Volk stoppt unmögliche Politik – was nun?

An Kommentaren zur Ablehnung des CO2-Gesetzes durch das Volk fehlt es heute nicht. Wir wollen uns trotzdem auch noch kurz dazu äussern, um auf einen wichtigen Aspekt hinzuweisen, der in der Debatte zu kurz gekommen ist, jetzt aber unbedingt ins Zentrum der weiteren Arbeiten gerückt werden muss: Die schweizerische Klima- und Energiepolitik wäre mit dem abgelehnten CO2-Gesetz noch tiefer in ein unlösbares Dilemma gekommen.

Der kritische Zusammenhang der geplanten Dekarbonisierung gemäss CO2-Gesetz mit der Energie«strategie» 2050 wird ständig missachtet. Der Ersatz des aus Verbrennungsprozessen stammenden CO2 durch eine Elektrifizierung mit Strom aus neuen erneuerbaren Energiequellen wird als durchaus lösbare Aufgabe betrachtet. Wir haben aber in unserer Studie zur Versorgungssicherheit (2018) sowie schon in einer früheren Studie (2014) gezeigt, dass dem nicht so ist.

In der Tat präsentieren sich schon heute immer mehr und immer grössere Schwierigkeiten und Fragezeichen. So zeichnet sich immer deutlicher ab, dass eine ganzjährig sichere Stromversorgung wegen limitierter Speicher- und Importmöglichkeiten den Bau neuer Kraftwerke mit hohen Lastfaktoren in der Schweiz voraussetzen würde (dies selbst ohne weitergehende Dekarbonisierung). Die Kernkraft fällt als Option ausser Betracht, da die bestehenden Werke mit der Energie«strategie» 2050 schrittweise stillzulegen sind und neue Werke nicht gebaut werden dürfen. Und an den Bau fossiler Kraftwerke (Gaskraftwerke) ist mit den Pariser Selbstverpflichtungen der Schweiz kaum mehr zu denken.

Das Nein des Volks muss jetzt unbedingt zum Anlass genommen werden, diese Schwierigkeiten zu analysieren und die Fragezeichen zu klären.

Das Hauptziel muss es sein, die Energieversorgung das Landes auf Dauer zu tragbaren Kosten sicherzustellen und dabei gleichzeitig die klimapolitischen Nebenziele der Dekarbonisierung zu erfüllen. So lange nicht plausibel gemacht werden kann, ob und wie diese Optimierung unter Nebenbedingungen zu erreichen ist, dürfen keine weiteren «Strategien» mehr gefasst oder Gesetze beschlossen werden. Sonst wird diese das Volk noch einmal verwerfen.

Es ist durchaus vorstellbar, dass die dauerhafte Sicherstellung der Energieversorgung bei gleichzeitiger Netto-Null-Dekarbonisierung in der Schweiz ohne Kernkraftwerke gar nicht machbar ist bzw. mit untragbaren Wohlstandverlusten gekoppelt wäre.


Dazu erreichte mich eben der passende Nachtrag von Richard Voellmy:

NACHTRAG-Voellmy

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11 thoughts on “Volk stoppt unmögliche Politik – was nun?”

  1. Genau das Gleiche geht mir auch laufend durch den Kopf.
    Die Zeit wird nun reif, das Kernenergiegesetz wieder zu entblockieren.
    Ganz gleich, welches Verhältnis man zwischen postuliertem «man-made Klimawandel» und natürlicher Klimavariabilität ansetzt, Erdölreserven gehören prinzipiell für wichtige andere Anwendungen als nur das Heizen und das Fahren geschont. Dieser Aspekt rückte leider während Jahren im Zuge der aufgeregten Klimadiskussion in den Hintergrund.
    Durch das Abstimmungsergebnis von gestern (13.6.21) wird der zeitliche und inhaltliche Druck an allen Seiten auf die Schweiz effektiv noch grösser:
    – Paris-Klimaziele sind bis 2050 kaum mehr einhaltbar
    – Blackoutgefahr ist stetig am Steigen
    – Winterstromimportengpass droht aufgrund baldiger Abschaltung der D-KKW und Kohlekraftwerke
    – Kein EU-Stromabkommen in nächster Zukunft
    – Gefahr einer permanenten CH-Strommangellage
    – Gefährdung von Umwelt-, Natur- und Heimatschutz durch späte notfallmässige Energie-Hauruck-Aktionen
    Gretchenfrage: Will man nun den CO2-Ausstoss trotz Paris-reduktionsambitionen wirklich durch Gaskraftwerke auf Jahrzehnte hin sogar erhöhen?
    Bei weiter steigendem Bevölkerungsdruck auf eine 9-10 Mio Einwohner Schweiz gibt es unter Einbezug ALLER Aspekte nur EINE vernünftige Lösung: KERNENERGIE

