Irreführende NZZ Standpunkte mit Gunzinger

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Auf SRF Info konnte man am letzten Sonntag ein Gespräch des NZZ-Chefredaktors Eric Gujer mit dem “Allrounder” (so die NZZ) Anton Gunzinger verfolgen:

NZZ Standpunkte
Strommangel und knappes Gas – Frieren wir bald alle?

Im Anschuss an die Sendung wurde Herrn Gujer eine Kritik zugestellt, welche besonders auf die Falschaussagen Herrn Gunzingers zur Kernenergie hinwies. Ein NZZ-Redaktor antwortete darauf ebenso zügig wie nichtssagend und jedenfalls ohne auf das Kernthema der Kritik einzugehen. Ich erhielt Kenntnis von diesem Mailverkehr und habe sogleich eine weitere Kritik eingereicht, die unten – bereinigt um Schreibfehler im Mail – aufgeführt ist.

Zwei Anmerkungen habe ich dazu:

  • Meine ironisierende Grussfloskel “Mit freundlichen Grüssen von einem ausgebildeten Feinmechaniker, Maschinen Ingenieur ETH, …” versteht man nur, wenn man sich die Aufnahme bis etwa 2/3 ihrer vollen Länge zu Gemüte führt.
  • Und eine Warnung: Die hohe Dosis an Unsinn des “Allrounders” droht der Gesundheit des Zuschauers zu schaden.

Ich wünsche allen Interessierten nichtsdestotrotz ein unterhaltsames Hör”vergnügen”.


Sehr geehrter Herr NZZ-Vertreter

Im Zusammenhang mit der Sendung «Standpunkte» (…) habe ich über den Schriftverkehr im Zusammenhang mit einer Kritik an der Sendung Kenntnis erhalten.

Ich kann die kompetente Stellungnahme, welche in dieser Kritik zum Ausdruck kommt, nur unterstützen. Die Sendung hat in der Tat gezeigt, dass Herr Gunzinger sehr geringe Kenntnisse betreffend Kernenergie hat und besonders offenkundig sind auch seine Kenntnisse über eine sichere Stromversorgung rudimentär.

Sie schreiben in Ihrer Antwort «Falls sich im Verlauf der Sendung Sachfehler eingeschlichen haben sollten, so bedauern wir das». Leider ist es so, dass die Aussagen des Herrn Gunzinger nur so von Falschaussagen strotzen, auf alle diese Punkte einzeln einzugehen, würde den Rahmen meines Schreibens bei weitem sprengen. Soviel jedoch:

  • Leider sind die Tage im Winter auch für alpine PV- Anlagen kürzer. In der kritischen Strommangelperiode, welche je nach Saison von rund Mitte November bis Mitte Februar dauert, produzieren solche Anlagen ab etwa 9h bis etwa 17h Strom – dabei etwa 50% der Nennleistung von 09:45h bis 16:15h. Der Markt braucht jedoch volle Leistung zwischen etwa 05:00h und 21:30h. Das Soll beträgt somit rund 16,5h, während tatsächlich bestenfalls während 7 bis 8h PV- Strom anfällt.
  • Zudem ist es gemäss Statistik mit der Anzahl Sonnenstunden im Gebirge so, dass eine alpine Solaranlage im Winter höchstens während 25% der Zeit produziert. Voraussetzung dazu ist auch, dass die Anlagen auf Höhenzügen und nicht in Tälern (Bündner Täler gemäss Gunzinger) installiert werden müssen.
  • Herr Gunzinger drückt sich darum zu erklären, wie diese Differenz überbrückt werden soll. Jedenfalls können die bestehenden Speicher nicht beigezogen werden, denn diese müssen (zwingend) Winter- Tagesstrom produzieren. Stauanlagen entleeren und gleichzeitig auch wieder hochpumpen ist wohl völliger Unsinn.
  • Das heisst konkret: für die Pufferung von PV- Tagesstrom zum Tagesausgleich müssen neue Pumpspeicher gebaut werden, welche gemäss den PV- Ausbau- Zielsetzungen enorme Dimensionen annehmen (bis zu 5 Mal Grande Dixence, dies ohne E-Mobilität).
  • Die Kosten dieser Systemkomponenten – Netzausbau kommt auch noch dazu – müssen den PV- Gestehungskosten zugerechnet werden. In einer derartigen Mischrechnung spielen die reinen PV- Kosten jedoch eine untergeordnete Rolle. Der Punkt hier ist der: warum PV- Anlagen bauen, wenn man so oder so in Redundanz investieren muss, welche das Kernkriterium – Sicherung der Versorgung 24/7, 365 Tage im Jahr jeden Bruchteil der Sekunde – alleine sicherstellen kann.
  • Axpo hat im Herbst 2021 zur ersten PV-Alpinanlage erklärt, dass die nackten (d.h. ohne weitere Systemkomponenten) Gestehungskosten um die 20 Rp. pro kWh zu stehen kommen. Ein weiterer Ausbau ohne Subventionen sei nicht möglich. Da gibt es doch einen eklatanten Widerspruch zur Gunzingers Behauptung.
  • Und noch ein Wort zur Bemerkung, die umliegenden Länder seien der Schweiz voraus: In der Tat und glücklicherweise ist das so, besonders Deutschland kann als negatives Versuchsobjekt herhalten. Trotz gewaltigem Ausbau von Wind und PV (NEE) gibt es während jeden Monats des Jahres während etwa 1/3 der Zeit keinen Strom aus solchen Anlagen. Mit dem Ausbau der NEE sind wohl die Produktions-Amplituden gestiegen, die Lücken blieben jedoch. Was auch “Dank” den Einspeiseregeln für NEE-Anlagen dazu geführt hat, dass besonders im Sommer Strom zu negativen Preisen im Markt ist – dies, weil NEE-Anlagen auch dann produzieren, wenn der Markt den zusätzlichen Strom gar nicht braucht.
    Deswegen hat Deutschland heute die höchsten Strompreise für Endabnehmer.

