Versorgungssicherheit: Vom politischen Kurzschluss zum Blackout

Noch selten war ein Desaster so vorhersehbar, wie es bei der Energiepolitik jetzt zum Vorschein kommt. Offensichtlich dauert es einfach so lange, bis eine vermeintliche Strategie – in diesem Falle die Energiestrategie 2050 – die bekannten Phasen eines Projekts durchläuft: 

  1. Allgemeine Begeisterung
  2. Allmähliche Ernüchterung
  3. Suche nach Schuldigen
  4. Bestrafung von Unschuldigen
  5. Auszeichnung von Unbeteiligten

Phase 1: Der legendäre Fehlentscheid des Bundesrates von 2011, in Zukunft auf Kernenergie zu verzichten, wurde von allen einschlägigen Kreisen und den Medien gefeiert.  Phase 2: Als sich in den Folgejahren herausstellte, dass Investition in Windkraft und Photovoltaik weder energetisch (Stichwort: niedrige Erntefaktoren) noch finanziell rentieren, weder im Ausland, noch im Inland, und der Ausbau entsprechend harzig vorwärts geht, stellte sich eine Ernüchterung ein. Mit der Ablehnung des CO2-Gesetzes durch das Stimmvolk erreichte die Ernüchterung auch das Bundeshaus. Phase 3: Darin befinden wir uns jetzt. Typischerweise weisen alle die Verantwortung von sich. Die Suche der Schuldigen läuft auf Hochtouren. Phase 4: Die ist  noch nicht angelaufen, aber vorhersehbar: Bestraft wird der Steuerzahler. Spannend ist eigentlich nur noch Phase 5, nämlich wer als Unbeteiligter ausgezeichnet wird. Mein Tipp: Die Medien. Die hätten in dieser Sache immer umfassend und kompetent kommentiert. Die Auszeichnung wird wahrscheinlich das SRF vornehmen.

Das Ganze ist allerdings nicht lustig, sondern ernst, bedrohlich und traurig. Bereits 2012 (!) haben Silvio Borner et. al. in ihrem Paper: «Volkswirtschaftliche Auswirkungen der Energiestrategie 2050 des Bundesrates» auf ein Scheitern hingewiesen. Wir zitieren hier ungekürzt aus der Zusammenfassung: 

«Die Energiestrategie 2050 scheitert an physikalischen und technologischen Grenzen, an technisch-ökonomischen Fehlallokationen, an zunehmenden nationalen politischen Widerständen und schliesslich auch an Inkompatibilität mit dem internationalen Umfeld und mit internationalen Trends. Die volkswirtschaftlichen Kosten werden zunehmend spürbar und zerstören die heute noch vorherrschenden Illusionen einer Energiewende mit null Kosten oder gar positiven Wachstumsimpulsen. Spätestens dann müssen Korrekturen an der Energiestrategie vorgenommen und die Ziele abgeschwächt werden. Die alten Kernkraftwerke werden deshalb laufend erneuert und werden 60 Jahre oder mehr in Betrieb bleiben. Die Stromanbieter werden aber notgedrungen in Gaskraftwerke investieren, was zu neuen Risiken (CO2, Gaspreise) und Abhängigkeiten führen wird.»

In  der Folgestudie von 2015: «Energiestrategie 2050: Eine institutionelle und ökonomische Analyse» wurde erneut darauf hingewiesen: «Die Energiestrategie 2050 basiert auf lückenhaften oder wissenschaftlich nicht fundierten Entscheidungsgrundlagen. Sie verdient das Etikett „Strategie“ nicht. Ihre negativen Folgen – stark steigende Energiepreise und externe Kosten, sinkende Stabilität des Stromsystems, zunehmende Auslandabhängigkeit, erodierende internationale Wettbewerbsfähigkeit – werden sich erst nach und nach zeigen, wenn der Systemumbau bereits weit fortgeschritten und nur noch zu horrenden Kosten zu korrigieren ist (Pfadabhängigkeit, irreversible Investitionen). Die Energiestrategie 2050 muss unverzüglich gestoppt und grundsätzlich überarbeitet werden. Derzeit besteht keine Dringlichkeit, diese „Strategie“ zu verabschieden. Unbedingt zu vermeiden sind punktuelle Umsetzungs-Korrekturen an den Vorschlägen des Bundesrats. Dies würde darauf hinauslaufen, mit grossem Aufwand Probleme anzugehen, die ohne den grundsätzlichen Fehlentscheid gar nicht entstehen würden.»

