Der dreimal verkaufte Überschussstrom

Am trinationalen Wasserstoff-Forum in Basel vom 25. April 2023 wurden bemerkenswerte Projekte über Wasserstoff als zukunftsfähiger Energieträger vorgestellt. Das von Easyjet geförderte Projekt eines wasserstoffgetriebenen Triebwerkes fand ich am interessantesten. Für Wasserstoff als emissionsarmen Energieträger gibt es viele entwicklungswürdige Anwendungen. Viel war auch die Rede über Transport und Speicherung von Wasserstoff. 

Tunlichst vermieden wurde hingegen die Herkunft und die Produktion dieses leichtesten aller Gase. Nur der Vertreter der deutschen Handelskammer bemerkte, dass man zur Produktion von grünem Wasserstoff Unmengen von grünem Strom brauche, von deren Verfügbarkeit man jedoch noch meilenweit entfernt sei. 

Überhaupt nichts gehört habe ich über den bescheidenen Wirkungsgrad der Elektrolyse und von der Einschränkung, dass dieser Prozess nur im Dauerbetrieb sinnvoll ist. Das mögen lösbare technische Herausforderungen sein, aber einer schnellen Kommerzialisierung sind sie sicherlich nicht förderlich. 

Aufschlussreich zur „technologieoffenen“ Gesinnung war die Bemerkung vom CEO der GETEC, dass es alle Farben von Wasserstoff gebe, sogar rosaroten aus Nuklearstrom, den man aber nicht wolle. Offenbar hat er damit eine der effizienteren Produktionsketten nicht zu Ende gedacht. 

Nicht zu Ende gedacht war an den Präsentationen dieser Veranstaltung noch einiges. Für viele der Wasserstoffbegeisterten schien es eine Selbstverständlichkeit, dass nur von grünem Wasserstoff die Rede ist, der aus Überschussstrom von Wind- und Solarkraftwerken, allenfalls von Wasserkraftwerken, gewonnen werden kann. Wobei die Wasserkraft als eine der wenigen plan- und steuerbaren Produktionsarten nicht dazu missbraucht werden sollte.

Wasserstofftechnologie ist demnach einer Verwertung von Überschussstrom gleichzusetzen. Eine ominöse Sorte von Strom, die an dieser Veranstaltung nun gerade ein drittes Mal verkauft wird. Schliesslich sollen ja bereits Autobatterien damit geladen werden, die ihrerseits noch den Haushalt mit Strom versorgen. Und dann soll der Überschussstrom auch noch Speicherseen füllen. Wunderbare Aussichten, die immerhin der Vertreter der deutschen Handelskammer in Frage stellte. 

Manchmal hat man an solchen Veranstaltungen den Eindruck, Grundkenntnisse der Physik – insbesondere der Thermodynamik – seien für Energieplaner keine Voraussetzung mehr. Es scheint nicht einmal bekannt zu sein, dass jegliche Form der Stromspeicherung immer eine Energiesenke darstellt und sich Speicherung nur rechtfertigt, um einen Zeitraum zwischen Produktion und Verbrauch zu überbrücken, sei das über Stunden oder Jahreszeiten. Eine Möglichkeit, das knappe Gut Strom effizient und kostenminimierend zu gebrauchen, besteht darin, dessen energiekonsumierende und teure Speicherung möglichst zu vermeiden. Der bisherigen „alten“ Elektrizitätswirtschaft ist es mit der Kombination von Laufwasser-, Regel-, und Kernkraftwerken ausgezeichnet gelungen, praktisch CO2-freien Strom sicher, umweltverträglich und erschwinglich zu produzieren und bedarfsgerecht dem Verbrauch zuzuführen. Wieso man diesen erfolgreichen Weg verlassen und ohne Not zerstören will, lässt sich immer weniger nachvollziehen. Lieber baut man Wolkenschlösser und verkauft dort noch nicht einmal erzeugten Strom gleich mehrfach. 

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4 thoughts on “Der dreimal verkaufte Überschussstrom”

  1. Lieber Markus, ich war selber nicht an der H2-Tagung, aber als ich in den Medien gelesen habe, dass bis 2030 ca 700 TWh Wasserstoff in Deutschland verfügbar sein solle und die Schweiz droht, diesbezüglich abgehängt zu werden, habe ich mich auch gefragt, welche Farbe den dieser Wasserstoff in so grossen Mengen haben soll, jedenfalls bis 2030 sicher nicht grüner Wasserstoff

  2. Nicht H2 sondern eFuels sollten zum Einsatz kommen. Bei grünem Strom für 1 Cent pro kWh an den Gutstandorten spielt der Wirkungsgrad keine Rolle. Der Eintrag in Wikipedia ist unsachlich und irreführend.

    1. Gut, dann schrauben wir doch einfach die Entschädigungen für die Solarstromproduzenten auf 1 Cent pro kWh runter. Dann sind wir sicher, dass nur noch an Gutstandorten produziert wird.

  3. Die massenhafte Produktion von Wasserstoff mit grünem Strom ist grober Unfug. Das Gleiche gilt auch für E Fuels. Würden die dafür notwendigen Windräder wirklich gebaut (man macht ja heute vieles ohne Sinn und Verstand) , würden sich diese Rädchen gegenseitig den Wind stehlen -also im Wege stehen. Der gleiche grobe Unfug wird mit den alpinen Gross PV in die Wege geleitet. Die PV Anlagen
    arbeiten mit einem Wirkungsgrad von rund 20%, also 80% der Sonneneinstrahlung wird zurück “gespiegelt” (Albedo). Die Wärme der Sonne wir grossmehrheitlich nicht mehr vom Boden aufgenommen.

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