Replik an den Politaktivisten Knutti


Prof. Dr. Reto Knutti
ETH Zürich, Institut für Atmosphäre und Klima
Universitätstrasse 16, 8092 Zürich

Eine Replik: Ihr Artikel vom 16. Mai 2024 in GreenCircle und im Blick

Sehr geehrter Herr Knutti,

gleich zu Beginn sagen Sie betreffend Ziel des Stromgesetzes: «es will die Abhängigkeit vom Ausland beim Energieimport reduzieren …». Sicher ist das ein wichtiges Thema, wenn man jedoch alle Energieformen in Betracht zieht, dann ist gegenwärtig diese Abhängigkeit immerhin diversifiziert. Gas und besonders auch Öl kann aus verschiedensten Quellen bezogen werden und auch die Transportinfrastruktur bietet breite Diversifikationsmöglichkeiten. Die Umsetzung der CH-Energiestrategie ist hingegen schwergewichtig auf Photovoltaik ausgerichtet, d.h. man tauscht Diversifikation gegen sehr einseitige Abhängigkeit von China.

16 Wasserkraftwerke tönt gut, entscheidend ist aber deren installierte Leistung und Betriebsmodus: Laufkraftwerke gegenüber Stauanlagen. Da die Schweiz bereits seit einigen Jahren hydraulisch weitgehend ausgebaut ist, sind die tatsächlich umsetzbaren zusätzlichen Ausbaupotentiale gering und können nur einen geringen Anteil am grossen zusätzlichen Strombedarf decken, der durch die zu eliminierende Kernenergie und den notwendigen Strombedarf durch die Netto-Null-Auflage entsteht.

Sie schreiben auch, die Investitionen seien finanzierbar. Derartige isoliert für sich gestellte Behauptungen sind wertlos. Man kann sie nur bewerten, indem man die vorgesehenen Lösungsansätze mit alternativen Konfigurationen der Energieversorgung vergleicht. Wir haben solche alternative Lösungsansätze in unserem Think Tank mehrmals sorgfältig durchgerechnet. Es ist so, dass unter der Netto-Null-Prämisse eine Stromversorgung mittels – schwergewichtig – PV und den notwendigen Subsystemen (besonders Hydro-Speicherung) um rund Faktor 5 teurer zu stehen kommt als die Umsetzung einer Nuklearoption.1 Noch nicht eingerechnet sind dabei für die PV-Variante die Kosten für den Landbedarf (Dach- und Gebäudeflächen reichen bei weitem nicht), der in die Tausende von Quadratkilometern geht.

Und noch ein Wort zu den im Zusammenhang mit PV- und Windausbauten notwendigen saisonalen Hydro-Pumpspeichern. Da müssten zusätzliche Anlagen gebaut werden, die der Kapazität2 von etwa 7 Grand-Dixence Werken entsprächen. Wie wollen Sie diese in der Schweiz unterbringen – unter der Prämisse, nicht vom Ausland abhängig zu werden? Der Umweg über Wasserstoff (H2)-Speicherung wäre energetischer und finanzieller Irrsinn.

Auch irren Sie sich in Bezug auf den Nutzen von alpinen Solaranlagen. Möglicherweise haben Sie die Versuchsresultate der Anlage «Totalp» noch nie interpretiert. In der kritischen Periode von Ende November bis Anfang Februar sind leider auch die Tage in den Bergen kürzer. Die Winterstromlücke ist aber vor allem eine zeitliche Leistungslücke, es fehlt nämlich besonders an Leistung vor etwa 9 Uhr morgens und nach 16 Uhr nachmittags. Alpine PV-Anlagen liefern in dieser Zeitperiode nur gerade zwischen 9 und 16 Uhr Strom! Wir haben auch die drei sonnenreichsten Bergregionen im der Winterperiode untersucht: selbst da produzieren PV-Anlagen im Winter höchstens zu 35% der erwähnten Tageszeit Strom. Übrigens ergibt sich der höhere Winterhalbjahr-Ertrag von alpinen PV-Anlagen vor allem von Mitte Februar bis Mai – dank längerem Tageslicht und stärkerer Sonnen-Lichtreflexion durch die Schneedecke. Dann ist allerdings in der Regel die kritische Winterleistungslücke bereits vorüber.