  2. Warum gestehen die Schweizer Klimawissenschafter nicht endlich ein – wie es der international renommierte Klimawissenschafter James Hansen seit Jahren tut – , dass der Klimawandel ohne sauberen, CO2-freien Strom nicht zu bewältigen ist. Dafür braucht es Kernkraftwerke. Die fossilen Energien muss man ersetzen durch mit Strom betriebene Elektroautos und Wärmepumpen. Das CO2-Gesetz wurde abgelehnt, weil es ein “Murks” war mit diesem Milliarden schweren Klimafonds, dessen Geld intransparent für Flatterstromprojekte vergeudet worden wäre.

  3. @Irene Aegerter: Genau, ich hoffe, dass jetzt endlich die wirklich relevanten Fragen angegangen werden. Der Energie Club Schweiz setzt sich dafür vorbildlich ein und hat sicher auch zum Erfolg in der Volksabstimmung spürbar beigetragen. Hier die Medienmitteilung des ECS, die ich natürlich auch teile:
    https://energieclub.ch/de/aktuelles/artikel-222~nein-zum-co-sub-2-sub-gesetz-ermoglicht-neuanfang

    Dres. Irene und Simon Aegerter gebührt grosser Dank für ihren steten Einsatz!

  4. Ich unterstütze voll und ganz die Meinung von Richard Voellmy. Mit der von BR Leuthard durchgesetzten “Energiewende” wird die Schweiz ihre gravierenden Probleme mit der langfristigen Sicherstellung des elektrischen Energiebedarfes nicht lösen können. Es ist nötig, dass der Mär der gefährlichen und nicht nachaltigen Kernenergie in der Öffentlichkeit energisch entgegengetreten wird. Ich mache der Schweizer Ingenieurwissenschaftlern – und insbesondere der ETHZ/L den Vorwurf, dass sie nicht energischer für die Kernenergie eintritt. Nichts liest man in den Medien und wissenschaftlichen Publikationern über die Tatsache, dass Kernenergie zu den wichtigsten grünen Energiequellen gehört.

  5. Die Schweiz sollte ihre dümmliche Klimapolitik unverzüglich beenden und unter Einbezug sämtlicher Energieträger zu einer technologieoffenen Energiepolitik zurückfinden. Dabei hat die grösstmögliche Schonung endlicher Energieträger sowie die bestmögliche Speicherung intermittierender Stromerzeugung erste Priorität. Wichtig ist, dass man dabei von der im europäischen Stromnetz bereits bestehenden und zu erwartenden Energie-Infrastruktur ausgeht. Dabei zeigt sich zunächst, dass die grösstmögliche Schonung fossiler Energieträger mit den Zielen des völlig unrealistischen Pariser Klimaabkommens identisch ist, wodurch dem unsäglichen Grünismus der Wind aus den hyperventilierenden Rotoren genommen wird.
    Darüber hinaus zeigt sich, dass die Schweiz durch die hierzulande bereits vorhandene Infrastruktur zur Speicherung flüssiger Treib- und Brennstoffe sowie zur Erzeugung und Speicherung von Hydro- und Nuklearstrom gegenüber den umliegenden Ländern einen nicht einholbaren Vorsprung hat:
    Die Schweiz braucht kein Stromabkommen mit der EU und kann sich zunächst darauf konzentrieren, im Inland die Speicherkapazitäten zukunftssicher zu optimieren und, falls erforderlich im umliegenden Ausland unter Inanspruchnahme dortiger Einspeisevergütungen etc. zusätzlichen (!) Flatterstrom zu erzeugen, welcher bei Sonnenschein auf dem Europäischen Strommarkt zum Niedrigtarif gekauft und durch das bestehende Stromnetz in die Schweizer Pumpspeicherseen geleitet wird. Die umliegenden Länder, welche aus topographischen Gründen nur wenige Pumpspeicherseen erstellen können, werden froh sein, ihren überschüssigen Flatterstrom überhaupt verkaufen zu können, auch wenn sie keine Option auf Schweizer Winterstrom haben: Die Schweiz kann also ihren gespeicherten Flatterstrom zum optimalen Zeitpunkt als Laufstrom in die umliegenden Länder teuer zurückverkaufen, ohne hierzu verpflichtet zu sein.
    Im Laufe der kommenden Jahrzehnte wird sich dann zeigen, welche Technologien in der Bevölkerung auf Akzeptanz stossen und im Strommarkt auf absehbare Zukunft bestehen können.

