lobby – von der man sieht, wer dazu gehört – sind es, die keine Argumente haben. Sie «argumentieren» mit Behauptungen – das ist keine Argumentation.

Hinweis

40% des AKW Gösgen gehören Alpiq, 15% der Stadt Zürich, 7,5% der EWB, Rest direkt oder indirekt Axpo. 27,4% des AKW Leibstadt gehören Alpiq, Rest Axpo. Die AKW Beznau I und II gehören der Axpo.

Axpo, Alpiq und die Stadt Zürich unterstützen Grossens Energiewende-Lobby und stellen sich bis dato ausdrücklich gegen die Wiederaufnahme einer Nuklearstrategie. Die aktuellen betrieblichen Hauptstrategien der grossen schweizerischen Elektrizitätswerke zielen darauf ab, im In- und im Ausland möglichst viele Energiewende-Subventionsgelder einzunehmen.

Schluss

Wer zum Teufel ist denn da diese Atomlobby?
Und ich hielte mich nach den deutschen Erfahrungen der letzten Zeit nicht mehr dafür, als Politiker zu sagen: “Wir schaffen das.”

Facebooktwitterlinkedinmail

7 thoughts on “Grossen verdient gross – die Lobbyisten sind die anderen”

  1. Wer immer mit dem Wort “Atomlobby” um sich schlägt hat keine Argumente.
    Schon blöd, dass die Bezeichnung nicht zutrifft. Ich habe in meiner ganzen beruflichen Tätigkeit noch nie einen Rappen für die Publikation meiner Stellungnahmen betreffend Kernenergie erhalten. Ich würde das auch nicht akzeptieren, denn nichts ist mir mehr Wert als meine Meinungsfreiheit. Es gibt leider viel zu wenig Leute, welche dieses Privileg nutzen und den Mut haben, ihre eigene Meinung frei zu äussern. Im CCN sitzen solche Leute. Das ärgert halt Leute wie ein Jürg Grossen masslos.
    Lobbyism ist übrigens eine akzeptable Form der Einflussnahme, wenn der Geldgeber unaufgefordert offengelegt wird.

    1. Ich stimme Markus Häring zu. Unsere Arbeit und Analysen im CCN beruhen auf dem Wissen und der Erfahrung der Autoren, oder des Autoren Kollegiums. Auch funktioniert der “Check and Balance” Modus unter uns vorzüglich . Noch nie hat jemand unsere publizierten Erkenntnisse mit Fakten widerlegt. Was wir tun, geschieht auf der Basis von frei und willig.
      Begriffe wie “Atomlobby”, “Klimaleugner” oder eben “Atomlobby” sind jeweils Keulen, welche Energie- und Klima-Ideologen schwingen, wenn diesen Kreisen faktenbasierte Argumente ausgehen.
      Diese Ideologen-Kreise haben sehr wohl ihre leider noch immer sehr starken Lobby Organisationen, wie beispielsweise “Swisssolar” oder die vielen NGO’s und wissen diese Klaviatur sehr geschickt einzusetzen. Wie sich auch herausgestellt hat, haben viele NGO’s geschickt auch die Amtsstuben infiltriert.
      Auch werden mit grossem Geschick Orwell’sche Mechanismen, wie besonders “Newspeak” verwendet, d. h. untaugliche Massnahmen werden schöngeredet, zwischen “gut” und “schlecht” gibt es nichts. Folglich, wer dem (schöngeredeten) “Guten” nicht folgen kann oder dies nicht will, ist eben schlecht.

    1. Genau. Ich erinnere daran, dass ihr Verband VSE kurz nach Fukushima und nach der übereilten Formulierung einer neuen “Energiestrategie” durch Bundesrätin Leuthard die Öffentlichkeit gewarnt hat, dass sich diese neue “Strategie” nicht umsetzen liesse. VSE-Direktor Michael Frank stand am Whiteboard und erläuterte in ergreifenden Worten, welche Lücken sich da bei Schliessung von AKW öffnen würden, die nur mit Importen geschlossen werde könnten. Leuthard hat sie dann alle gekauft oder auf andere Weise gefügig gemacht. Genauso ist sie mit der Mehrheit der Forschung vorgegangen. Heute setzt sich die parastaatliche Elektrizitätswirtschaft und ein Grossteil der Gefälligkeitsforschung immer noch für diese irreführende und höchst schädliche Politik ein – ihre Proponenten stehen im Glauben, noch ihr Gesicht wahren zu können. Das haben sie aber längst verloren. Wir werden noch Peinlichkeiten erleben…

      Gewisse müsste man wegen Irreführung anklagen und verurteilen. Allen voran Bundesrätin Leuthard: “Wir schaffen das – sicher, sauber, schweizerisch!” (oder so ähnlich …) “für 40 Franken pro Jahr und Familie.”