Daraus folgt: Der Verschandelung der für Einheimische und für Touristen besonders wertvollen Bergwelt steht gewiss keine Behebung des Leistungsmangels gegenüber!

Mittels thermischer Energie planbar und nachfrageorientiert produzierter Strom ist von höherer Qualität als solcher aus stochastischer Produktion von Wind und Sonne. Damit Wind- oder PV-Strom von vergleichbarer Qualität wie beispielsweise Nuklearstrom wird, muss dieser Flatterstrom zum Ausgleich von Wind- und Solarflauten (bei Solarstrom zudem Dunkelflauten und saisonalen Unterschieden) über Zwischenspeicherung verbrauchs- bzw. marktgerecht aufbereitet werden. Die effizienteste Methode dazu ist Hydro-Pumpspeicherung. Dabei absorbiert ein Pumpspeicherzyklus aber etwa 20% der eingespeisten Energie. Da Wind wie auch Solar einen sehr niedrigen “Power Faktor” (auf Nennleistung bezogenen effektiven Jahresertrag) von 0.19 resp. 0.1 aufweisen, müssen zudem gegenüber einem thermischen Werk um rund Faktor 5.5 (Wind) und Faktor 11.5 (Solar) mehr an Nennleistungen installiert werden.

Wenn man den grauen CO2-Anteil der Flatterstromproduktion “nackt” betrachtet, so liegen die Mittelwerte3 bei für PV bei 16 [gCO2eq/kWh] und für Windkraft 12 [gCO2eq/kWh]. Rechnet man auch den Anteil der grauen Energie für die Speicher sowie die deutlich höheren zu installierenden Leistungen mit ein, so erhält man für Windenergie effektiv rund 110 [gCO2eq/kWh] und für Solar rund 267 [g CO2eq/kWh] an Emissionen – immer bezogen auf die produzierten Nettoleistungen. Dies vergleicht sich mit etwa 4 [g CO2eq/kWh] für Nuklearanlagen neuester Technologie.4

Trotz diesen Fakten plädieren Sie andauernd gleichzeitig für die Reduktion von CO2 und für die Anwendung der Solartechnik. Wie erklären Sie diesen Widerspruch?

Sollte im Weiteren Netto-Null effektiv wie geplant bis 2050 schwergewichtig mittels «neuen erneuerbaren» Energietechniken umgesetzt werden, so wird dieses Vorhaben ohne Zweifel bereits am Arbeitsfachkräftemangel scheitern. Mit diesen Niederungen der Praxis setzen Sie sich offenbar nicht auseinander. Aber die aktuelle Energiestrategie gemäss Energieperspektiven 2050 plus wird sowieso schon allein daran scheitern, zumal im engen vorgegebenen Zeitrahmen.

Sie schrecken nicht davor zurück, irreführende Diktionen wie «Der Nutzen von Klimaschutz auf Gesundheit, Luft, Biodiversität, oder verhindertes Extremwetter ist hoch» aufzufahren. Wissenschaft hat meines Wissens und auch gemäss meiner eigenen wissenschaftlichen Erfahrung mit dem Darlegen von Kausalzusammenhängen zu tun. Was Sie hier in die Welt setzen, sind leere Behauptungen und gezielte Angstmacherei. Ich nehme an, Sie haben wohl noch nie in tropischen oder auch subarktischen Gebieten gelebt, andernfalls wüssten Sie, dass dort auch viele Menschen leben und dabei gesund und zufrieden sind.