(…) die Liste der Falschaussagen liesse sich sehr lange fortsetzen. Was ich oben herausgegriffen habe, kann alles gut dokumentiert und nachgewiesen werden.

Sie schreiben «… die Energiediskussion wird kontrovers geführt …» – und absurd muss da angefügt werden, denn es steht Ideologie gegenüber Sachverstand. Es kann doch nicht sein, dass Medien wie die NZZ es zulassen, dass Diskussionen auf solchem Niveau geführt werden. Ich meine, dies wäre zur Zeit als die NZZ noch eine hochstehende Rubrik «Technik und Wissenschaft» führte nicht vorgekommen.

Mit freundlichen Grüssen von einem ausgebildeten Feinmechaniker, Maschinen Ingenieur ETH, CEng CMar Eng und Fellow of the Institute of Marine Engineers, welcher allenfalls als Tuner der Hausfeuerungen mündiger Schweizerbürger in Frage käme.   

Emanuel Höhener

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7 thoughts on “Irreführende NZZ Standpunkte mit Gunzinger”

  1. Ich bewundere jeden, der die Nerven hatte, dier letzte NZZ-Standpunkte-Sendung bis zum Ende über sich ergehen zu lassen. Ich konnte nach der Hälfte nicht mehr.
    Demgegenüber ist der Beitrag Höhener ein wahrer Lesegenuss, mit klaren und für jedermann verständlichen Herleitungen. Merci!

  2. Man stellt fest, dass es hierzulande einen energie- und klimapolitischen “Woke-ismus” gibt. Gunzinger ist voll “woke”. In den meinungsbildenden Medien inklusive NZZ besteht bei externen Autoren und Interviewten ein eklatantes Missverhältnis zwischen der Anzahl “woke”-Stimmen pro “Energiewende” und Kritikern. Leuthard kriegt Raum für Rechtfertigungen auf bedenklichem Niveau, Gunzinger darf wieder phantasieren, und die Gletscher-Initianten kriegten für Ihre Replik auf meinen früheren NZZ-Artikel “Das Klima und die politische Kommunikation” für ihre Rechtfertigung viel mehr Raum als ich in meinem Gastkommentar. Das Resultat ist eine Art Gehirnwäsche ohne staatlichen Zwang.

  3. Die Intervention von Emanuel Höhener ist eine Bestätigung des Brandolini-Prinzips, das besagt, dass man, um einen Bullshit zu widerlegen, eine Grössenordnung mehr Aufwand betreiben muss, als ihn zu behaupten.
    Die Gunzinger aus dem “Lager des Guten” wissen das und streuen eine Menge Details, deren Punkt-für-Punkt-Kritik verhindert, dass man sich mit dem Kern des Problems befasst, nämlich dem Mangel an Grundlage für den Öko-Klima-Alarmismus.