In der dritten und jüngsten Studie von 2018 mit dem Titel: «Versorgungssicherheit: Vom politischen Kurzschluss zum Blackout» beleuchten elf qualifizierte Autoren, wie der gewählte politische Weg in eine Strommangellage, ungewünschte Abhängigkeiten und klimapolitische Widersprüche führt. 

Alle drei Berichte wurden bei deren Veröffentlichung den Medien vorgestellt und den angesprochenen Entscheidungsträger vorgelegt. Die Studien erhielten keine Aufmerksamkeit, da sie nicht dem Zeitgeist entsprachen. Von den kritisierten Politikern wurden die Autoren im besten Falle totgeschwiegen, Gegenargumente blieben aus. Liebe Leser, wir nehmen es Ihnen nicht übel, wenn Sie die zitierten Publikationen noch nicht gelesen haben. Holen Sie das aber nach. Hier haben Sie die Gelegenheit dazu. Klicken Sie zum Herunterladen einfach auf die Titel. Die Studien sind aktueller denn je und mit dem seither Geschehenen noch viel spannender zu lesen.

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5 thoughts on “Versorgungssicherheit: Vom politischen Kurzschluss zum Blackout”

  1. Die Pianistin BR Sommaruga scheint effektiv etwas überfordert oder sehr naiv zu sein. Die Liberalisierung des Strommarktes in Europa hat die Karten und die Verantwortungen neu gemischt. Nur die Politik kann die Marktregeln bzw. Gesetzgebung so anpassen, dass genug in neue Erzeugungskapazitäten für das kritische Winterhalbjahr investiert wird. Oder wir kehren in die guten alten Zeiten der Monopole und klaren Verantwortungen zurück …

  2. Bekanntlich liefert die Schweiz Strom ins Ausland und importiert seit Jahren Strom aus dem Ausland weil die eigene Produktion, auch Erneuerbare, in den Wintermonaten nicht genügt.
    👉 Wie lange die EU der Schweiz noch Strom liefern kann ist unsicher, weil ihr Gesetz verlangt dass in erster Priorität die EU-Länder sich mit Strom aushelfen müssen.
    Gleichzeitig steigt in der Schweiz der Stromverbrauch wegen Wärmepumpen, eMobilität usw.
    👉 Bei Strommangel werden Verbraucher abgeschaltet.
    👉 Es gilt die Behördenverbindliche Information aus dem Bundeshaus.

  3. Nur noch irre die Augen rollen: Das sitzen wir im absaufenden E-Schiff und was machen die Kapitänin und ein Maschinist? Sie streiten wer schuld ist und tun nichts um das Leck zu stopfen, die Passagiere zu retten. Kriminell, diese grobe Fahrlässigkeit.

  4. Die Passagiere müssen halt mehr bezahlen und warten bis die Sonne wieder scheint oder der Wind weht, weil sie nicht mit einem unheimlichen und gefährlichem Atomantrieb fahren wollten …

  5. Der Artikel von Danny Schlumpf im Blick ist weder lustig, noch tragikomisch, sondern ganz einfach dumm. Wenn sich erwachsene Personen wie kleine Goofen gegenseitig vorwerfen, der jeweils andere sei Schuld daran, dass die Schweiz nicht mit PV-Anlagen zugepflastert worden sei, was offenbar alle Probleme gelöst hätte, kann man weder lachen noch weinen. Wie befreiend ist nach diesem Geleier die Lektüre des Beitrags von Markus Häring: wie aus einem Alptraum aufgewacht befindet man plötzlich wieder unter normalen Menschen, die vernünftig denken und schreiben können………

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