Computermodelle. Bedeutung und Konsequenzen für die Gesellschaft

Ob in den Natur- oder Ingenieurwissenschaften, im Industriebereich, in den Betriebs- und Sozialwissenschaften, bei Corona, dem Klima oder sonstwo – numerische Simulationen anhand Computermodellen sind aus unserer Gesellschaft nicht mehr wegzudenken. Wurden Simulationen früherer meist zur Nachbildung, Visualisierung und Optimierung ingenieurtechnischer Prozesse (z.B. Strömungs-, Festigkeits- und Schwingungsmodellierung sowie Simulation bei Verbrennungsmotoren) herangezogen, so werden sie heute auch in der Finanzwirtschaft oder bei der Wettervorhersage effektiv für Zukunftsprognosen eingesetzt. Immer grössere und unglaublich schnelle Supercomputer mit ca. 5-30 Petaflops (also Billiarden Gleitkommaoperationen pro Sekunde) werden in diversen Disziplinen eingesetzt, etwa Simulationen im Bereich der QuantenmechanikWettervorhersagenKlimatologie, Entdeckung von Öl- und Gasvorkommen, Molekulardynamik, biologischen Makromolekülen, KosmologieAstrophysikFusionsforschung, Netzwerkanalyse, Erforschung von Kernwaffentests bis hin zur Kryptoanalyse.

Auch der sehr hohe Komplexitätsgrad gegenwärtiger Klimamodelle – mit einer grossen Zahl von Gitternetzpunkten, Parametern und abhängigen Variablen – erfordern den Einsatz solcher Supergrossrechner. Es ist klar, dass der Laie dabei weder die physikalisch-chemischen Modellbeziehungen, noch die Algorithmen und schon gar nicht die Ergebnisse solcher Simulationen versteht – oder sie im Entferntesten plausibilisierend einordnen kann. Man hat in der Regel dabei auf die “Wissenschaft” zu vertrauen.

In diesem ausgezeichneten Interview weist Dr. Bernd Simeon, Professor für angewandte und numerische Mathematik darauf hin, dass es zwei wesentliche Kriterien für die Korrektheit/Zuverlässigkeit von Computermodellen und -simulationen aller Art gibt: Zum einen die “Konvergenz” und zum anderen die “Robustheit”.

Konvergenz: Die Simulationswerte nähren sich den experimentell ermittelten Messwerten (also der Realität) an. Dies gilt auch beim Klimathema für Annäherung an die Temperaturmesswerte der Gegenwart und der Vergangenheit (sprich: Rückwärtsvalidierung). In der Regel bis 1850 zurück.

Numerische Robustheit/Stabilität: Kleine Änderungen bei den Eingangsgrössen dürfen keine grossen (chaotischen) Änderungen der Resultatgrössen verursachen. Dies ist mittels Sensitivitätsüberprüfungen sicherzustellen. Die in der Klimawissenschaften noch unverstandenen zeitlichen & örtlichen Wolkenbildungen zeigen typischerweise chaotische Auftretensmuster (negative Rückkoppelungsproblematik).

Bei den IPCC-Klimamodellen CMIP6 (Modellierungsphase 2013-2020) erfuhren wir im Herbst 2021, dass die Modellierungen die bisherigen Temperatur-Real-Messwerte nicht besser annähern, sondern weit überschreiten. Und dies sogar stärker als es bereits der Fall war bei der vorangegangenen IPCC Modellierungskampagne CMIP5 (2006-2013). Bei den aktuell gültigen Klimamodellen wird offensichtlich das Kriterium der Konvergenz nicht erfüllt.

In dem unten aufgeschalteten Gespräch erhält man Gelegenheit, Grundsätzlichkeiten, Chancen und Risiken solcher Modellierungen, sowie ihrer Grenzen besser zu verstehen und einzuordnen. Auch die gesellschaftliche Relevanz und Tragweite bei politischen Entscheidungen auf Grundlage von hochkomplexen numerischen Zukunftssimulationen (Corona, Klima, Finanzwirtschaft) wird kritisch behandelt.

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2 thoughts on “Computermodelle. Bedeutung und Konsequenzen für die Gesellschaft”

  1. Vielen Dank fuer die exzellente Einfuehrung und den Hinweis auf die wirklich sehenswerte Aufzeichnung des Interviews. Professor Bernd Simeon beeindruckt durch seine wohltuend ruhigen und sachlichen Erlaeuterungen. Weitreichende Entscheidungen ausschliesslich aufgrund von Modellprognosen zu treffen, die man selbst nicht oder viel zu wenig verstanden hat, ist und bleibt eine mehr als problematische Angelegenheit.

    Komplex sind aber nicht nur die Vorgaenge in der Natur. Auch das Verhalten des Menschen ist schwer modellierbar – Oekonomen und Historiker koennen ein Liedchen davon singen. Es muss bei der Einsicht von George Box bleiben: “All models are wrong, but some are useful”. Ich habe das Buch soeben bestellt und freue mich auf die Lektuere.

    Mario Corti

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