Die Banalität der koordinierten Lüge

Kann es sein, dass diese Energiewende das Werk von Psychopathen ist?

Die Diskussion um die Energiewende wird von vielen Kritikern immer noch blauäugig geführt. Es ist an der Zeit, die Samthandschuhe abzulegen und den Lobbyisten nicht mehr per se guten Willen zu unterstellen. Weil ihnen niemand in den Arm fällt, lügen sie seit geraumer Zeit schon mit einer Dreistigkeit, die Orwell für sein Werk „1984“ gewiss als zu plump abgelehnt hätte:

  • In Deutschland haben Abteilungsleiter eines Ministeriums Aussagen von Fachbeamten zur Laufzeitverlängerung von Kernkraftwerken inhaltlich ins Gegenteil verkehrt. Ein Minister gab diese Fassung an die Öffentlichkeit weiter. Die Lüge wurde aufgedeckt – doch ohne jegliche Konsequenzen für die Beteiligten.
  • Wer (wie Claudia Kemfert) als Wissenschaftler faktenwidrig behauptet, es gebe „Stromspeicher noch und nöcher“, wird nicht etwa ausgelacht, sondern weiterhin von den Medien hofiert.
  • Um neuen Stromverbrauchern eine günstige Klimabilanz bescheinigen zu können, werden in den meisten Studien wider besseren Wissens lastunabhängige Emissionen der Stromerzeugung angenommen.*1
  • Elektroautos gelten trotz der teilweise fossilen Stromerzeugung regulatorisch als Nullemissionsfahrzeuge.

Die Häufung solcher Falschaussagen, Manipulationen und Irreführungen erinnert an ein bekanntes Bonmot:

„Wir wissen, sie lügen. Sie wissen, sie lügen. Sie wissen, dass wir wissen, sie lügen. Wir wissen, dass sie wissen, dass wir wissen, sie lügen. Und trotzdem lügen sie weiter.“

Das Lügengebäude einer Energiewende ohne Kernkraftwerke umfasst eine Vielzahl von Aspekten, angefangen von den tatsächlichen Kosten einschließlich der Systemintegrationsaufwände über die zukünftigen Energiepreise bis hin zur Versorgungssicherheit.

Was sind die Motive der verschiedenen Gruppen von Akteuren?

Anfang Mai dieses Jahres räsonnierte der Grazer Philosoph Peter Strasser in der NZZ über ein ganz anderes Thema. Unter dem Titel Kann das Gute noch obsiegen? – Über die Macht des heute wieder um sich greifenden Bösen“ befasste er sich mit der zurzeit in vielen Ländern „entfesselten, nicht selten genozidalen Gewalt“. Dabei streifte er u.a. Hannah Arendts These von der «Banalität des Bösen», wonach die Verbrechen des NS-Regimes auch durch die Mittelmäßigkeit und Gedankenlosigkeit seiner Funktionäre ermöglicht wurden.

Könnte dies auch für andere Fälle kollaborativen Mitläufertums gelten? Deren Folgen sind selbstverständlich in keiner Weise auch nur annähernd mit der industriellen Massenvernichtung von Menschen vergleichbar. Die heutige Praxis der Durchsetzung von Einzelinteressen auf dem Gesetzesweg zulasten der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit ganzer Länder scheint aber dennoch einige Parallelen aufzuweisen.

Was, wenn die vermeintlich Guten die Bösen sind?

Der Begriff des „Bösen“ ist hier natürlich nicht in einem eliminatorischen Sinne gemeint. Der Verdacht lautet, dass die real praktizierte Form der Energiewende in Wahrheit nicht eine möglichst rasche Verringerung der Treibhausgasemissionen zum Ziel hat,*2 sondern dass gewisse Politiker unter dem Vorwand des Klimaschutzes freigiebig Steuergelder an Unternehmer ihres Milieus umverteilen und darüber hinaus mit einer aus ideologischen Gründen de facto kontraktiven Wirtschaftspolitik bewusst die Grundlage für ein dauerhaftes Absinken des Lebensstandards schaffen.*3