  2. Mein gestriges Mail an NR Grossen
    Sehr geehrter Grossen

    Gerade habe ich Ihre Replik gelesen. Ihre Aussagen betreffen Kernkraftwerke sind in meinen Augen in einigen Punkten sachlich nicht haltbar. Die weltweite Entwicklungen in der Kernenergie bezüglich Sicherheit, Entsorgung und Kosten zeigen ein anderes Bild. Ich erlaube mir daher Sie auf das faktenbasierte Buch von Martin Schlumpf aufmerksam zu machen.

    Wir haben doch primär ein Winterstromproblem auf volkswirtschaftlich optimale Weise und grösstmöglicher Sicherheit zu lösen. Dieses kann nur entweder mit gewaltigen Speicher- und Netzausbaukosten oder zuverlässiger Bandenergie, wie sie Kernkraftwerke liefern, gelöst werden. Wissenschaftliche ETH-Studien (wie z.B. von Prof. Züttel) haben klar aufgezeigt, was eine saisonale Stromspeicherung des Flatterstroms bedeuten würde (Davon erfahren wir leider von Seiten der Medien herzlich wenig). Saisonal müssten zwischen 18 und 23 Terawattstunden gespeichert werden. Es bräuchte dazu 10-13 Speicherseen im Volumen des Stauwerkes Grande Dixence. Diese müssten ihr gesamtes Volumen für die Winterstromlücke zurückbehalten, was enorme Speicherkosten verursachten würde. Selbst das Speichervolumen des Pumpspeicherkraftwerks Linth-Limmern reicht gerade mal für 28 Stunden der Produktion des KKW Gösgen! Eine saisonale Speicherung mit Batterien oder mit Wasserstoff verursacht enorme Kosten. Mit Wasserstoff z.B. bräuchte es ein Volumen von 25 mal Gotthardbasistunnel.

    Selbst wenn die Erstellungskosten von AKW sehr hoch sind, sind jedoch die Produktionskosten und der Materialressourcen-Verbrauch unvergleichlich günstiger als bei den Erneuerbaren. Kernkraftwerke können, im Gegensatz zu PV- und Windkraftanlagen, bis zu 80 Jahren günstigen Strom produzieren. Das Bundesamt für Energie hat errechnet, dass die Stromkosten für Kernenergie 5 bis 12 Rappen pro Kilowattstunde betragen (inklusive Entsorgung der radioaktiven Abfälle!). Die reinen Produktionskosten bei Photovoltaik beziffert das Bundesamt zwischen 10 und 26 Rappen (ohne Speicher- und Entsorgungskostenkosten!).

    Volkswirtschaftlich gesehen ist die Lösung der Stromerzeugung mit nur erneuerbaren Energien nicht optimal und mit viel zu hohen Stromkosten verbunden (siehe Deutschland!). Zudem wird mit unseren Steuergeldern eine nicht optimale und nicht landschaftsschonende Stromerzeugung subventioniert (bis zu 60%!), welche die Verhinderung einer Strommangellage im Winter nicht garantieren kann. Ausserdem weiss man nicht, wohin mit dem in ganz Europa viel zu viel erzeugten Sommerstrom (Stichwort: Negative Strompreise und leerlaufende Flusskraftwerke, wie in diesem Sommer geschehen). Das gefährdet auch die Rentabilität der CO2-freien Wasserkraft und ist daher volkswirtschaftlich unsinnig.

    Eine sachliche Diskussion über die volkswirtschaftlichen Gesamtkosten und eine zuverlässige Stromsicherheit im Winter tut Not.

    Besten Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

    Freundliche Grüsse
    Peter Bucher

    Peter Bucher-Studer, Dipl. Bauingenieur ETH/Sia
    Wesemlinstrasse 55
    6006 Luzern

    1. Ausgezeichnete Replik. Um es noch abzurunden: In Deutschland beginnen nun langsam, aber sicher und in den kommenden Jahren explosiv zunehmend die Abfallprobleme. Das Recycling von PV- und Windenergie-Komponenten will nicht recht gelingen und benötigt auf jeden Fall viel Energie und verursacht enorme Kosten (Ressourcenverzehr!). Und während der Atomabfall von ganz Deutschland wohl in einer oder ein paar Turnhallen Platz findet, dürften wir bei PV und Wind bald von Kubikkilometern Abfall sprechen… (!?). Die Kosten zu deren “Bearbeitung” sind noch nirgends finanziert.

  3. Ich finde die Idee von Herrn Grossen genial, den Strom, der im Winter fehlt, mit Smart Grid zu verwalten und zu verteilen. Ich halte das für die definitive Erfindung des Perpetuum mobile erster Ordnung. Darum schlage ich Herrn Grossen vor für den Darwin Award.

Schreiben Sie einen Kommentar

Bitte beachten Sie: Kommentare sind auf 2000 Zeichen begrenzt.