Elektroautos als Stromspeicher?

Eigentlich sind Autos keine Fahrzeuge, sondern Stehzeuge. Tatsächlich stehen Autos mehr still als sie sich in Fahrt befinden. Die Idee, dass die Batterien von Elektromobilen auch als Stromquelle für ein Gebäude dienen könnten, ist deshalb nicht einfach von der Hand zu weisen[1]. Aber sie verdient eine nähere Analyse. Photovoltaik-Anlagen produzieren bekanntlich nur während der Tagesstunden und richtig effizient nur bei Sonnenschein. Stehende Autos am Tage können dann direkt ab Solarzelle geladen werden. Und nachts können ihre Batterien diesen Strom wieder ans Haus abgeben. Für eine kurzzeitige Speicherung über wenige Stunden funktioniert das. Eine saisonale Speicherung mit Batterien steht hier nicht zur Diskussion.

Doch auch diese Kurzzeitspeicherung hat ihre Tücken. Und das beginnt mit den häufigsten Gebrauchsstunden des Fahrzeugs (siehe Abbildung 1). 

Abbildung 1: Typisches Verkehrsaufkommen während eines Tages, Quelle: Fachkolloquium ASTRA 20. 9. 2017

Das Profil der Verkehrsfrequenz auf der A1 beim Grauholz unterscheidet sich kaum vom Profil der Verkehrsfrequenzen in Stockholm, San Francisco, London oder Liestal. Das Profil zeichnet sich aus durch eine Verkehrsspitze am Morgen, ein hohes Plateau über den Tag, eine Spitze am Abend und Ruhe während der Nacht. Mit Elektrofahrzeugen verändert sich dieses Profil nicht. Was bedeutet, dass Elektroautos in erster Linie nachts geladen werden. Das Ladeprofil ist einfach invers zur Verkehrsfrequenz. Doch die Nacht ist genau die Zeit, in welcher die Solaranlage nichts liefert und Strom fürs Haus von der Autobatterie bezogen werden müsste. Beides zusammen geht offensichtlich nicht. Eine zweite stationäre Batterie in der Garage könnte helfen. Um nachts gleichzeitig ans Haus und an das Fahrzeug liefern zu können, müsste sie mindestens die doppelte Kapazität der Autobatterie aufweisen. Und das auch nur unter der wenig realistischen Annahme, dass die Photovoltaikanlage jeden Tag genügend Energie für einen Haushalt rund um die Uhr und für die volle Tagesleistung des Fahrzeugs liefert. Unmöglich ist das nicht. Doch entspricht das nicht der ursprünglichen Idee, ein stehendes Fahrzeug zur Stromversorgung anzuzapfen. 

Das vorliegende Beispiel soll aufzeigen, dass Ideen meist nicht an ihrer technischen Machbarkeit scheitern, sondern an ihren ökonomischen und ökologischen Grenzen. Die Bereitstellung ausreichender Batteriekapazität führt zu einer fragwürdigen Materialschlacht und entsprechend auch zu unvertretbaren Kosten. Wir erkennen ein Muster, das bei vielen vermeintlich bestechenden Inventionen oder Innovationen zu beobachten ist. Das eigentliche Ziel einer CO2-Reduktion wird allein mit einer technischen Lösung nicht erreicht. Die ökologischen und ökonomischen Aspekte geraten unter die Räder. Klassische weitere Beispiele dazu sind CO2-Abscheidungsmaschinen und Elektrolysiergeräte, welche nur während kurzen Intervallen überschüssiger Stromproduktion laufen sollen. Für die gesamtheitliche Betrachtung von Lösungsansätzen, die einen echten Nutzen bringen, gibt es noch viel Lernbedarf.


[1] In der Schweiz sollen Elektroautos bald auch als Stromspeicher für Gebäude nutzbar werden. NZZ 3. 8. 2021.

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10 thoughts on “Elektroautos als Stromspeicher?”

  1. Sehr gut Markus,
    zu erwähnen wäre noch, dass durch die in Serie geschalteten Batterien, zuerst die stationäre Hausbatterie und anschliessend die Fahrzeugbatterie, für den Auto- Antrieb noch bestenfalls 55% der Energie aus der Photovoltaik (PV) Anlage zur Verfügung stehen. Die system- inhärenten Speicherverluste sind der Grund dafür, dass die Elektrifizierung des Individualverkehrs basierend auf PV Technik einen gigantischen Ausbau von Solaranlagen erfordern würde. Auch zieht dies einen ebenso gewaltigen Ausbau von Speicherkapazitäten – individuell oder auch zentralisiert – wie von Markus Häring geschildert, nach sich.

  2. Ich kann zum Text “Elektroautos als Stromspeicher?” nur gratulieren. Die Darlegung der Gedanken und die klare, für jedermann verständliche Sprache von Markus Häring ist eine Qualität für sich. Seine Überlegungen sind von allen Leuten, die sich mit der Elektromobilität und Stromspeicherung befassen, leicht nachvollziehbar – und überdies wohl kaum widerlegbar.

