Stromversorgungssicherheit erfordert Priorisierung der Investitionen

Wir brauchen eine Priorisierung der Investitionen zugunsten der Versorgungssicherheit, geeignete Rahmenbedingungen für den Einsatz von Gaskraftwerken und Notfallpläne für einen Inselbetrieb der Schweiz, falls einvernehmliche Lösungen mit unseren Nachbarländern nicht möglich sind.

Gestern und heute (27. und 28. Januar) hat die Kommission für Umwelt, Raumplanung und Energie des Ständerats (UREK-S) Beratungen zur Stromversorgung traktandiert:

21.047 Geschäft des Bundesrates. Sichere Stromversorgung mit erneuerbaren Energien. Bundesgesetz.

Curia-Vista, Botschaft

Nach dem Kurswechsel der FDP-Spitze, neue Kernkraftwerke wieder zuzulassen (bzw. das gesetzliche Verbot der Kernkrafttechnologie zu streichen), über den die Parteibasis am 12. Februar abstimmen wird, herrscht grosse Nervosität. Gewisse Bundesparlamentarier der FDP stehen diesem Kurswechsel skeptisch bis ablehnend gegenüber, doch ist zu erwarten – oder zu hoffen – dass die Basis zustimmen wird.

Wie in diesem Blog schon oft erörtert wurde, kann die Schweiz ihre Stromversorgung nicht auf Dauer und erst recht nicht nachhaltig im Sinne der Klimapolitik (Dekarbonisierung) ohne Kernkraft sicherstellen. Die Energiestrategie 2050 (ES 2050) ist eine Kernkraft-Ausstiegsstrategie und muss somit schon jetzt als gescheitert beurteilt werden, auch wenn ihre Proponenten dies einfach noch nicht wahrhaben und zugeben wollen. Doch indem immerhin immer mehr von ihnen einräumen, dass zur Vermeidung von Strommangellagen unverzüglich mehrere Gaskraftwerke (als Übergangslösung – Übergang zu was?) gebaut werden müssen, räumen sie indirekt auch ein, dass die ES 2050 schon versagt hat. Viele unserer Energiepolitiker versuchen noch, ihr Gesicht zu wahren, und merken nicht, dass sie es bereits verloren haben.

Wenn sich eine Politik oder eine Strategie als nicht zielführend oder sogar als nicht realisierbar erweist, dann muss sie unverzüglich aufgegeben werden. Dazu gehört selbstverständlich auch, dass sämtliche bereits laufenden Umsetzungsmassnahmen sofort gestoppt werden müssen. Zuerst muss abgeklärt werden, welche Massnahmen auch in einer revidierten Politik oder Strategie überhaupt noch nötig und sinnvoll sind. Andernfalls riskiert man viele letztlich fehlgeleitete Investititionen.

Lukas Weber, Ingenieur, Publizist und Präsident der Arbeitsgruppe Christen + Energie, hat dies in einem Gastkommentar in der “Weltwoche” treffend wie folgt formuliert:

Die Zeit läuft uns davon

Angesichts der jetzt notwendigen Investitionen muss unsere gegenwärtige Ausgaben- und Subventionspolitik hinterfragt werden. Der Ausbau von Solar- und Windkraftanlagen verschlingt grosse Summen und trägt wenig zur Versorgungssicherheit bei. Gleichzeitig müssen wir unsere bestehende Stromversorgung für Zeiten mit ungenügend Sonne und Wind erneuern und ausbauen. Beides zu bauen, ist unwirtschaftlich und unökologisch.

Wir brauchen unverzüglich eine Priorisierung der Investitionen zugunsten der Versorgungssicherheit, geeignete Rahmenbedingungen für den Einsatz von Gaskraftwerken und Notfallpläne für einen Inselbetrieb der Schweiz, falls einvernehmliche Lösungen mit unseren Nachbarländern nicht möglich sind. Damit dies gelingt, müssen alle Verantwortlichen ihren Beitrag leisten: die Parlamentarier, die Gesetze in Auftrag geben und beschliessen, die Energieämter, die sie entwerfen, und die Wirtschafts- und Umweltverbände, die die öffentliche Diskussion prägen. Sie müssen sich beeilen.

Lukas Weber, Notfall auf der Strominsel, Weltwoche Nr. 4.22 vom 27. Januar 2022, S. 40 (Link für Abonnenten, PDF)

Der Beitrag von Lukas Weber ist auch sonst sehr lesenswert (s. Link oder PDF oben). Ich habe diesen Auszug gewählt, weil er von grösster Wichtigkeit ist. Warum?

Nun, im Umfeld der UREK-S Beratungen und des eventuellen FDP-Kernkraft-Kurswechsels haben die Medien einige Ständeräte zur Energiepolitik und zu diesem Kurswechsel befragt. Dabei ist mir aufgefallen, dass sowohl Befürworter wie Gegner des Kurswechsels unreflektiert der Fortsetzung und sogar der Beschleunigung des Zubaus der Photovoltaik und der Windräder das Wort reden. Niemand, wirklich niemand getraut sich zu sagen, was bei strategisch untragbarer Unsicherheit gesagt werden muss: HALT!

Es muss jetzt unbedingt ein strategischer Marschhalt eingelegt werden. Die staatliche Subventionierung und regulatorische Bevorzugung von “Forschungs-” und Umsetzungsarbeiten im Sinne der untauglichen ES 2050 muss sofort eingestellt werden. Wir laufen sonst unweigerlich in die von Weber skizzierte ökologisch wie ökologisch unsinnige und schädliche Duplizierung hinein. Zunächst ist zu klären, wohin uns die energiestrategische und klimastrategische Reise führen soll. Erst dann können wir die nötigen Investitionen bestimmen und priorisieren.

