Auch IEA-Chef Fatih Birol zieht es vor, sich von Ideologie statt Logik führen zu lassen

In einem NZZ-Interview sagte Birol: “Eine meiner grössten Hoffnungen liegt auf der Nutzung von Elektrofahrzeugen.” Er verkennt, dass diese laut den IEA-Statistiken Kohlestrom tanken würden.

Regelmäßige Leser der IEA-Publikationen werden an dieser Stelle des NZZ-Artikels stutzen:

“Eine meiner grössten Hoffnungen liegt auf der Nutzung von Elektrofahrzeugen. Je mehr Elektroautos es gibt, desto weniger Erdöl wird verbraucht. Und Strom wird mit Solarpanels, mit Windkraftwerken und in manchen Ländern auch mit Atomkraft erzeugt.”

Birol plädiert de facto dafür, einen zusätzlichen Stromverbraucher einzuführen. Wie sich dies im globalen Maßstab auf die Emissionen auswirken würde, lässt sich in einem Bericht der IEA vom Januar 2021 mit dem Titel Covid-19 impact on electricity“ nachlesen. Im Frühjahr 2020 gab es einen globalen Lockdown, woraufhin die Stromnachfrage sank. Im Sommer wurde der Lockdown gelockert, und die Stromnachfrage stieg wieder an. Hier der Effekt auf die Emissionen (in deutscher Übersetzung):

„In allen großen Regionen hat sich der Strommix … in Richtung erneuerbare Energien verschoben. Mit der Lockerung der Sperrmaßnahmen kehrten die Stromnachfrage und der Strommix zu den vorherigen Trends zurück.“

Für die USA wurde z.B. berichtet:

„In den USA blieb Erdgas seit März die führende Stromquelle, während erneuerbare Energien den Beitrag von Kohlekraftwerken bei weitem übertrafen, als die ersten Maßnahmen zur Eindämmung in Kraft traten und die Nachfrage zurückging.“

Als die Nachfrage sank, wurd weniger Kohlestrom produziert.

„Im Juni, als die Strenge der staatlichen Maßnahmen nachließ, festigte Erdgas seine führende Position. Im Juli und August liefen Kohle- und Kernkraftwerke auf Hochtouren, um auf die steigende Nachfrage zu reagieren.“

Mit steigender Nachfrage wurde wieder mehr Kohlestrom produziert.

Didaktisch wertvoll sind auch Kurven wie diese (Electricity mix in India):

Die Anteile von Kohle und Erneuerbaren verlaufen nahezu gegenläufig: Was die Erneuerbaren mehr erzeugen können, nehmen sie der Kohle ab. Steigt jedoch der Strombedarf, dann sind es nicht die Erneuerbaren, die ihre Stromproduktion erhöhen – sondern die Kohlekraftwerke!

Darum ist jede Investition in die Elektromobilität für den Klimaschutz verlorenes Geld. Das gilt nahezu global. Selbst Schweizer Tesla-Fahrer lösen mehr Emissionen aus, als sie glauben – wenn etwa nachts mit deutschem Kohlestrom Pumpspeicher gefüllt werden, damit tags darauf hinreichend viel Grünstrom verkauft werden kann.

Welche Hoffnungen für die Energiewende mag Birol wohl mit der Idee verbinden, im Verkehrssektor die Primärenergie Erdöl mit Kohle zu ersetzen? Kann es sein, dass auch der Chef der IEA sich stärker von Ideologie als von Logik leiten lässt?

Meinen Landsleuten steht es indes gewiss nicht zu, Herrn Birol zu kritisieren:

„Die Deutschen haben eine Besessenheit, jede gute Sache so weit zu treiben, bis eine böse daraus geworden ist.“
(George Bernhard Shaw)

So ist es in Deutschland tatsächlich möglich, nicht existente Emissionseinsparungen zu verkaufen:

“E-Autos stoßen keine Treibhausgase aus. Seit Januar können Halter die eingesparte Emission für Hunderte Euro jährlich verkaufen.”