  3. Herr Dr. Markus Häring stellt eine sehr gute Frage. Ein aufrichtiges Kompliment zu seinem Beitrag. Die sachliche Diskussion ist notwendig. Zu viele Schweizerinnen und Schweizer sind schon heute überzeugt, dass wir die fragwürdige Energiestrategie 2050 mit Elektroautos problemlos lösen werden. Sicher sind auch die Batterien der Elektroautos ein Teil der Lösung. Den wahrscheinlichen Stromblackout der nächsten Jahre (2025?) werden wir mit dieser kleinen Teillösung jedoch nicht verhindern. Es braucht viel mehr. Zudem muss man immer wissen, dass Auto-Batterien allein nicht genügen: es braucht bidirektionales Laden, Ladestationen, Netze, zusätzliche Strom-Produktion, usw. All dies verursacht zusätzliche Kosten. Und hinter den Batterien steckt eine riesige Menge von CO2. Das wird praktisch nie erwähnt. Auf die Waagschale gehört alles, transparent, offen und ehrlich. Es ist nicht alles Gold, was glänzt.

  4. Ich stimme zu und möchte nur zu erwartende Einwände vorwegnehmen:

    1.) Die Ausbaupläne zielen darauf ab, E-Autos zukünftig nahezu überall zu laden, wo sie viele Stunden stehen; also auch auf dem Firmenparkplatz und am Supermarkt. Benötigt man tags darauf nicht die maximale Reichweite, dann darf die Ladeleistung in den Abendstunden geringer sein.
    In UK wird diese Option den EVUs ab nächstem Jahr gesetzlich eingeräumt, d.h. diese dürfen die Ladeleistungen in Spitzenlastzeiten nach eigenem Gusto drosseln – bis auf null. Andere Länder werden folgen (müssen).

    2.) Die meisten Autofahrten spielen sich über Strecken < 20 km ab, dann haben die Akkus auch die nötige Pufferkapazität, um abendliche Ladephasen mit geringer Leistung zu überbrücken. (Ob die Anwender es wirklich akzeptieren werden, die Fahrten häufig mit nur teilweise geladenen Akkus zu beginnen, ist eine andere Frage.) Das alles erfordert natürlich eine in der Summe über alles unfassbar teure Ladeinfrastruktur - incl. der selbst für geringe Ladeleistungen bei größerem E-Auto-Anteil nötigen Netzaufrüstung. Diese Kosten sind für den Klimaschutz komplett verlorenes Geld.

  5. Grundsätzlich kann man alles negativ sehen wenn man will. Oder aber man sucht Potentiale. Die Autos stehen ja meistens rum. Korrekt. Entweder zuhause oder bei der Firma. An beiden Orten sind Solaranlagen möglich. Was wäre denn wenn z.B. Firmen mit Solaranlagen ihren Solarstrom über den Tag günstiger (als der Strom zuhause) an die Elektrofahrzeugbesitzer verkaufen würden? So würden die Solaranlagenbesitzer profitieren und die Firmen ebenso. Und das Beste daran: Man füttert sein Haus mit erneuerbarer und umweltfreundlicher Energie!

    1. Das Problem daran ist, dass die Elektromobilität eine minderwertige Verwendung des Grünstroms bedeutet – minderwertig in dem Sinne, dass andere Verwendungen eine weitaus größere Verringerung der CO2-Emissionen bewirken.
      In den meisten europäischen Ländern wäre es sinnvoller, mit dem Ladestrom Fossilkraftwerke aus dem Netz zu drängen. Überschussstrom wird man in allen europäischen Ländern zur Produktion von Wasserstoff benötigen – den man aufgrund der Transportverluste kaum interkontinental transportieren kann.
      Sind das keine guten Gründe, negative Aspekte zu erkennen?
      Wenn Sie mehr darüber wissen wollen: Prof. Andreas Luczak, Professor für Regenerative Energien an der Fachhochschule Kiel, hat darüber im “pv magazine” einen wirklich feinen Artikel verfasst:
      Mythen der Elektromobilität: Sinnvoller Klimaschutz oder teure Industriesubvention?
      https://www.pv-magazine.de/2021/12/20/mythen-der-elektromobilitaet-sinnvoller-klimaschutz-oder-teure-industriesubvention/

      1. Welche “anderen Verwendungen bewirken denn eine größere Verringerung der CO2-Emissionen”? Können Sie Beispiele nennen und dies auch quantitativ belegen? In Ihrem Link habe ich dazu nichts gefunden.

    1. Das ist genau so sinnvoll wie mit Diesel aus dem Autotank zu heizen. Das geht zwar ausgezeichnet, nur mit dem Fahren wird dann halt nichts.
      Ich kann mir nicht vorstellen, dass E-Mobil Fahrer dümmer sind als Verbrenner-Fahrer. Die Praxis wird zeigen was diese Theorie taugt.

    2. Dahinter steckt die Vorstellung von anders nicht verwertbaren Grünstrom-Überschüssen. Doch die wird es nicht geben. Denn einerseits wird der Strombedarf wegen der vielen überhasteten Elektrifizierungsprojekte rapide steigen. Andererseits wird v.a. die Chemieindustrie große Mengen Wasserstoff benötigen, der wirtschaftlich nicht über große Entfernungen transportierbar ist und daher nahe an den Abnehmern erzeugt werden muss. Dieser notwendige Strombedarf tritt dann in Konkurrenz mit überflüssigen Luxusverbrauchern wie den Elektrospaßmobilen.
      Die (keineswegs umfassend von rollfähigen schweren Akkumulatoren ersetzten) Verbrenner werden zukünftig importierte eFuels tanken.

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