  6. Es pressiert! Es wäre nicht nur nötig zu erkennen, dass die Klimaziele ohne KKW nicht zu erreichen sind, sondern dass umgehend mit der Planung eines ortsspezifischen und bewilligungsfähigen KKW angefangen wird. Der Ausrede, dass neue KKW zu teuer sind und zu lange Realisierungszeiten (26 Jahre in der Schweiz) haben, muss mit einer Kopie eines irgendwo (z.B. in Finnland) erfolgreich gebauten und von den Sicherheitsbehörden genehmigten KKW begegnet werden. Die Realisierungszeit muss auf ca. 10 Jahre gekürzt werden. Frankreich hat dies bereits im letzten Jahrhundert mit dem serienmässigen Erstellen von KKW gezeigt. Die Koreaner haben es kürzlich auch in Abu Dhabi bewiesen. Auf Tschernobyl sind Jahrzehnte der Kernenergie-Entwicklung gefolgt, besonders in China und Russland. Mit einem koordinierten Effort einiger westlicher Industrienationen sollte es möglich sein, die verlorene Spitzenposition in der F&E der Kernenergie wieder zu erlangen. Dies würde nicht nur der Industrie neue Impulse geben, sondern auch der Dekarbonisierung einen grossen Schub verleihen.

  7. da bin ich ein Mal mit Markus Saurer absolut einverstanden, dass soll geklärt werden. Das Ergebnis wird aber voraussichtlich für die vielen Kernernergiebefürworter beim CCN ernüchtern sein. Strom aus neuen KKW ist nicht konkurrenzfähig wenn diese nicht mehr 7000 Stunden im Jahr laufen müssen, sondern nur noch maximal die Hälfte davon. Andere Technologien sind in der Zwischenzeit wesentlich günstiger und mit viel weniger Risiken verbunden!

  8. Werter Herr Huber, wenn, wie Sie offenbar annehmen, die Kernkraft als Backup für intermittierende Energiequellen (PV und Wind) konzipiert wird, dann müssen die systemischen Zusatzkosten diesen intermittierenden Quellen zugerechnet werden. Lehnen Sie doch einmal zurück und überlegen Sie sich, welche Quellen welche Kosten verursachen. Gäbe es keine Backup-Kapazitäten, müssten ja enorme Speicherkapazitäten geschaffen werden…

    Oder überlegen Sie sich alternativ, wie hoch die Zahlungsbereitschaft für Backups wäre, die zur Folge haben, dass z.B. der Ausbau von PV und Wind halbiert werden könnte… die Behörden überlegen sich ja auch schon länger, ob man die Bereitstellung von Reservekapazitäten nicht in einem Kapazitätsmarkt im Wettbewerb auktionieren sollte.

  9. Geschätzter Herr Saurer
    Sie machen immer wieder den gleichen Überlegungsfehler. In der neuen Welt haben die Erneuerbaren Vorrang und nicht mehr wie heute die KKW. Das verändert alles. Deshalb müssen KKW sowohl die absehbaren Winterlücken füllen können und im Sommerhalbjahr abgestellt werden. Das ist der Grund, wieso sie nicht mehr 7’000 Stunden laufen können, das müssen sie eben berücksichtigen.

  10. Philippe Huber, besser können Sie es kaum formulieren, weshalb die systemischen Zusatzkosten unter diesen Umständen eben gerade von den intermittierenden Stromquellen verursacht und volkswirtschaftlich darum diesen zugerechnet werden müssen. Hinzu kommen Netzausbauten – bidirektional (Prosumer sind anzuschliessen, nicht nur Konsumer) und dezentral (Netzausbau bis zu jedem Misthaufen, sozusagen). Das gibt exorbitant teure Systeme – und zwar genau deshalb, weil die intermittierenden Quellen priorisiert werden.

    Nur, soweit wird es in der Schweiz gar nicht kommen. Wir werden noch rechtzeitig begreifen, dass PV in der Schweiz nicht in grossem Stil Sinn macht. Dafür liegt der ERoEI (oder EROI) in der Schweiz viel zu niedrig, wie Ferruccio Ferroni ja hier schon des öfteren gezeigt hat.

  11. Herr Saurer, das ist genau der Punkt, welche Produktion verursacht welche Systemkosten? Das gilt auch für die Verbraucher. Und wir sind dann sofort beim Marktdesign, wofür jeder eine andere Auffassung hat, wie er organisiert werden sollte. Das beginnt mit dem heutigen energy only market für den Grosshandel, welcher nicht in der Lage ist, die richtigen Anreize für Investitionen in flexible Kraftwerke zu geben. KKW sind wie Erneuerbare per Definition nicht flexibel. Das gilt für beide. Wer welche Systemkosten tragen muss, ist daher bei weitem nicht so eindeutig oder trivial, wie sie es darstellen.

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