Auf Windkraft zu setzen, ist eine sehr kostspielige Option

Der folgende Beitrag ist in leicht gekürzter Version und ohne Grafiken im Forum Energiewende der “Schaffhauser Nachrichten” als Replik zum Artikel “Windkraft ist Teil der Lösung” vom 9. Februar 2023 erschienen.

Forum Energiewende – Replik zu «Windkraft ist Teil der Lösung»

Die ultimative Anforderung an Stromerzeugungsanlagen ist die Sicherung der Versorgung – jeden Bruchteil der Sekunde, 24 Stunden am Tag, 365 Tage im Jahr. Weder Wind- noch Solaranlagen (PV) können dies sicherstellen. Komplexe, aufwendige und sehr teure Subsysteme – Speicheranlagen oder redundante Produktionsanlagen – sind dazu absolut notwendig. Allerdings ist es so, dass derartige Subsysteme ohne Mehraufwand so ausgelegt werden können, dass sie die Versorgungssicherheit alleine sicherstellen können, d.h. weder Windkraft noch PV wären dazu notwendig.

Windkraft soll gemäss Autor Teil der Lösung zur Umsetzung der laufenden Energiestrategie sein. Es besteht bereits eine umfangreiche statistische Basis darüber. Dies ermöglichst die Beurteilung, welchen Beitrag Windkraft effektiv zur Gewährleistung der Versorgung leistet. In der folgenden Abbildung ist die Stromerzeugung durch Windkraftanlagen in Europa aufgezeichnet.

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Abbildung 1: Windkraft Leistungskurve für Europa

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Markant dabei ist Folgendes: Anfang 2019 waren in Europa nominell 205 GW an Windkraft-Leistung installiert. Es gibt in der dargestellten Zeitperiode von zwei (windreichen) Wintermonaten einzig einen sehr kurzen Zeitabschnitt, in welchem rund 50% der installierten Leistung erreicht werden. Die mittlere Leistungsausbeute liegt etwas unter 25% und es gibt mehrere längere Abschnitte, in welchen die Gesamtleistung bei rund 10% liegt. Diese Werte basieren auf einem Windpark von rund 22’500 Einheiten!

Dass Abbildung 1 nicht etwa eine besonders ungünstige Windproduktions-Zeitperiode darstellt, mag die folgende Abbildung belegen, die die Leistungserzeugung des europäischen Windparks über das gesamte Jahr 2020 darstellt.

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Abbildung 2: Windkraft Produktionsleistung Europa („on shore“ und „off shore“)

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Obwohl die mittlere installierte Leistung gegenüber 2019 um 4% zugenommen hat, zeigt sich wiederum eine ähnlich schwache Ausbeute: Es gibt nur wenige sehr kurze Spitzen, in welchen 50% der installierten Leistung erreicht werden – dies ausschliesslich in den Wintermonaten. Auch für das gesamte Jahr liegt die mittlere Ausbeute unter 25%!

Die beiden Abbildungen zeigen sehr deutlich, dass auf Windkraft setzen eine sehr kostspielige Option ist, die auf sich gestellt keinen Beitrag zur Sicherung der Versorgung leistet. Es braucht Systeme, welche die Lücke zum jeweiligen Leistungsbedarf des Marktes schliessen. Dies können thermische Anlagen sein, sowie zusätzlich auch ein massiver Ausbau von Pumpspeicherwerken. Es wird jedoch so sein, dass solche Systeme einen deutlich höheren Beitrag zur Versorgung erbringen müssen als die Windkraft. Weil der Einsatz derartiger redundanter Systeme jederzeit geplant werden kann, steht die Frage im Raum, warum man denn überhaupt in Windkraft investiert, wenn so oder so zugleich praktisch 100% Redundanz einsatzbereit sein muss? Der Aufbau der redundanten Systeme ist nicht zum Nulltarif zu haben und bezüglich Kosten der Windkraft stellt sich die Frage, warum in Anlagen investiert werden sollte, deren mittlerer Leistungsfaktor in der Schweiz bestenfalls bei etwa 18% liegt?