Dass es sich bei diesen „eingesparten Emissionen“ um fiktive Bilanzgrößen handelt, die von EU-Bürokraten unter Ausblendung der tatsächlichen Emissionen der Stromerzeugung errechnet werden, stößt in Deutschland auf Desinteresse.

Ebenso wenig fand die Nachricht Beachtung, dass die von der Allgemeinheit zu tragende Subventionslast über den gesamten Lebenszyklus eines E-Autos weitaus höher als bislang bekannt ist:

“Fossilstromautos werden noch viel stärker subventioniert als bislang bekannt – mit bis zu 40.000 € je Fahrzeug!
Zur schnellen Durchsetzung der Elektromobilität verzichtet der Staat bei einem Auto der gehobenen Mittelklasse auf Steuereinnahmen von bis zu 22.000 €, war im Sommer dieses Jahres in einem Papier der Deutsche Bank Research zu lesen.
Prof. Dr. Peter Hoberg von der Hochschule Worms schaute etwas genauer hin und entdeckte weitere versteckte Subventionen in Höhe von über 18.000 €.”

Ob in der IEA, der EU-Kommission oder der deutschen Regierung: Überall haben die Entscheider jedes Maß und alle Hemmungen verloren. Sie sind entschlossen, das E-Auto um jeden Preis durchsetzen. Und eine lange Reihe wissenschaftlicher Institutionen ist nur zu gerne bereit, Aufträge entgegenzunehmen und affirmative Begleitforschung zuzuliefern, um störende Fragen nach der tatsächlichen Klimabilanz der Elektromobilität abzuschmettern. Der laufende Ausstoß an Greenwashing-Publikationen, in denen kommentarlos ignoriert wird, dass der Ökostrom bereits Abnehmer hat und von Elektro-Spaßmobilen nicht noch einmal verbraucht werden kann, hält unvermindert an.

Bildquellen:
https://www.iea.org/about
https://www.iea.org/reports/covid-19-impact-on-electricity

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11 thoughts on “Auch IEA-Chef Fatih Birol zieht es vor, sich von Ideologie statt Logik führen zu lassen”

  1. Vielen Dank an Kai R. für diese ebenso interessanten wie ärgerlichen Hinweise. Es ist wirklich kaum zu fassen, wie falsch bzw. kontraproduktiv im Bereich der Substitution von Verbrennungsprozessen durch angeblich CO2-ärmere Technologien vorgegangen wird. Jeder Anfänger-Ökonom weiss, dass die Musik “at the margin” spielt – auf die Grenzbetrachtung kommt es an, nicht auf die Durchschnittswerte.
    Nehmen wir einmal an, dass jetzt immer mehr Benzin- und Dieselautos durch batteriegetriebene E-Autos (BEV) ersetzt werden, dass deren Anteil langsam aber sicher erhebliche Werte erreicht. Dann sehen wir uns die neuesten CO2-Emmissionskurven an und stellen verwundert fest, dass sie nicht sinken, sondern steil ansteigen…

    1. Bei der Grenzbetrachtung kommt es eben darauf an, wie der zusätzlicher Strombedarf der E-Autos gedeckt wird. Durch neue Erneuerbare wie in der Energiestrategie 2050 vorgesehen, oder durch Gaskraftwerke, wie kürzlich von der ElCom vorgeschlagen …
      Oder habe ich wieder nichts verstanden?

      1. Bei der Grenzbetrachtung kommt es eben darauf an, wie der zusätzliche Strombedarf zur Implementierung der Anlagen zur Erzeugung von Grünstrom gedeckt wird: Solange der Schweizer Energieverbrauch noch zu 2/3 aus fossilen Energieträgern stammt, stammt auch die graue Energie zur Erstellung der Solar-& Windkraftanlagen von fossilen Energieträgern. Durch neue Erneuerbare wie in der Energiestrategie 2050 vorgesehen, wird also Fossilstrom nicht ersetzt, sondern nur gewaschen. Sie haben abermals nichts verstanden!

        1. wunderbar, Sie haben wirklich fast alles verstanden, und wie die Grünen predigen Sie also Suffizienz und Verzicht, um die Welt zu retten ?