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7 thoughts on “Stromversorgungssicherheit erfordert Priorisierung der Investitionen”

  1. Der Mantelerlass, den die UREK-S als Erstrat diskutiert, darf nicht fälschlicherweise “Bundesgesetz für eine sichere Stromversorgung mit erneuerbaren Energien” heissen, sondern muss “Bundesgesetz für eine sichere Stromversorgung mit klimaschonenden Energien” heissen. Die solare Anbauschlacht funktioniert nicht! Dies zeigt die Produktion einer Solaranlage im Januar 2021 im Raum Winterthur: An 8 (acht) aufeinanderfolgenden Tagen wurde keine einzige Kilowattstunde produziert (s. Schaubild). Da kann man noch so viel zubauen: 10mal Null bleibt Null!
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      1. Gut beobachtet. Da haben Sie recht. Das war ein langer und teurer Ausfall. Allerdings bei einer von drei Anlagen. Wenn die Sonne acht Tage nicht scheint, dann läuft nicht nur eine Anlage nicht, sondern alle x mal tausend Anlagen. Wie Irene Aegerter richtig festhält gilt dann x mal Null bleibt Null. Nachts trifft das sowieso immer zu. Im Winter einfach noch länger als im Sommer.

        1. Ihre Aussage, «Wenn die Sonne acht Tage nicht scheint, dann läuft nicht nur eine Anlage nicht, sondern alle x mal tausend Anlagen» stimmt so nicht, denn:
          – Es kommt sehr selten vor, dass sich die Sonne flächendeckend nirgends zeigt. Und selbst ohne direkte Sonneneinstrahlung wird Strom produziert. Denn es ist ja bekanntlich nicht die Sonne, sondern es sind Teile des Lichtspektrums, die den photovoltaischen Effekt erzeugen.
          – Die Energieversorgung der Schweiz wird ja nie vollständig von der Solarenergie abhängen, vor allem die Wasserkraft ist das allererste und beste Backup
          – Innert nützlicher Frist werden verschiedenste Speichermöglichkeiten weiter entwickelt, die die phasenweise fehlende Sonne ersetzen. Dabei gilt, dass Hausbatterien (in Deutschland bereits mit jeder neuen PV-Anlage im Einsatz), Warmwasserspeicher etc. das Kurzzeitproblem bereits weitgehend gelöst haben (Transformation der Energie vom Tag in die Nacht oder in die kommenden Tage). Die saisonale Überbrückung ist zweifellos das grösste Problem, durch mehr Wasserspeicher und vor allem durch Power to X lösbar, die Technologie ist bereits im Einsatz. Im Gegensatz zu den Phantasiegebilden, die in Zukunft seitens der Atomtechnologie zur Verfügung stehen sollen.

  2. Viel grundlegender als das Spiel mit Worten sind die Fragen, um WELCHE Investitionen es sich handeln soll und WER sie tätigen und WIE sie finanziert werden sollen. Um diese Frage anzugehen, muss man auch antizipieren, um WIEVIEL es sich handelt.

    In einem kürzlich erschienenen Artikel (Energie wenden: worum geht es wirklich) wird als plausibel dargestellt, dass für die Stromversorgung [1] der Schweiz in einem dekarbonisierten Kontext allein für die Produktion 70-80 Mrd. Fr. investiert werden müssten, wenn die Lösung einen nennenswerten Anteil an Kernenergie enthalten würde. Oder es wären 220 Mrd. Fr., wenn man darauf beharrt, nur Formen zu fördern, die in unserem Land zu 90% (Photovoltaik) oder 80% (Windkraft) nutzlos sind und die noch zu entwickelnde Speichersysteme inklusive eines tragfähigen Wirtschaftsmodells erfordern. Hinzu kommt der notwendige Ausbau des Netzes, das zwischen Erzeugung und Speicherung hin- und herwechseln muss.
    Für den Austausch mit Nachbarländern, die ähnliche Fragen zu beantworten haben, ist es ratsam, von einer Null-Hypothese auszugehen.

    All dies ist bereits hinlänglich bekannt und es scheint, dass es nichts nützt, es immer und immer wieder zu wiederholen.

    [1] Versorgung in einem dekarbonisierten Kontext: Ersetzen und Ausbau der bestehenden Kernkraftwerke, wenn sie das Ende ihrer Lebensdauer erreichen + Elektrifizierung von Heizungen und Mobilität bei gleichzeitiger Verbesserung ihrer Effizienz (realistischen Einsparungen) + Versorgung eines Wirtschaftswachstums, das all dies trägt. In dem Szenario, das in dem zitierten Artikel zugrunde gelegt wird, geht es darum, bis 2050 in die Bereitstellung von 60 TWh pro Jahr zu investieren.

    1. Das ist effektiv eine riesige Herausforderung, insbesondere wenn die Mobilität und die Heizung der Gebäude in Zukunft elektrifiziert werden soll. Gewaltige Investitionen in der Stromerzeugung sind dann notwendig und ohne Kernkraftwerke vermutlich wesentlich teuer. Aber wir brauchen nicht nur Bandenergie, was KKW am effizientesten können, sondern auch viel mehr Leistung (Grössenordnung 10’000 MW für die E-Autos und Wärmepumpen), d.h. eine Verdoppelung des heutigen Bedarfs im Winter, was KKW leider nicht können. Das können PV-Anlagen, besser im Sommer als im Winter und ohne einen massiven Ausbau der PV und der Speicher (Batterien) wird es kaum gehen. Wir müssten sonst 30 Gaskraftwerke von 300 MW auch noch bauen. Finden sie das die bessere Lösung?

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