Man könnte argumentieren PV-Leistung könnte die Lücke füllen. Leider ist dies nicht der Fall, wie besonders Statistiken über die Leistungserbringung von Wind- und PV-Anlagen in Deutschland nachweisen. Jeden Monat im Jahr gibt es Perioden von etwa 1/3 des Monats, wo weder nennenswert Wind- noch PV-Strom anfällt. Weiter kann man auch feststellen, dass trotz massiven jährlichen Zubaus von Wind- und PV-Leistung zwar die Leistungs-Amplituden zunehmen, die Lücken jedoch bleiben!

Weiter äussert sich der Autor zum Strom-Sparpotenzial, wie dieses gemäss dem Bundesamt für Energie (BFE) gerechnet wurde. Da ist einerseits zu festzustellen, dass das BFE im Zusammenhang mit der Energiewende (seit Frühjahr 2011) rollend mit schöngeredeten Zahlen daherkommt, die mit der Realität sehr wenig zu tun haben, und dass entsprechende Aussagen und Annahmen ebenfalls rollend mittels Gefälligkeitsstudien belegt werden (darauf einzugehen würde den Rahmen dieser Replik sprengen).

Anzumerken ist jedoch, dass es für jeden thermischen Prozess – so auch für Wärmedämmung – Grenzen gibt, jenseits derselben jeder zusätzliche Schritt für eine weitere Verbesserung des Wirkungsgrades sehr teuer erkauft werden muss. Dies ist gleichbedeutend mit enormer Zunahme des Materialaufwandes. So liegt die ultimative energetische Grenze natürlich dort, wo der Energiebedarf zur Herstellung des Materials höher ist als die damit zu erzielende Energieeinsparung (ERoEI-Überlegung: Energy Return on Energy Invested). Die ökonomisch u n d ökologisch sinnvolle Grenze liegt selbstverständlich noch weit vor diesem „Kipppunkt“, denn die Lebensdauer solcher Installationen hat auch Grenzen.

In den Überlegungen des Autors ist der wachsende Bedarf an elektrischer Energie durch die „Netto Null Politik” nicht berücksichtigt. Bereits für eine private E- Mobil-Flotte mit 4.7 Mio. Fahrzeugen (Ende 2021), wovon jedes Auto 12‘500 km im Jahr zurücklegte, wären an den „Zapfstellen“ jährlich 14,7 TWh Energie bereitzustellen. Da 90% der E-Mobile nachts geladen werden, müsste diese Energie in den Stunden von 21h bis 4h bereitstehen, also etwa 13,3 TWh. Diese Energie wäre nachts (keine PV- Produktion verfügbar) zu produzieren. Netto müssten dazu 4‘600 MW Leistung bereitstehen oder brutto 4‘800 MW (aus thermischen Werken wie KKW). Müsste diese Leistung mittels Windturbinen bereitgestellt werden, so wären dazu rund 32 GW Leistung zu installieren (Speicherverluste eingerechnet). Das wären rund 10‘600 Turbinen à je 3 MW! Deren Flächenbedarf (in ebener Fläche) beliefe sich auf etwa 14‘600 km2, was 35% der Fläche der Schweiz entspricht. Von den notwendigen Speicher- und/oder Back-up-Kapazitäten ganz zu schweigen….

Auf zwei Aspekte, auf die hier nicht vertieft eingegangen wird, möchte ich noch hinweisen. (1) Aus Gründen der Nutzlasteinbusse beim Batteriebetrieb wäre der Nutzverkehr schwergewichtig auf synthetische Treibstoffe umzustellen. Da die jährlichen Fahrstrecken der Nutzfahrzeuge etwa das 8-Fache der PW beträgt und die Energieverluste im „synfuel“-Prozess sehr hoch sind, nähme der Strombedarf zusätzlich um Grössenordnungen zu. (2) Wenn statt der Windräder PV-Anlagen zum Einsatz kommen sollten, so wäre im Vergleich zur Windkraft eine um Faktor 1,8 erhöhte PV-Leistung zu installieren.

Die Energiewende steht am Anschlag und ist offensichtlich nicht wie vorgesehen umsetzbar. Windkraft ist keine Lösung. Mit ihr würde man das wertvolle Gut Landschaft für etwas opfern, das das Kernkriterium der Sicherung der Versorgung gar nicht erfüllen kann. Ein Marschhalt ist dringend notwendig. Die Energiestrategie muss ohne jegliche Technologieverbote nochmals gründlich überdacht werden. Je länger man damit zuwartet, desto teurer wird es.

