Jetzt auf Kernkraft umsteigen oder zurückbleiben

Im heutigen Australian, der wichtigsten australischen Tageszeitung, habe ich auf der Frontpage diesen Artikel gefunden, der sicher nie den Weg in die Schweizer Medien finden wird. Zur einfacheren Lesbarkeit habe ich ihn übersetzt.

Interessant in diesem Beitrag sind vor allem die geopolitischen Aspekte zur Kerntechnologie , welche in Europa und der Schweiz überhaupt nicht begriffen werden. Der Gutmensch in Europa rettet die Welt immer noch ausschliesslich mit Wind und Sonne und meint Kernenergie einfach “canceln” zu können. Nicht verstanden wird in Europa, dass die unverzichtbare Schwerindustrie mit unzuverlässigen Energiequellen nicht funktionieren kann.

Übersetzt aus «The Australian» vom 11.1.24

Autoren: Adam Creighton, Colin Packham, Joanna Panagopoulos

“Bergleute, Sicherheitsexperten und ein US-Elektrizitätskonzern warnen davor, dass Australien bei einem strategischen Vorstoß zur Beschaffung neuer Mikroreaktoren, die kleine Gemeinden mit Strom versorgen können, ins Hintertreffen geraten könnte, da die Regierung Biden versucht, Russland und China davon abzuhalten, den emissionsfreien Markt zu dominieren.

Die USA haben im neuen Jahr einen Vorstoß unternommen, um ihre Verbündeten dazu zu bewegen, kleine und kleinste Kernreaktoren zu kaufen, um die weltweite Kernenergieproduktion zu verdreifachen und nicht China und Russland die Kontrolle über die emissionsarme Energieversorgung der Welt zu überlassen.

In Australien hat die oberste Bergbaubehörde die Aufhebung des Verbots der Kernenergie gefordert, da sie die Möglichkeit untersucht, mit Mikroreaktoren die Betriebe ihrer Mitglieder mit emissionsfreiem Strom zu versorgen.

Anthony Albanese und Energieminister Chris Bowen haben jedoch unmissverständlich erklärt, dass sie das jahrzehntelange Verbot der Kernenergie niemals aufheben werden, obwohl die USA und andere Verbündete sich für kleine modulare Reaktoren und Mikroreaktoren einsetzen, während Oppositionsleader Peter Dutton erwägt, die Aufhebung der Beschränkungen für die Kernenergie in die nächste Wahl zu tragen.

Sollte die Koalition die Wahlen gewinnen und Australien sein Verbot der Kernenergie aufheben, könnte es für die Regierung schwierig werden, irgendeine Art von Kernreaktor bei ausländischen Lieferanten zu bestellen.

Der US-Elektroriese Westinghouse entwickelt die erste Serie von Mikroreaktoren, die 2029 auf den Markt kommen sollen, und sagt, dass Länder wie Kanada und die Vereinigten Arabischen Emirate bereits erste Bestellungen aufgegeben haben.

Der Geschäftsführer der Nukleartechniksparte eVinci Technologies, John Ball, erklärte gegenüber The Australian, dass australische Bergbauunternehmen bereits Interesse an der Nutzung der Reaktoren zur Energieversorgung ihrer Betriebe zeigten und warnte davor, dass “Nachzügler” beim Kauf von Mikroreaktoren den Kürzeren ziehen könnten.

“Ich denke, dass es auf lange Sicht aufgrund der Nachfrage und des begrenzten Angebots für die Nachzügler schwieriger werden wird”, sagte er.

“Ich denke, es ist ein großer Vorteil, wenn man zu den Early Movers gehört.

Ball sagte, dass sein Unternehmen mit einer Reihe von großen Bergbauunternehmen, die in Australien tätig sind, im Gespräch sei.

“Ob es sich nun um eine abgelegene Gemeinde handelt, vielleicht um einen Bergbaubetrieb, um industrielle Prozesse, die eine eigene Strom- und Wärmeversorgung benötigen, oder um kritische Infrastrukturen wie Datenzentren oder Krankenhäuser – all das sind ideale Anwendungen für Mikroreaktoren”, sagte er.