Erklären Sie ihren Lesern und Zuhörern endlich einmal, welchen Einfluss die Schweiz auf den Klimawandel hat, wenn sie im Alleingang die geplante Energie- und Netto-Null-Strategie umsetzen würde! (Sie können dabei auch noch gleich unsere Nachbarländer mit ihren Strategien einbeziehen.) Sie wissen sehr wohl: Was wir hier isoliert veranstalten, hat weder auf das globale Klima noch auf vermeintliche Elementarschäden noch auf unsere Gesundheit5 und noch nicht einmal auf unsere Gletscher einen spürbaren Einfluss. Zudem ist die Schweiz sicher kein Vorbild (so wenig wie Deutschland). Wir verfolgen Irrwege, die sich nur sehr reiche Länder und nur kurze Zeit leisten können. Und wenn wir von Nationen wie Indien, China oder Indonesien Ähnliches verlangen oder es diesen auch nur empfehlen wollten, dann würde dies von diesen als versuchter Rückfall in den Kolonialismus sowieso nie akzeptiert.

Ich hoffe, Sie haben in den vergangenen Tagen die Zeitungsberichte gelesen, wie Russland den Krieg finanziert: Durch Verkauf von Kohlehydraten zu Schleuderpreisen an Länder, welche Russland noch freundlich gesinnt sind – ein Ausweich-Effekt, auf den Professor H.W. Sinn in seinen Vorträgen ständig hinweist.

Sie haben in Ihren früheren Pamphleten immer darauf bestanden, dass Ihre Aussagen wissenschaftlich untermauert seien. Das war uns schon immer suspekt. Nun äussern Sie sich aber nur noch mit Behauptungen. Auf jeden Fall wird es jetzt offensichtlich, dass Sie nicht als Wissenschaftler, sondern als Aktivist Ihre Meinung kundtun. So ist unsere letzte Frage an Sie: Betreiben Sie (noch) wissenschaftliche Forschung oder verfolgen Sie primär eine politische Agenda? Klären Sie ihre Leser- und Zuhörerschaft auf!

Mit freundlichen Grüssen
Emanuel Höhener, Präsident Carnot-Cournot Netzwerk6

CC: Prof. Dr. Joël Mesot, Präsident, ETH Zürich; Prof. Dr. Meinrad Eberle; Steffi Buchli, Chief Content Officer Blick


Fussnoten:

  1. Eingerechnet ist auch die zusätzliche PV-Leistung, die zur Kompensation der Speicherverluste notwendig ist. ↩︎
  2. Entspricht dem Produkt aus Höhendifferenz mal Speichervolumen. ↩︎
  3. PSI / IPCC Report 2014 Annex III / deutsche Institute. ↩︎
  4. Die Dimension [gCO2eq/kWh] bedeutet: Emission von Gramm CO2 Equivalent pro produzierte Energiemenge. ↩︎
  5. Es sei denn, die Schweiz verarmt wegen der auferlegten Massnahmen und kann sich kein gutes Gesundheitssystem mehr leisten. ↩︎
  6. Ex CEO EGL AG / ex VRP Kernkraftwerk Leibstadt AG / ex VR NOK AG / ex VR CKW AG / ex VR Rätia Energie AG / ex Vorstands Mitglied VSE / ex Vorstands Mitglied Swisselectic / +weitere Mandate im Ausland. ↩︎
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8 thoughts on “Replik an den Politaktivisten Knutti”

  1. Ausgezeichnetes Grundlagenexposé. Prof. Knutti verriet sich als Laie bezüglich ökonomischer und technischer Aspekte. Ein Fachmann auf einem Gebiet muss noch keiner in einem anderen sein. Vielleicht fragt man noch Sportskanonen. Aktuell wären en vogue Eishockeyspieler, und Schwingfeste gibt es auch bald die ersten.