Der Stimmbürger hat im Mai 2017 einer energiepolitischen Mogelpackung zugestimmt, für die seitens der Verantwortlichen mit vielen sachlichen Unwahrheiten geworben worden war.

Emanuel Höhener
Präsident Carnot-Cournot Netzwerk

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8 thoughts on “Auf Windkraft zu setzen, ist eine sehr kostspielige Option”

  1. Klare Darstellung, die für sich selbst spricht.
    Eine Frage habe ich trotzdem:
    Es dürfte unbestritten sein, dass Windturbinen und Solarpanels nicht viel nützen, wenn der durch sie produzierte und nicht unmittelbar verbrauchte Strom nicht gespeichert werden kann. Es ist ebenso unbestritten, dass diese Speicherung sehr teuer zu stehen kommen kann, wie der vom Autor erwähnte massive Ausbau von Pumpspeicherwerken.
    Bloss: woher sollen wir den Strom zum Hochpumpen nehmen, wenn nicht von Windfarmen oder PV-Anlagen? Das unter der Prämisse, dass künftig aus fossiler Energie und Kernenergie ausgestiegen werden muss. Ohne diese Prämisse käme ja ohnehin kein vernünftiger
    Mensch auf die Idee, in grossem Stile Wind- und PV-Anlagen zu bauen.

    1. Herr Vogel,
      Ja, wenn wir wie z. Z. gewollt voll auf Solar und allenfalls etwas Wind setzen, dann sind grosse Kapazitäten an Pumpspeichern ein Muss, will man auch die Versorgung sicherstellen. Alleine schon der Ersatz der Kernkraftwerke erfordert 7 Pumpspeicher der Kapazitäts-Grössenordnung “Grand Dixance”. Eine “Netto-Null” Zielsetzung ebenfalls nur auf der Basis Solar und Wind würde diesen Pumpspeicher Kapazitäts-Bedarf sicher verdoppeln.
      Da stellen sich zwei fundamentale Fragen: Erstens wo könnte diese in der Schweiz noch untergebracht werden und zweitens ist zu der allfälligen Umsetzung im gegebenen Zeitfenster der Zug nicht längst abgefahren?
      Und da gibt es noch die Träumer der Speicherung im PtoGtoP Modus. Da sind die Prozessverluste derart hoch, dass die Zahl der notwendigen Solar- und Windanlagen um Faktor 4 (!) erhöht werden müsste. So oder so ein Irrsinn, predigt man doch Energieeffizienz und meint ernsthaft, man könnte das Versorgungsthema mit einem hochgradig ineffizienten Verfahren lösen.
      Würde man statt dessen auf neue Kernkrafttechnik setzen, so wäre das Thema der Versorgungssicherheit mit ein paar 100’000 m2 Landbedarf gelöst. Zusätzliche neue Pumpspeicheranlagen wären nicht dringend notwendig und bezüglich anrechenbare CO2 Emissionen bei weitem die beste Lösung.

      1. Merci für Ihre ausführliche Antwort!
        Sie haben mir bereits vor einem Monat (auf meinen Beitrag: Herr Vogel, wie sehen Sie das CCN?) geantwortet, “dass der Ersatz der bestehenden Kernkraftwerke durch PV und dazu noch Elektrifizierung des Individualverkehrs, zusätzliche 13 bis 14 saisonale Speicher der Kapazität von Grande Dixence braucht”.
        Jeder, der die Geographie und Topographie unseres Landes kennt, weiss, dass so etwas unter Einhaltung der bestehenden Rechtsordnung unmöglich ist. Ob es ein Diktator (selbstverständlich nicht innerhalb weniger Jahrzehnte) schaffen könnte, bleibe dahingestellt, da irrelevant.
        Trotzdem bleibe ich – mit meinem dicken Bernerschädel – bei der im erwähnten Beitrag geäusserten Auffassung: es sollte auf der Landeskarte dargestellt werden, welche Gebiete mit Solarpanels und Eoliennes bestückt und welche Gebiete überflutet werden müssten, um eine funktionierende, bloss auf neuen “Erneuerbaren” basierende Energieversorgung anbieten zu können.
        Der Durchschnittsbürger und der Durschnittsjournalist kennen wahrscheinlich nicht einmal den Lac des Dix und noch weniger sein maximales Volumen oder die Fallhöhe bis zur Zentrale von Bieudron, um sich überhaupt etwas vorstellen zu können. Sehen sie aber auf der Karte oder auf Fotomontagen, welche Katastrophen die heutige Politik auslösen kann, kommt vielleicht Bewegung in die Sache. Und auch das Parlament könnte möglicherweise dazu gebracht werden, etwas zur Bekämpfung des in den letzten Sessionen ausgebrochenen Riederwahnsinns beizutragen.