Es brauchte nur geringfügige inhaltliche Änderungen des Textes von Strasser, um beim Leser den Eindruck zu erwecken, die folgenden Auszüge seien eigens für diesen völlig anderen Kontext geschrieben worden:*4

Die kriminologische und psychopathologische Forschung zeigte schon seit dem 19. Jahrhundert immer deutlicher auf, dass nicht wenige Menschen einen unwiderstehlichen Drang verspüren, Böses zu tun – und dies in besonders großem Maßstab, sobald die Politik ins Spiel kommt. Der psychopathischen Persönlichkeit fehlt ein Gewissen, das ihren egozentrischen Eifer einhegen könnte. Dieser Menschentypus ist häufig hochintelligent und versucht, mit Charme und Geschick zu täuschen. Er unterscheidet sich vom radikal bösen, gleichsam ethisch blinden Menschen, indem er in der Regel sehr wohl weiß, was moralisch und rechtlich geboten ist.
Psychopathische Politiker nutzen ihr Wissen über Gut und Böse, um sich das Vertrauen ethisch denkender Menschen zu erschleichen – in der Absicht, nur die eigene politische Klientel zu bedienen.

Radikal oder strategisch

Titel von Büchern wie «Snakes in Suits», in denen es um psychopathische Topmanager geht, treffen den Nagel auf den Kopf. Im Mittelpunkt steht das «strategisch Böse», das aber auch Spuren des radikal Bösen enthalten kann. Mangels persönlicher Integrität ist der psychopathische Politiker in der Lage, altruistische, gemeinnützige oder nationale Ziele vorzutäuschen, während es ihm in Wirklichkeit nur um Macht und um die damit verbundenen Pfründe geht.

Das radikal Böse und das strategisch Böse verkörpern zwei Arten von Unmoral, die ineinander übergehen und doch unterschiedlich wahrgenommen werden. Ein Unterschied besteht darin, dass man mit den strategisch Bösen einen – wenn auch schmerzhaften – Frieden aushandeln kann, während radikal Böse erst dann innehalten, wenn jeder Widerstand gebrochen ist.

Die dritte Art des Bösen

Eine dritte Form des Bösen darf nicht übersehen werden. Sie tritt in allen Regimen auf, die sich, wie einst die Nationalsozialisten, ein Heer von Bürokraten halten, das aus Feigheit, Opportunismus oder ideologischer Überzeugung tut, was ihm aufgetragen wird.

Heute mag es z.B. darum gehen, Transformationspfade aufzuzeigen. Welche wirtschaftlichen und sozialen Folgen die notwendigen Umsetzungsmaßnahmen hätten, interessiert diese Experten nicht; sie „machen nur ihren Job“.

Hannah Arendt schuf den Begriff der «Banalität des Bösen». Was ist daran «banal»? Das Bürokratische ohne Rücksicht auf die Konsequenzen, die sich aus der Summe scheinbar nur technischer Details ergeben.

Es gibt sie, die Funktionäre des Bösen, die nichts anderes wollen, als ihre Auftraggeber zufriedenzustellen – sine ira et studio.

Toxisches Gemisch

Man muss diese Arten des Bösen zusammen denken, um zu verstehen, warum es so schwierig, ja fast unmöglich ist, mit bestimmten Politikern über die Frage der Transformationskosten zu sprechen. Als Machthaber mögen sie eine gewisse Furcht vor dem Volkszorn haben, aber mehr noch den Drang, gemeinsam mit willigen Mitläufern eine Tyrannei aufrechtzuerhalten. Was die Lobbyisten der nicht bedarfsgerechten Stromerzeugung heute wie die Diktatoren von gestern antreibt, ist eine giftige Mischung aus Größenwahn und Dogmatismus, Machtwillen und Aktionismus.

Appelle integrer Wissenschaftler muten kopf- und hilflos an gegenüber dem Ausmaß an methodischen Fehlern, Auslassungen und Lügen der Energiewende-Strategen. Angesichts des Versagens aller ethischen Prinzipien gewinnen psychopathologische Überlegungen an Bedeutung. Was geht in den Köpfen und Herzen der Wirtschaftsbürokraten und ihrer Einflüsterer vor, von medialen Handlangern über Vertreter von Kampagnenorganisationen bis zu den willfährigen Auftragsforschern, die nicht bloß die Regierung stützen, indem sie den politisch vorgegebenen Kurs legitimieren, sondern irreversible Zerstörungen von Infrastruktur wie auch eine dauerhafte Senkung des Lebensstandards billigen – und sie letztlich überhaupt erst ermöglichen?