  4. Gewiss seltsam an Höheners Stellungnahme ist, dass er Gunzinger jede atomare Sachkenntnis abspricht, dann aber nur seine PV-Aussagen diskreditiert. Würde mal sagen, dass der Höhener so viel über PV weiss, wie er dem Gunzinger mangelnde Atomkenntnisse vorwirft, zb:
    – Natürlich sind die Tage im Winter kürzer – relevant für die PV-Strom-Produktion sind aber die Monate Februar bis April, da sind sie bereits wieder länger. Erst dann sind die Stauseen annähernd leer und also eine geringere Wasserstrom-Produktion das Problem!
    – Dass PV-Anlagen nur auf Höhenzügen Strom produzieren ist schlicht falsch. Wenn die Sonne in Bergtälern scheint (wovon sich ja jeder Alpenbesucher ein Bild machen kann) dann arbeiten die PV-Anlagen auch dort mit Hochdruck.
    – Bezüglich Speichermöglichkeiten liesse sich lange diskutieren – interessant immerhin dass Höhener von nur 5 Grande-Dixences-Anlagen spricht – früher war in Ihren Kreisen von deren bis zu 14 die Rede. Ist doch ein erheblicher Unterschied und zeigt, dass hier eben (noch) keine Sicherheit besteht und jeder einfach mal was behauptet.
    – Kosten des gesamten Energiesystems werden nicht nur in einem erneuerbaren relevant, vielmehr werden alle neuen Stromanlagen zusätzliche solche Kosten erzeugen, da zb die Stromleitungs-Infrastruktur der Schweiz erneuert und erweitert werden muss.
    – Komplett falsch ist sodann Höheners Behauptung «während jeden Monats des Jahres während etwa 1/3 der Zeit keinen Strom aus solchen Anlagen», das zeigen die nun zum Glück vermehrt verfügbaren Statistiken. Und nicht vergessen: die Schweiz hat ja immer noch die Wasserkraft. Der wegen seiner Energiewende-kritischen Haltung gern zitierte Prof. Dr. Hans-Günter Appel vom
    Stromverbraucherschutz NAEB e.V. hielt andernorts fest: «Ein stabiles Netz erfordert mindestens 40 % Grundlast von Kraftwerken.» Was die Schweiz mit der Wasserkraft bekanntlich hat!

    1. Herr Rehsche,
      eigentlich gilt für sie dasselbe, was Herr Ziegler im obigen Kommentar ausdrückt. Anhängen müsste man, notorisch!
      * Wenn sie meinen Blog Eintrag aufmerksam lesen, dann stellen sie fest, dass ich gleich zu Beginn auf eine Kritik zum Gunzinger Gespräch verweise, welche sich ausschliesslich auf das Thema Kernkraft bezieht. Die Kritik war gut, berechtigt und kompetent, da hatte ich nichts mehr anzufügen.
      * Zudem schreibe ich auch gleich zu Beginn, dass ich mich mit meinen kritischen Anmerkungen auf ein paar wenige Punkte fokussiere, jede einzelne Gunzinger These zu widerlegen, wäre Romane füllend. Es gilt eben, wie M. de Rougemont bereits richtig vermerkt, das Brandolini Gesetz.
      * Falls sie je meine früheren Beiträge aufmerksam durchgelesen haben, dann hätten sie feststellen können, dass wir im CCN von rund 5bis 6 Pump-Speicher der Grand Dixance Kapazität sprechen (Stauvolumen * Fallhöhe), allein für den qualitativ gleichwertigen Ersatz von Strom aus den bestehenden Kernkraftwerken. Sollte auch noch der Bedarf für E-Mobilität durch initiale PV Stromgenerierung gedeckt werden, so würden dann eben rund 14 derartige Anlagen gebraucht. Ich meine, sie können, wollen – was auch immer- solches nicht verstehen.
      * Nur ist es eben so, dass Stromleitungen zum Anschluss einer Solaranlage auf deren nominal Leistung dimensioniert werden müssen, mit einem alpinen “power factor” gerechnet, würde diese Kapazität allerdings nur während 15% des Jahres beansprucht, oder anders rum, steht diese Leitung während 85% des Jahres still. Ein thermisches Werk produziert in der Regel während 90% des Jahres.
      * Auch hier Herr Rehsche meine ich, dass sie die Lastkurven von NEE Einspeisung in D offenbar nicht verstehen wollen, oder können.
      40% Grundlast (oder mehr) aus Wasserkraft hat die CH soviel ich mich erinnere möglicherweise im Sommerhalbjahr, im Winter jedoch sicherlich nicht. Man kann und darf nicht die Speicherwerke als Grundlastanlagen- Ersatz beiziehen.

      Und noch etwas: Ich möchte sie daran erinnern, dass sie den Lesern des CCN Blogs seit rund 4 Jahren eine Antwort betreffend den effektiven Kosten des Stroms für ein autonomes Gebäude schuldig sind, wohlgemerkt ohne Subventionen. Das wäre dann doch einmal ein konstruktiver Beitrag als Kontrapunkt zu ihrer chronischen Nörgelei.

    2. Man kann nicht wegdiskutieren, dass in der Schweiz die Grundlast heute von den KKW im Winter und vor allem in der Nacht und nicht von Wasserkraftwerken geliefert wird. PV kann es definitiv nicht, auch wenn in den Bergen die Produktion tagsüber etwas höher als im Mittelland ist.
      A. Gunzinger hat mir vor zwei Jahren bei einer Tagung bestätigt, dass ohne mindestens 4’000 MW Windkraft und 4’000 MW Gaskraftwerke die Versorgungssicherheit der Schweiz im Winter nach der Abschaltung der KKW nicht sichergestellt werden kann. Das schweigt er immer wieder gern, wenn man ihm nicht klare Fragen stellt. E. Gujer war leider einen schwachen und schlecht informierten Interviewer …

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