  2. Der vom Steuerzahler gut alimentierte Klimaforscher hätte auf seinem Gebiet noch reichlich zutun, z.B. endlich zu quantifizieren, wieviel Erwärmung denn (eine Verdoppelung des) CO2 bewirkt. Seit Jahrzenhnten gibt es dafür ja nur einen groben Schätzbereich, der trotz verforschten resp. für Simulationen verpulverten Millionen und zig Konferenzen nicht enger wird. Wird das am Schluss noch enden wie einst die Phlogiston- oder die Äther-Theorie?
    Dass Knutti sich stattdessen mit Platitüden der Solarlobby als Experte für Stromversorgung zu inszenieren versucht, zeugt von Mangel an Wissenschaftlichkeit, und zwar nicht nur bei ihm selber, sondern auch bei der ETH-Leitung.

    1. Das IPCC hat in seinem Bericht von 2013 gezeigt, dass die angebliche Erwärmung der Erde (ECS) nur grob geschätzt werden kann. Es schlägt Werte zwischen 0.6°C und 9°C vor. Damit kann man keine sündenteure Massnahme begründen. In diesem Bericht bemerkt man auch, dass die Modelle nicht in der Lage sind, die Temperaturen in der Zukunft vorherzusagen. Sie stimmen schon jetzt nicht mehr mit der Realität überein. “Klimawandel für Laien”

  3. Herr Prof. Knutti hat schon recht, er folgt einfach dem heutigen Mainstream gemäss dem wissenschaftliches Denken und Analysieren von Gegebenheiten nicht mehr „in“ sind. Viel wichtiger ist die Verbreitung der eigenen Ideologie und deren Untermauerung durch pseudowissenschaftliche Argument; geistige Alchemie so zu sagen. Aber es hilft! Leute glauben solchen Unsinn, vorallem auch Politiker die scheinbar während dem Physik-Unterricht mehrheitlich fehlten oder Nichts begriffen haben.
    Resultat:
    1. Ich habe eine Gasheizung, diese wird mir abgesprochen, ich muss sie durch eine teure Wärmepumpe aufwendig ersetzen.
    2. Wärmepumpen sind im Prinzip Elektroheizungen mit brauchbarem Wirkungsgrad. Sie benötigen also viel Strom.
    3. Im Winter wenn alle heizen wollen und im warmen E-Auto herumfahren haben wir daher zu wenig davon.
    4. Der Beste Bund hilft mit einem Stand-By Gaskraftwerk.
    5. Mit dem dort erzeugten Strom kann ich dann mein Haus heizen

    Purer Stumpfsinn im Hamsterrad. Der dadurch generierte Energieverlust kann aber mithelfen, das Klima etwas zu erwärmen.
    Die 3 DACH-Staaten sind auf dem besten Weg, sich gegenüber dem Rest der Welt zu Agrarstaaten zurück zu entwickeln.

  4. Ich empfehle jedem das Buch “Unsettled” von Koonin. Vor allem jene, die wissenschaftlich interessiert sind und den Klimawandel aus einer fundierten wissenschaftlichen Perspektive sehen wollen. Zumal sich Koonin intensiv mit dem IPCC-Report auseinandersetzt – der ja die Wissenschaft um den Klimawandel als “settled” kolportiert.
    NB: Koonin hat sich als Physiker u.a. intensiv mit Computermodellen auseinandergesetzt und war wissenschaftlicher Berater unter der Obama-Administration.

  5. Das IPCC hat in seinem Bericht von 2013 gezeigt, dass die angebliche Erwärmung der Erde (ECS) nur grob geschätzt werden kann. Es schlägt Werte zwischen 0.6°C und 9°C vor. Damit kann man keine sündenteure Massnahme begründen. In diesem Bericht bemerkt man auch, dass die Modelle nicht in der Lage sind, die Temperaturen in der Zukunft vorherzusagen. Sie stimmen schon jetzt nicht mehr mit der Realität überein. “Klimawandel für Laien” https://www.vups.ch

  6. Herr Knutti ist ein Wanderprediger des Klimatismus. Er ist nicht der erste ETH-Professor mit tiefen religiösen Überzeugen. Er wird auch nicht der letzte sein. Weil seine religiösen Überzeugungen auch seinen Forschungsgegenstand betreffen, sind seine Forschungsergebnisse bzw. deren Interpretation mit Vorsicht zu geniessen.

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