*1 Mit dem Durchschnittsansatz lässt sich verwedeln, dass Zusatzstrom in den meisten Ländern überwiegend von fossilen Kraftwerken erzeugt wird. Dessen Emissionen lassen sich nur mit dem Marginalansatz korrekt bestimmen.

*2 Der Verzicht auf Kernenergie ist mit diesem Ziel unvereinbar.

*3 Der zukünftige Wohlstand hängt von produktiven Investitionen ab. Eine teurere oder unzuverlässigere Energieversorgung schreckt Investoren ab. Das hilft bei der Durchsetzung einer Degrowth-Politik.

*4 Darüber hinausgehende sprachliche Änderungen dienen dem Zweck, einen Verstoß gegen das Zitierverbot der Datenschutzgrundverordnung zu vermeiden.

Kopfbild: https://pixabay.com/photos/pinocchio-nose-lying-nose-long-lie-2917652/
Beitragsbild: https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Gulf_Worldwide_Sales_%26_Marketing_Team.jpg

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3 thoughts on “Die Banalität der koordinierten Lüge”

  1. Hervorragend Ihre Analyse, Herr Ruhsert.
    Ich schätze besonders Ihren Aufruf, dass es an der Zeit ist, endlich im Klartext zu reden.
    Wir sind inzwischen soweit, dass “das Böse” im Mäntelchen des Gutmenschen daher kommt und leider ein grosser Teil der Bevölkerung solches kritiklos mitmacht. Man meint, man tut etwas Gutes damit, beispielsweise man leistet einen Beitrag zur Weltenrettung. Aus deren Optik ist Nuklear inbegriff des Schlechten. Da haben die Grünen und Linken zumindest im deutschsprachigen Raum in den vergangenen Jahrzehnten ganze Arbeit geleistet und finden besonderen Anhang in Kreisen intelektueller Schreibtischtäter (in Ingenieur Terminologie: Solchen, welche in ihrer Karriere noch nie heisses Öl von nahe gerochen haben).
    Orwell’scher Newspeak in Reinkultur.

  2. Das traurige an der heutigen Situation in der Schweiz ist die kognitive Dissonanz in vielen politischen Bereichen. Am 9. Juni wird für eine Fortsetzung der selbst an grünen Massstäben völlig fehlgeschlagen ES2050 gestimmt werden. Ein Mantelerlass, den ein Bundesrat, der offensichtlich auch an kognitiver Dissonanz leidet, gegen seine bisher geäusserten Überzeugungen ohne Not aufgegleist hat, wird die Schweiz für weitere, verlorene Jahre und Milliarden in die falsche Richtung führen. Und wenn es denn mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit ins Nichts geführt hat, dann werden NICHT etwa diejenigen, die davor warnten, belobigt oder rehabilitiert. Nein man wird weitermachen, vielleicht auch dann endlich in die richtige Richtung, aber mit Schulterzucken. Man konnte es ja angeblich nicht vorher wissen. Doch, man konnte! Aber was nützt es uns „Guten“, Recht behalten zu haben? Dies hier lesen die „Bösen“ ja ohnehin nicht. Wir stecken eben auch in einer Blase.

    1. Genau. Schon Ende 2014 hat eine Gruppe um Prof. Silvio Borner, aus der dann das CCN hervorgegangen ist, dargelegt, dass die Leuthard’sche Energiepolitik nicht dauerhaft sein kann und ihre Ziele nie erreichen wird. Dazu haben wir ausdrücklich davor gewarnt, dass die Kosten dieser Politik umso höher ausfallen werden, je länger wir sie verfolgen. Der Mantelerlass verlängert die Agonie, zögert den Tod hinaus und lässt die Kosten explodieren – für so gut wie nichts.

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