“Wir haben Gespräche mit einer Reihe großer Bergbauunternehmen geführt, und ja, das ist ideal für diese Anwendungen … Wir haben auch Gespräche mit Unternehmen geführt, die in Australien Bergwerke betreiben. Wir haben Gespräche mit Industrieunternehmen geführt, die zuverlässige Wärme und Strom benötigen.”

Westinghouse vergleicht seinen eVinci-Mikroreaktor mit einer “Nuklearbatterie”, die nur wenige bewegliche Teile hat und mindestens acht Jahre lang ununterbrochen Strom von einigen Kilowatt bis zu 5 Megawatt liefert, ohne nachzutanken.

Westinghouse wollte zwar nicht verraten, mit welchen australischen Bergbauunternehmen es Gespräche führt, doch die Geschäftsführerin des Resources Council, Tania Constable, warnte, dass das Land Gefahr laufe, bei der Umstellung auf kleinere Kernreaktoren im Westen ins Hintertreffen zu geraten.

“Die Aufgabe der Dekarbonisierung nur durch die enge Brille der Stromerzeugung zu betrachten, verkennt die große Herausforderung, die Emissionen in der australischen Industrie zu reduzieren”, sagte sie.

“Die Kernenergie könnte eine entscheidende Rolle bei der Dekarbonisierung der Wärme spielen, die unsere industrielle Basis antreibt, und unseren Industrieunternehmen, Bergbau- und Raffineriebetrieben sowie Herstellern eine glaubwürdige Energiequelle zur Verfügung stellen, die traditionelle fossile Brennstoffe im Heizprozess ersetzen kann.

“Diese Chance mit dem fälschlichen Glauben zu verwerfen, dass die Kernenergie zu teuer oder zu langsam sei, steht in völligem Widerspruch zu den raschen, erneuten Investitionen in die Kernenergie, die in Ländern wie Frankreich, Kanada, Deutschland, den USA, Südkorea, Schweden und Japan getätigt werden.”

Das Wall Street Journal berichtete diese Woche, dass US-Beamte glauben, dass Amerika auf dem Kernenergiemarkt wettbewerbsfähig sein kann, wenn es neue Reaktoren und atomare Brennstoffe entwickelt. Berichten zufolge streben die USA die Unterzeichnung von Partnerschaftsabkommen mit einer Laufzeit von 50 Jahren oder länger an, um Moskaus früheren Energiepartnern und schnell wachsenden Ländern in Südostasien, die sich über ihre übermäßige Abhängigkeit von chinesischer und russischer Energie Sorgen machen, US-Atomtechnologie zu liefern.

Angesichts der Tatsache, dass Peking den weltweiten Markt für Wind- und Solartechnologie dominiert, sagte Peter Jennings, Direktor von Strategic Analysis Australia, dass Australien die nuklearen Optionen ernst nehmen müsse.

“Ich denke, die große Herausforderung bei der Energiestrategie der Regierung besteht in der Gefahr, dass ein inakzeptables Maß an Abhängigkeit von chinesischer Solar- und Windtechnologie entsteht. Nachdem wir also den Prozess durchlaufen haben, China von 5G auszuschließen, nehmen wir ziemlich leichtfertig in Kauf, dass sie der dominierende Anbieter von Solar- und Windenergie werden”, sagte er.

“Ich plädiere dafür, dass wir uns einen Weg zu einem Plan B bahnen, auch wenn die Regierung das in diesem Stadium nicht will.

“In vielerlei Hinsicht wären SMRs (kleine modulare Reaktoren) und Mikroreaktoren ideal für Australien. Wir haben viele Regionen des Landes, die ihre eigenen Infrastrukturprobleme haben. Man könnte sich den Einsatz dieser Technologie im Northern Territory vorstellen, in einer ganzen Reihe von Orten, die aufgrund der großen Entfernungen niemals in der Lage sein werden, ein nationales Stromnetz zu errichten. Sie könnte die Antwort auf genau dieses Problem sein.