      2. Danke Herr Höhener für Ihre fundierten Stellungnahmen.
        Zum ökonomischen Unsinn der 7 genannten Pumpspeichern in der Grössenordnung “Grande Dixcence” zwei weiter Aspekte.
        1. Die politische Dimension: Das Wasserschloss Helvetia kann kaum derartige Mengen Wasser horten, ohne mit seinen Nachbarn in ernsthafte Konflikte zu geraten. Man stelle sich vor, dieses Wasser wird im Frühjahr bis Herbst zurückgehalten, wo andernorts Wassermangel herrscht (z.B. Provence) – usw – dann im Winter zur Energieerzeugung «entsorgt»!
        2. Die erosionsbedingte Lebensdauer von Stauseen: Sehr langfristig gedacht sind zudem Stauseen auch eine zu hinterfragende Option, da ihre Kapazität stetig durch sich ansammelndes Geschiebe abnimmt!

  2. Werden solche Beiträge und weitere Beiträge vom Carnot-Cournot Netzwerk von den Herren und Damen im Parlament in Bern überhaupt gelesen, es wäre, meine ich, wichtig, doch ich zweifle, dass sie es tun und entsprechend ihre Meinung gut übwerdenken.

  3. Wenn eine Windfarm oder eine Solaranlage Überschüsse produziert, muss die Speicheranlage in der Lage sein, diese gesamte Leistung sofort zu übernehmen (Produktionsspitze bei maximaler Leistung). Dies geschieht häufig und schnell.
    Das bedeutet, dass die Speicheranlage genauso leistungsstark [MW] sein muss wie diese Spitze und daher genauso schlecht ausgelastet sein wird wie die Primärproduktion.
    Das bedeutet auch, dass die Pumpanlagen, Supercharger oder Wasserstoff-Elektrolyseure massiv überdimensioniert werden müssten.
    Dies wird als Kapitalverschwendung bezeichnet und treibt die Kosten in unerschwingliche Höhen (auch wenn chinesische PV-Module zu Dumpingpreisen angeboten werden).
    Jahresdurchschnittliche Nutzung der installierten Nennleistungen in der Schweiz (Kapazitätsfaktoren) :
    Solar 11% (89% der Nennleistung wird nicht genutzt),
    Wind 20% (80% nicht genutzt).

  4. Wer nicht hören/verstehen will/kann, muss fühlen/bezahlen. Leider erst in 20 Jahren, wenn auch die ersten angeblich ‘erneuerbaren Energien’ ersetzt werden müssen. Ich bin bezüglich technischer Infrastrukturplanung skeptisch, bezogen auf die halbdirekte Demokratie. 95% der Erwachsenen weisen ungenügende elementare Kenntnisse der Technik und Physik auf (noch besser bei den Schülern). Verwechseln Kraft mit Energie, und Atomhüllen mit Atomkernen. Viele politische Probleme könnten durch rationale Planung angegangen werden. Vorbild hier Singapur, nicht die Schweiz, aber auch nicht Deutschland, aber aus anderen Gründen.

  5. Dank der Energiewende werden spätestens 2035 viele E-Autos morgens nicht genug geladen sein und werden nicht wegfahren können. Damit wird auch das Problem des morgigen Verkehrstaus entschärft. Die Autobatterien stehen dann auch zur Verfügung für die Lastregelung, da sie nicht unterwegs sind. Das ist ganz im Sinne der Grünen und eine perfekte neue Weltordnung.

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