          1. Ich predige nicht, sondern ich argumentiere und möchte auch den dümmsten Zeitgenossen einbläuen, dass man die mutmassliche anthropogene Klimaerwärmung durch den vorzeitigen Ersatz vorhandener Stromerzeugungsanlagen jeglicher (!) Art weder verzögern noch zum Stillstand bringen, sondern lediglich beschleunigen kann: Das Pariser Klimaabkommen ist absurd und kontraproduktiv, es bringt Geschwindigkeit und Beschleunigung des Klimawandels durcheinander: Für den Verlauf der (lediglich mutmasslich anthropogenen) Klimaerwärmung nach 2050 ist es entscheidend, wieviel CO2 zu welchem Zeitpunkt bis dahin in die Luft gelangt, weil nach 2050 die Klimaerwärmung mit derjenigen Geschwindigkeit fortschreitet, welche sie dann erreicht hat, und keineswegs verlangsamt wird oder zum Stillstand kommt, wenn ab 2050 nur wenig oder gar kein CO2 mehr in die Luft gelangt. AMEN.

      2. Darauf kommt es nicht an. Wenn die zusätzlichen Verbraucher “grünen Strom” verbrauchen, dann steht von diesem umso weniger für den Ersatz von fossilen Kraftwerken zur Verfügung. Beispiel: Nehmen wir an alle Leute, die eine PV betreiben, legen sich einen Tesla zu. Na dann müssen sie halt jetzt um den Verbrauch des Teslas mehr Strom aus dem Netz beziehen – und dieser kann nur geliefert werden, wenn in D und Polen mehr Fossilstrom produziert wird. Der Zusatzstrom kann nicht mit Erneuerbaren produziert werden, denn das dauert Jahre, bis diese soweit sind.

  2. Zwei Dinge sind immerhin bemerkenswert: Autor Ruhsert verweist auf folgendes Argument: «Prof. Dr. Peter Hoberg von der Hochschule Worms schaute etwas genauer hin und entdeckte weitere versteckte Subventionen in Höhe von über 18.000 €.» Er belegt damit selbst das Fakt, dass die Fossilen Energien noch weit mehr als die Erneuerbaren im aktuellen Energiesystem subventioniert werden. Fielen diese Subventionen an die Fossilen weg, wäre eine Energiewirtschaft auf der Basis der Erneuerbaren auch ohne deren Subventionierung konkurrenzfähig. Und zweitens liest man im oben erwähnten Interview mit Fatih Birol von der IEA auch folgendes interessantes Statement: «Die erneuerbaren Energien haben nicht mit dieser Krise (aktuelle Preissteigerungen der Fossilen) zu tun, ausser dass wir noch mehr davon benötigen.» Und im vergangenen Herbst hatte derselbe Birol anlässlich der Veröffentlichung des neuen World Energy Report’s festgehalten, die Solarenerige sei die künftige Königin der neu zu erstellenden Energieerzeugungsanlagen – weltweit. Aber das haben die C-C-Autoren noch längst nicht gemerkt.

  3. Erneuerbare Energien assoziiert man mit Sonne, Wind und Wasser. Die sind seit eh und je da und haben mit erneuern nichts zu tun.
    Damit der Mensch aus diesen seit je daseienden Quellen Energie gewinnen kann, muss er jedoch Geräte und Installationen bauen die ALLE aus NICHT erneuerbaren Rohstoffen und Materialien hergestellt werden müssen. Gerade auch PV und Windräder werden aus ENDLICHEN Rohstoffen hergestellt. Das Reden von ERNEUERBAREN Energien ist daher nicht redlich und eine wohl bewusste Täuschung. Oder irre ich mich?

    1. Ja, genau. PV und Wind sind so wenig dichte Energieformen, die man sozusagen unter einem massiven Einsatz von nicht-erneuerbaren, knappen Ressourcen “einsammeln” muss. Und die dezentrale Produktion sowie die starken Leistungsschwankungen bei diesen Energieträgern erfordert massive Netzinvestitionen – wiederum also Einsatz von nicht-erneuerbaren, knappen Ressourcen.

      Eingerechnet wird der Einsatz von Boden, nicht jedoch die Landschaftsverschandelung und ebensowenig die toten Vögel…

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