Saskatchewan in Kanada hat im November den ersten weltweiten Auftrag für die neue Technologie erteilt, mit einer Investition der Provinzregierung in Höhe von 80 Millionen Dollar.

Die Provinz ist der größte Uranproduzent Kanadas und verfügt über zahlreiche abgelegene indigene Gemeinden und Bergbaustandorte, die sich gut für Mikroreaktoren eignen, da die CO2-emittierende Dieselkraft unwirtschaftlich wird.

Mike Crabtree, der Leiter des staatlichen Saskatchewan Research Council, erklärte, man wolle bis 2029 eine Weltneuheit in Form eines Mikroreaktors in die Provinz bringen”. “Ist er wettbewerbsfähig mit Diesel? Ach du meine Güte”, sagte er gegenüber The Australian. Der Preis pro Kilowattstunde werde zwischen 24 und 28 Cent liegen, also unter dem Preis von 70 Cent für Diesel.”

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5 thoughts on “Jetzt auf Kernkraft umsteigen oder zurückbleiben”

  1. Man unterschätzt sträflich den Bedarf von Materialindustrien (Bergbau, Stahl, Aluminium, Zement, Glas …) am unterbrechungsfrei verfügbaren el. Strom – das hat der australische Autor sehr richtig erfasst. Beizufügen ist, dass die Gleichzeitigkeit des steigenden Bedarfs an karbonfreiem Strom und der prohibitiven Kosten und der Ressourcenabhängigkeit von Giga-Batterien den Ausweg über Kernenergie unausweichlich machen. Wir können nur wählen – zögern und zu spät am Markt sein, oder die Gefahr realisieren und dabei zu sein.
    Der Artikel ist vorbehaltlos zu empfehlen!

    1. Soweit klar, die Energiezukunft liegt bei der Kernkraft.
      Das ist schon seit mehr als 10 Jahren so.
      Bloss, was macht man mit alten nicht mehr benötigten Geräten?

      1. Man sorgt dafür, dass es möglichst zu wenig solchen unnötigen Geräten kommt, indem man schon jetzt mit Kernkraft plant und die Strategie entsprechend ausrichtet. Und genau das tun wir (noch) nicht. Heute lautet die – idiotische – Losung, mit der alle Politiker, gleich welcher Couleur, daherkommen: Möglichst rasch und möglichst viel von allem, um eine Lücke zu vermeiden – nur nicht Kernkraft. Die künftigen “stranded Investments” werden so nicht minimiert, sondern maximiert.

        Seit Jahren (spätestens seit dem “Jahrhundertfehler” à la Silvio Borner) fordern wir vom CCN einen sofortigen Marschhalt in der Energiepolitik und deren reflektierte Neuaufsetzung. Und wir warten immer noch darauf.

      2. Diese Frage muss man sich tatsächlich bei jedem Gerät und bei jeder Maschine stellen. Momentan schmeisst man z.B. ausgediente Windmühlenräder in den Landfill, weil die Entsorgungskosten nicht eingerechnet wurden. Kernenergieanlagen sind die einzigen, welche die Entsorgungskosten bereits eingepreist haben. Man erinnere sich an den gut gefüllten Entsorgungsfonds für radioaktive Abfälle. Gibt es wohl sowas auch für ausgediente Solarpanele?

  2. “Diese Chance mit dem fälschlichen Glauben zu verwerfen, dass die Kernenergie zu teuer oder zu langsam sei, steht in völligem Widerspruch zu den raschen, erneuten Investitionen in die Kernenergie, die in Ländern wie Frankreich, Kanada, Deutschland, den USA, Südkorea, Schweden und Japan getätigt werden.”

    Betreffend Deutschland müssten sich die betreffenden Autoren dieser Nachricht noch besser informieren. Von raschen Investitionen in die Kernenergie in Deutschland ist mir nichts bekannt. Aber in einer FORSA-Umfrage kam immerhin heraus, dass eine deutliche Mehrheit der Deutschen den Wiedereinstieg in die Kernenergie begrüssen würde.

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